Eine effektive IT-Unterstützung bei der Entwicklung ist entscheidend für die Qualität des späteren Produkts (Bild: Robert Bosch GmbH)
Andreas Henrich und seine Mitarbeiter sind in das Großprojekt FORFLOW integriert
Wissenschaft und Praxis reichen sich die Hand: die Mitglieder im Forschungsverbund FORFLOW (Bilder: Lehrstuhl für Medieninformatik)
Exzellente Ideen schneller marktreif
Für Unternehmen ist es heute ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, exzellente Ideen schnell und effizient in innovative Produkte umsetzen zu können. Dabei spielt seit Jahren die Unterstützung durch IT-Systeme eine entscheidende Rolle. Allerdings sind existierende IT-Systeme bisher nicht oder nur in unbefriedigender Form aufeinander abgestimmt. Bamberger Medieninformatiker um Prof. Dr. Andreas Henrich arbeiten im Forschungsverbund FORFLOW an einer Optimierung.
Viel Zeit und Energie geht im Entwicklungsprozess dadurch verloren, dass Ingenieure sich notwendige Daten und Informationen mühevoll zusammensuchen müssen. Zudem müssen die Daten in eine Form gebracht werden, in der sie in den notwendigen Werkzeugen verarbeitet werden können.
Gerade in frühen Phasen der Produktentwicklung muss zwangsläufig mit unsicheren und unvollständigen Daten gearbeitet werden, wodurch Abläufe nicht klar strukturierbar sind, Iterationen erforderlich werden und zahlreiche Alternativen für den Entwicklungsprozess offen stehen. Dies bedeutet, dass in Abhängigkeit von der Konstruktionsaufgabe die Vorgehensweise im Produktentwicklungsprozess stark variieren kann, was beim Ingenieur zu Unsicherheit führt. Eine Unterstützung in der Prozessgestaltung und in der Informationsbereitstellung kann den Entwicklungsprozess daher signifikant verkürzen.
Entwicklungs-Workflow als Ziel
Im Forschungsverbund stehen die Prozesse innerhalb der Produktentwicklung und deren Vernetzung zu einem Entwicklungs-Workflow im Fokus. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich Produktentwicklungsprozesse erst in ihrem Verlauf entfalten, ist es nötig, die Entscheidungssituationen über das weitere Vorgehen im Entwicklungsprozess genau zu analysieren und zu beschreiben. Diese werden als Determinanten des Workflows angesehen. Sie bestimmen zudem wesentlich den Erfolg und die Qualität sowohl der Ergebnisse (Produkt) als auch des Ablaufs einer Produktentwicklung (Prozess).
Entscheidungen über das Vorgehen im Entwicklungs-Workflow erfolgen in Abhängigkeit von den Zielen und Anforderungen der Produktentwicklung, den erreichten Zwischenergebnissen, dem bisherigen Vorgehen sowie vorhandenen Erfahrungen, Kompetenzen, Entwicklungswerkzeugen und Prozessrandbedingungen.
Ziel des Forschungsverbunds ist es, diese Entscheidungen im Entwicklungsprozess zu unterstützen. Hierzu soll eine integrierte Betrachtung von Entwicklungsanforderungen, problemlöseorientierten Vorgehensmodellen und Produktentstehungsphasen über den gesamten Prozess erreicht werden.
Der Forschungsverbund FORFLOW
FORFLOW startet offiziell am 1. Oktober 2006. Der Forschungsverbund wird durch sechs Lehrstühle an vier Universitäten getragen. Neben dem Lehrstuhl für Medieninformatik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg sind dies der Lehrstuhl für Konstruktionstechnik der Universität Erlangen-Nürnberg, dessen Inhaber Prof. Dr.-Ing. Harald Meerkamm Sprecher des Forschungsverbunds ist, die Lehrstühle für Angewandte Informatik IV – Datenbanken und Informationssysteme und Konstruktionslehre und CAD der Universität Bayreuth sowie die Lehrstühle für Wirtschaftsinformatik und Produktentwicklung der TU München.
Von Seiten der Industrie sind 21 meist bayerische Unternehmen am Forschungsverbund aktiv beteiligt, so dass zum einen Problemstellungen und Anwendungsszenarien aus der Industrie in die Forschung einfließen und zum anderen die Ergebnisse direkt validiert werden können. Industriepartner des Lehrstuhls für Medieninformatik sind die Robert Bosch GmbH in Schwieberdingen, die method park Software AG in Erlangen sowie die LEONI Bordnetz-Systeme GmbH & Co. KG in Kitzingen.
Die Finanzierung des Forschungsverbunds mit einem Gesamtvolumen von über 4,5 Millionen Euro erfolgt sowohl durch die Bayerische Forschungsstiftung mit 1,875 Millionen Euro als auch durch die Industriepartner, welche die Restsumme tragen.
Aufgaben der Bamberger Medieninformatik
Der Bamberger Lehrstuhl für Medieninformatik ist mit zwei Projekten am Forschungsverbund beteiligt:
1. Projekt „Kontextsensitive Suche nach wiederverwendbaren Komponenten“
Ziel dieses Projekts ist es, den Arbeitskontext des Entwicklungsingenieurs bei der Suche nach relevanten Dokumenten und Komponenten mit zu berücksichtigen. Auf diese Weise soll der Aufwand für die Informationsbeschaffung gesenkt und die Qualität der Suchergebnisse gesteigert werden.
2. Projekt „Inhaltsbasierte Ähnlichkeitssuche für CAD-spezifische Dokumenttypen“
Ergänzend zur Berücksichtigung des Kontexts wird im zweiten Projekt des Lehrstuhls die besondere Funktion spezifischer Dokumenttypen aus dem Computer Aided Design (CAD) Umfeld (3D-Konstruktionszeichnungen, Materialeigenschaften, …) bei der Suche nach relevanten Informationen und Dokumenten betrachtet. Dabei wird insbesondere die zielführende Kombination verschiedener Relevanzkriterien in Entscheidungssituationen betrachtet, in denen ein erhöhter Informationsbedarf entsteht.
Wissenstransfer in die Praxis
Eine Verbesserung der Informationsversorgung von Entwicklerinnen und Entwicklern während ihrer Tätigkeit wurde bereits im lehrstuhlinternen Forschungsprojekt COBAIR betrachtet. Seit 2001 wurde dabei die Nutzung des Kontexts im Information Retrieval betrachtet. Die im COBAIR-Projekt erarbeiteten Grundlagen stellen einen wichtigen Ausgangspunkt dar, auf dem das FORFLOW-Projekt aufsetzt.
Durch die Beteiligung von zahlreichen Industriepartnern im FORFLOW-Projekt kann die Weiterentwicklung der existierenden Ansätze, Methoden und prototypischen Systeme in einem realitätsnahen Umfeld mit praxisrelevanten Anforderungen erfolgen. So kann das FORFLOW-Projekt als idealtypischer Transfer der in einem universitären Forschungsprojekt geschaffenen Grundlagen über ein industrienah gestaltetes Verbundprojekt in die Praxis gelten.