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Die UN-Mitgliedstaaten stimmen über einen globalen Migrationspakt ab.

Jürgen Schabel/Universität Bamberg

Daniel Göler forscht unter anderem zu Migration.

- Christoph Hägele

Globaler Migrationspakt

Migrationsforscher Daniel Göler liefert Einschätzungen zum UN-Migrationspakt

Der unter Führung der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) erarbeitete „Globale Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration“ soll von den UN-Mitgliedsstaaten am 10. und 11. Dezember in Marrakesch unterzeichnet werden.

„Allein die Verabredung zu mehr Kooperation macht den Pakt bedeutend“, sagt Daniel Göler. Er ist Professor für Geographische Migrationsforschung und Co-Direktor am Europäischen Forum für Migrationsstudien (efms) an der Universität Bamberg.

1. Was will der Globale Migrationspakt?

Der „Globale Pakt für sichere, reguläre und geordnete Migration“ bekennt sich auf 34 Seiten zu 23 Zielen. Die unterzeichnenden Staaten einigen sich darin auf Mindeststandards für Migranten. So sollen Migranten einen besseren Zugang zu grundlegenden Sozialleistungen erhalten. Sie sollen besser integriert, ihre Bildungsabschlüsse umfassender anerkannt werden. Viele Migranten arbeiten in ihren Gastländern unter erbarmungswürdigen Umständen. Mit dieser Form moderner Ausbeutung will der Pakt Schluss machen.

2. Was sagt der Pakt zu den Fluchtursachen?

Das zweite der 23 Ziele widmet sich „strukturellen Faktoren, die Menschen dazu bewegen, ihre Herkunftsländer zu verlassen“. Dem setzt der Pakt Ernährungssicherung, Bildung, neue Arbeitsplätze und die Anpassung an den Klimawandel entgegen. Zudem verpflichten sich die Staaten, den Kampf gegen Schleuser zu intensivieren. „Die Maßnahmen sind richtig. Ob sie umgesetzt werden, steht auf einem anderen Blatt. Erzwingen können die UN dies nicht“, sagt Göler.

3. Geht es um Migranten oder Flüchtlinge?

„Der Pakt unterscheidet nicht eindeutig zwischen Flüchtlingen und Migranten“, sagt Göler und ergänzt: „Faktisch lässt sich beides auch nicht exakt voneinander trennen.“ Von Migration sprechen Wissenschaftler, wenn Menschen ihre Heimat verlassen, um in einem anderen Land zu leben. Göler schätzt, dass weltweit ein Viertel der Migranten Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sind. Flüchtlinge genießen größeren Schutz als Migranten, die aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen. Diesen Unterschied stellt der Migrationspakt nicht infrage.

4. Schränkt der Pakt die Souveränität der Nationalstaaten ein?

Der Pakt bekennt sich zu dem souveränen Recht der Nationalstaaten, ihre Migrationspolitik selbst zu bestimmen. „Jeder Staat kann auch künftig selbst entscheiden, wie viele und welche Migranten er aufnehmen möchte“, sagt Göler.

5. Wie verbindlich ist der Pakt?

Der Pakt ist ein rechtlich nicht bindender Kooperationsrahmen. Sanktionsmöglichkeiten sind nicht vorgesehen. Allerdings ist im Pakt mehrmals die Rede davon, dass sich die Unterzeichner zur Umsetzung der Ziele „verpflichten“. Kritiker fürchten, dem formal unverbindlichen Pakt könnte durch moralischen Druck und Gerichtsurteile doch noch verbindliche Geltung erwachsen.

6. Was würde sich für Deutschland ändern?

Nach Meinung der meisten Experten gewährt die Bundesrepublik Migranten schon jetzt die im Migrationspakt aufgeführten Rechte. Jeder Mensch, der sich im Bundesgebiet aufhält, hat Anspruch auf Unterkunft, Verpflegung und Gesundheitsversorgung. Eine Ausweitung von Ansprüchen für Migranten ließe sich aus dem Pakt nicht ableiten.

7. Ist es im Interesse Deutschlands, den Pakt zu unterzeichnen?

„Ja“, sagt Daniel Göler. Deutschland verdanke Migranten große Wohlstandsgewinne. In Zukunft werde das Land noch stärker auf Einwanderer angewiesen sein, Stichwort Fachkräftemangel. Deutschland hat in den Augen Gölers deshalb großes Interesse daran, Migration besser als bisher zu steuern und mit anderen Staaten zu koordinieren.

8. Fördert der Pakt mehr Migration?

Richtig ist, dass der Pakt die Migration überwiegend positiv darstellt. Richtig ist, dass der Pakt Migranten rechtlich besser stellt. „Dass dies eine Sogwirkung auf Migranten ausübt, ist nicht auszuschließen“, sagt Göler. Der Chef der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI), Gerald Kraus, erwartet von sich angleichenden rechtlichen Standards dagegen einen sinkenden Migrationsdruck. Die Idee dahinter: Wenn Transitländer Migranten besser behandeln, ziehen weniger von ihnen in die Industriestaaten des Westens weiter.

9. Welche Staaten werden nicht unterzeichnen?

Österreich, Ungarn, Polen, Bulgarien, Tschechien und die USA werden den Pakt nicht unterzeichnen. Sie fühlen sich in ihrem Recht verletzt, selbst über ihre Migrationspolitik zu bestimmen. In den Augen Gölers ist dies ein nur vorgeschobenes Argument: „Der Pakt betont die nationale Souveränität.“ Auch der Vorwurf, der Pakt schaffe ein „Menschenrecht auf Migration“, nennt Göler „schlicht falsch“.

Hinweis

Dieser Artikel von Christoph Hägele erschien am 16. November 2018 im Fränkischen Tag und wurde mit freundlicher Genehmigung des Fränkischen Tages veröffentlicht.