Kann ein menschliches Herz für einen künstlichen Kameraden schlagen? (Bilder: Sarah Elßer)

Sybille Enz (l.) und Carsten Zoll von der Forschungsstelle GRIP wollen mehr über die Interaktion zwischen Mensch und Maschine herausfinden.

Dabei hilft ihnen unter Anderem der Roboter-Dino Pleo.

- Sarah Elßer

Mein Freund, der Roboter …

Arbeitsgruppe GRIP forscht über Mensch-Maschine-Interaktion

Spätestens seit Filmen wie I-Robot oder A.I. ist klar: Das einzige Wesen, das über dem Menschen stehen kann, ist die Maschine. Angst und Faszination vor den künstlichen Lebewesen beschäftigten auch die Wissenschaft. Die Gruppe für Interdisziplinäre Psychologie (GRIP) geht der Frage nach, wie soziale Beziehungen zu künstlichen Agenten und Robotern entstehen und unter welchen Bedingungen sie aufrecht erhalten werden können.

Handys, Laptops, Navigationssysteme – egal wo man hinsieht oder was man heutzutage macht, die Technik ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Sie leiten, steuern und bestimmten unseren Tagesablauf. Dass aber irgendwann ein Zusammenleben mit den künstlichen Kameraden auf gleichwertigem Niveau stattfinden soll, malen sich höchstens Drehbuchautoren und Schriftsteller aus. Aber sind wir wirklich noch so weit davon entfernt, unseren Lebensraum mit Robotern zu teilen?  „Wir nehmen für unsere Forschung an, dass es so passieren wird. Die interessante Frage ist das wie“, sagt Dr. Sibylle Enz. Sie ist eine von vier Mitarbeitern der Forschungsstelle GRIP, die sich letztes Jahr aus dem Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie der Universität Bamberg entwickelt hat. Gemeinsam mit ihren Kollegen Dr. Caroline Spielhagen, Dr. med. Martin Diruf und Dr. Carsten Zoll widmet sich Enz den verschiedenen Ebenen der Mensch-Maschine-Interaktion. Eine der wichtigsten Fragestellungen von GRIP ist es, herauszufinden wie Menschen und Maschinen auf lange Sicht zusammen leben können.

Die Angst kommt durch die Medien

Momentan sehen Enz und Zoll allerdings noch keine Möglichkeit, dass Menschen und Maschinen auf einer sozialen Ebene gemeinsam leben können. „Die Erwartungen und Vorstellungen der Menschen stehen ziemlich weit abseits von dem, was in nächster Zeit zu erwarten ist“, erklärt Carsten Zoll. „Die Roboter, um die es hier geht, sind im Servicebereich angesiedelt. Sie sollen als Erinnerungshilfe dienen, Büroarbeit abnehmen, als Gebäudeführer arbeiten und so weiter. Die drohende Weltherrschaft steht nicht im Vordergrund“, fügt Zoll verschmitzt hinzu. Die ambivalente Haltung der Probanden sieht Sibylle Enz durch die medialen Einflüsse geprägt: „Einerseits herrscht Neugier und übersteigerte Erwartung und andererseits die Ernüchterung was die Roboter wirklich können und vor allem was ihnen auch erlaubt wird. Es gibt momentan noch sehr strikte Regeln was sie dürfen und was nicht, weil Roboter sich bewegen können und somit immer ein potentielles Verletzungsrisiko für Menschen da ist.“

Besonders die medialen Einflüsse auf die Gesellschaft durch Horrorszenarien in Filmen wie Weltherrschaft und Übergriffe auf Menschen durch Maschinen, prägen die Angst wirklich nahe mit den Maschinen zusammenzuleben. Eine autonome Form der Roboter würde zwar den Nutzen ihrer Dienste um ein Vielfaches steigern, allerdings auch die Befürchtungen der Menschen, dass irgendwann der Schöpfer selbst zum Opfer seiner sich unkontrollierbar weiterentwickelnden Geschöpfe wird. „Um ein Zusammenleben mit den künstlichen Kameraden zu ermöglichen, müsste nicht nur die Gesellschaft ihre Ängste und Vorurteile gegenüber der elektronischen Lebensform aufgeben, sondern auch die Technik stark weiterentwickelt werden. „Es ist noch einiges zu tun“, meint Carsten Zoll. „Es geht auch um die Präzision der Zielsetzung: Was ist eine soziale Beziehung? Was heißt Zusammenleben? Die Komplexität der Mensch-Roboter-Beziehung ist stark abhängig von der Ausstattung und Fähigkeit der Roboter.“

