Die richtige Farbe finden - Die Retuschearbeiten an der Westwand waren eine der Herausforderungen für die Gaststudierenden aus Erfurt (Bild: Photocase)

Eine Gaststudentin bei der konzentrierten Arbeit an der Westwand (Bilder: Anne Maria Kokert)

Im Scheinwerferlicht: Die Bamberger Restaurierungswissenschaftlerin Stephanie Fundel

- Anne Maria Kokert

Die Farbschichten an der Westwand

Erfurter Studierende halfen bei der Restaurierung der Wandmalereien in der AULA

Fieberhaft wurde in den letzten Monaten an der Restaurierung der Wandmalereien in der AULA der Universität Bamberg gearbeitet. Studierende der FH Erfurt verbrachten ihre Praxiswochen in Bamberg und unterstützten die Retuschearbeiten an den großen Malereien an der Westwand der Dominikanerkirche.

Aus weiß gekalkten Mauern besteht das Innere der ehemaligen Dominikanerkirche, die Gurtbögen im Gewölbe sind graubeige gestrichen, die Wände vom Boden bis zur halben Wandhöhe mit weißgrauen Heraklitwänden verstellt. Nicht gerade viele farbige Eindrücke bekommt der Besucher, wenn er mit dem Blick geradeaus die AULA betritt. Doch wendet er sich nach links, zum westlichen Seitenschiff, geben die Heraklitwände eine Lücke frei: In der Mitte der Wand zwischen zwei Fenstern oben ein orangefarbenes Kruzifix, Christus in ein dunkelblaues Gewand gekleidet, auf grün-rot gemustertem Grund, mit rot-weiß-grauem Ornamentband geschmückt. Darunter ein bunter Farbfleckenteppich, der auf dem ersten Blick keine Geschichte erkennen lässt. Auf dem Gerüst, das davor aufgebaut ist, steht ein Kassettenrekorder, die Klänge vom Hörbuch „Der kleine Prinz“ tönen durch den Raum. Daneben und darüber stehen Studierende mit Farbpalette und Pinsel in der Hand, sie schraffieren, zeichnen, retuschieren an den unteren Malereien. 

Gewachsene Geschichten, gewachsene Schäden

Neben den Bamberger Restaurierungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern stehen auf den Brettern in dieser Woche Studierende der Fachhochschule Erfurt. Im Rahmen des Studiums in Erfurt finden drei „Praxiswochen“ statt, innerhalb derer konservatorische und restauratorische Arbeiten praktisch am Objekt durchgeführt werden.

Die Gäste bekommen in Bamberg einen Einblick in die komplexen und schwierigen Entscheidungsfindungen bei der Konservierung und Restaurierung der schwer geschädigten Wandmalereien: Wie geht man mit den vielschichtigen, zum Teil nur fragmentarischen Malereien um? Denn im unteren Teil der Wandmalerei liegen drei Einzelbildteppiche neben- und übereinander. Keine der Malschichten ist vollständig erhalten, nur Fragmente lassen vermuten, was ursprünglich in der Ausmalung abgebildet war. Die erste Ausmalungsphase stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert. Auf einer Breite von ungefähr acht Metern sind Heiligenfiguren dargestellt, vermutlich handelt es sich um die vierzehn Nothelfer. Fast einhundert Jahre jünger ist die zweite Malschicht, die einfach über die vorherige gemalt wurde. Diese ist kaum zu rekonstruieren, nur Füße, einige Köpfe und Dächer sind zu erkennen. Wieder besser identifizierbar ist die Handlung der dritten und jüngsten Ausmalungsphase, die aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt. Wir sehen Jesus in der Vorhölle. Nach damaligem Glauben kommt Jesus am Karsamstag in die Vorhölle und nimmt alle verstorbenen Heiligen und Märtyrer mit zur Auferstehung in den Himmel. Hier sind sogar einzelne Figuren zu identifizieren. Der Besucher erkennt Christus selbst im roten Mantel, Adam und Eva, König David mit der Harfe und Moses mit den Gesetzestafeln. Diese dritte Malschicht reichte nach oben bis zu den ausgebreiteten Armen Christi.