Ein Herz für Pleo

Ein aktueller Forschungsgegenstand von GRIP ist klein und niedlich und besteht aus einer Vielzahl von Sensoren und Motoren – Pleo heißt der kleine Dinosaurier, mit dessen Hilfe das Team der Forschungsstelle die empathische Beziehung zwischen Menschen und Maschinen untersucht. Pleo reagiert auf Berührungen, er kann zeigen ob er sich freut oder ob ihm etwas nicht gefällt. Wird Pleo gestreichelt, stößt er glucksende Laute aus und bewegt seinen Kopf und seinen Schwanz hin und her. Gefällt ihm etwas nicht, gibt er kreischende Laute von sich. „Pleo kann nichts anderes machen als das und soll auch für nichts anderes da sein Er unterliegt einer Vielzahl an Kompromissen im Design, bei der Software und im Bau.“, so Zoll. Der Dino-Roboter wurde nicht eigens für die Forschung des GRIP-Teams entworfen, bei Pleo handelt es sich um ein kommerzielles Produkt. Er kann sehen und hören, auch aus welcher Richtung das Geräusch kommt. Aber warum ausgerechnet ein Dinosaurier als Forschungsobjekt? „Das ist ziemlich einfach, weil ein Dinosaurier keine konkreten Erwartungen hervorruft, da weiß man einfach nicht wie sich das reale Vorbild zu verhalten hätte. Wäre es eine künstliche Katze, dann würden die Menschen mit bestimmten Erwartungen an den Roboter herantreten und diese würden dann ziemlich schnell enttäuscht werden. Bei einem Dinosaurier existiert so ein Risiko nicht“, erläutert der Psychologe.

In der bisher durchgeführten Studie beschäftigten sich die Versuchspersonen zunächst frei mit Pleo, um dann im zweiten Teil selbst einfache Aufgaben mit dem Dino zu lösen. Damit soll sich zeigen ob Berührungsängste mit Robotern vorhanden sind, wie schnell sich Menschen auf den künstlichen Kameraden einlassen und vor allem wie lange sie sich mit ihm beschäftigen möchten. „Da liegt oft das Problem“, erzählt Sibylle Enz. „Leider verfliegt die anfängliche Begeisterung bei den meisten Menschen ziemlich schnell.“ Für eine langfristige Beziehung müssten also auf jeden Fall die Fähigkeiten von Pleo erweitert werden. Auch die Forschung steht hier noch am Anfang: Um wirklich herausfinden zu können, ob Mensch und Maschine auf lange Zeit miteinander „leben“ können, müssten die Laborbedingungen aufgegeben und reale Bedingungen geschaffen werden. Der Aufwand, der beispielsweise durch die Dokumentation der Interaktionen zwischen Mensch und Pleo entstehen würde, wäre enorm, außerdem stehen einer lang andauernden Interaktion mit Pleo banale Probleme wie die geringe Laufzeit der Akkus im Weg.

Eine Studie des Swedish Institute for Computer Science (SICS), wie das Bamberger Team ebenfalls im EU-Forschungsprojekt LIREC, hat genau diese Probleme aufgezeigt. Auch das GRIP-Team musste feststellen, dass nicht alle Probanden positiv auf Pleo reagiert haben. Wer ein Herz für Pleo hat und wer nicht, hängt vor allem von der charakterlichen Eigenschaft der Testpersonen ab: Extraversion und Introversion sind hierfür entscheidende Faktoren. Extravertierte Menschen sprechen mehr mit Pleo und sind experimentierfreudiger als introvertierte. Für ein künstliches und unterhaltsames Intermezzo im Leben ist Pleo demnach geeignet, für eine langfristigere empathische Bindung bedarf es noch einiger Updates.

Autonome Agenten gegen Mobbing?

Neben dem gestalthaften Pleo beschäftigen sich die Forscher auch mit virtuellen künstlichen Kameraden, so genannten autonomen Agenten. Diese spielen eine besondere Rolle bei eCIRCUS. In diesem ebenfalls von der EU geförderten Projekt wurden Softwareprogramme zum Einsatz in Schulen entwickelt, um bei den Themen „Bullying“ beziehungsweise soziale Ausgrenzung von ausländischen Jugendlichen Erfolge zu erzielen. Eingesetzt wurde die Software FearNot! bei 942 Schülern in England und Deutschland. Sie sollten im Rahmen des virtuellen Rollenspiels mit den autonomen Agenten eine empathische Bindung eingehen. Die Lernsoftware besteht aus mehreren Episoden, wobei die Entwicklung des Rollenspiels von den autonom getroffenen Entscheidungen der Agenten und den Tipps der Schüler abhängig ist. Zwar reduzierte sich in England die Anzahl der „Bullying“-Opfer, in Deutschland hingegen konnte dieser Erfolg nicht nachgewiesen werden. Jedoch muss erwähnt werden, dass in Deutschland die Teilnehmer jünger waren, da das Programm bei Schülern der dritten Klasse eingesetzt wurde. Hier könnten Alterseffekte wie die größere Computererfahrung oder bessere Kenntnisse im Schreiben und Tippen von älteren im Vergleich zu jüngeren Schülern eine Rolle spielen. „Allerdings konnten wir eine Art sekundäre ‚Prävention‘ feststellen, das bedeutet, dass diejenigen die vorher bereits Opfer von ‚Bullying‘ waren leichter aus ihrer Rolle herausgekommen sind“, berichtet Enz.

Vielleicht ist diese Interaktion mit autonomen Agenten ein erster Schritt in Richtung soziale Zukunft von Mensch und Maschine. Ein Wunsch von Zoll für die Weiterentwicklung der Roboter wäre das Erlernen der Sprache. Eine notwendige Eigenschaft für autonomes und gleichwertiges Existieren der Roboter. Aber auch im nonverbalen Verhalten der Maschinen müsste sich noch einiges ändern, da ist sich Enz sicher: „Es ist automatisch notwendig, dass der Roboter nonverbales Verhalten lernt, um nicht zu stören und sich einzufügen in die Gesellschaft. Nonverbale Zeichen und rudimentäre Kompetenzen sind nötig, um in angemessener Form mit Menschen zu leben.“