Während der Säkularisierung wurden die Wandmalereien weiß übertüncht und gerieten in Vergessenheit. Als in den 1930er Jahren die Kalktünche abgenommen wurde, entdeckte man die Malerei wieder und mit ihr viele verschiedene Schadensphänomene. Hohlstellen, Risse, Putzausbrüche und schädigendes Fremdmaterial wie zum Beispiel Nägel hatten die Malereien teilweise bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Dazu kamen Schäden an der Malschicht direkt: sie puderte ab, schuppte auf oder hatte Blasen gebildet. Die Überzüge aus Casuin, ein sehr aggressives Protein, mit dem man früher matt gewordene Malschichten wieder zum Glänzen bringen wollte, hatten an manchen Stellen für das vollständige Abblättern gesorgt.

Für Klarheit sorgen

Die Ausmalungen wurden gereinigt, die Malschicht wurde aufwändig gesichert, Fehlstellen geschlossen, lose Schichten unterspritzt. Die konservatorischen Aspekte sind bereits vor einer Weile abgeschlossen worden. Die große Frage war nun, wie besonders der untere Teil, in dem Fragmente dreier verschiedener Malschichten ein buntes Chaos von Farbflecken zeigen, der Öffentlichkeit präsentiert werden kann. Wie motiviert man die Besucher, sich mit den Bildzusammenhängen in den Malereien auseinanderzusetzen?
Diese Grunddiskussion vor jeder Restaurierung, wie das Objekt „lesbar“ gemacht werden soll, wurde in der Dominikanerkirche besonders intensiv geführt, denn das Übereinander von gleich drei Malschichten ist sehr ungewöhnlich. Welche Geschichte sollte man am stärksten hervorheben, darf eine zum Nachteil der anderen betont werden? Auf welche Erzählung bezieht man die Fehlstellen? Um diese wenigstens optisch nicht mehr ganz so deutlich hervortreten zu lassen, werden die Fehlstellen retuschiert und so farblich an ihre Umgebung angepasst. Hier war die Mitarbeit der Erfurter Studierenden besonders gefragt. Die Retusche ist eine sehr schwierige Aufgabe, da sie unmittelbaren Einfluss auf das ästhetische Erscheinungsbild der Malereien hat. Für jede Fehlstelle müssen die Farben passend gemischt werden – ein äußerst aufwändiger Prozess. Die Auftragsweise der Farbe soll sich später deutlich von der Umgebung abheben und als Hinzufügung erkennbar sein, damit nicht neue als historische Malerei ausgegeben wird.

Beide Seiten epfanden den Besuch als absolut gelungen. Fragt man Stephanie Fundel, steht einer Intensivierung der Zusammenarbeit nichts im Weg. Die Diplom-Restauratorin (FH), die selbst in Erfurt studierte, arbeitet jetzt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Archäologie, Bauforschung und Denkmalpflege der Otto-Friedrich-Universität Bamberg vornehmlich an den Wandmalereien in der Dominikanerkirche und betreute die Studierenden mit. Stephanie Fundel empfand die Kooperation mit den Erfurtern als sehr fruchtbar: „Die Arbeit mit den höchst motivierten Studierenden hat mir viel Spaß gemacht. Die Ergebnisse sind sehr gut!“

Eine weitere Kooperation streben bei Gelegenheit auch die beiden verantwortlichen Professoren an, in Bamberg Prof. Dr. Rainer Drewello und Prof. Dr. Christoph Merzenich in Erfurt.

Der fachliche Austausch brachte in jedem Fall frischen Wind in die Diskussion um den Umgang mit den Wandmalereien in der AULA der Universität.