Eine erfolgreiche Produktentwicklung verlangt reibungslose Abläufe, vor allem eine ungestörte und Kreativität fördernde Kommunikation (Bild: Photocase)
Ziel des BEMAP-Projekts ist die Entwicklung, Durchführung und Bewertung eines modular aufgebauten Trainings, mit dem Ingenieurs-Teams ihre Kompetenzen in der Methodenanwendung, der sozialen Teamfertigkeiten sowie des Hinterfragens des eigenen Vorgehens verbessern können (Bild: BEMAP)
Die Teilnehmer des Symposiums „Psychologietransfer in die Produktentwicklung“ mit „Hausherrn“ Dietrich Dörner (4. von rechts, schreibend) während der Fachvorträge (Bild: Reimer Bierhals)
Denken und Konstruieren
Obwohl seine Tage gezählt sind, erweist sich das Institut für Theoretische Psychologie der Otto-Friedrich-Universität als sehr lebendig: Auf Einladung von Emeritus Prof. Dr. Dietrich Dörner haben sich Psychologen und Maschinenbau-Wissenschaftler von der Universität Bamberg, der Technischen Universitäten Darmstadt, München und Delft (Niederlande) sowie von verschiedenen Unternehmen zwei Tage lang zum interdisziplinären Erfahrungsaustausch über die Nutzung denkpsychologischer Erkenntnisse beim Konstruieren getroffen. In ihrem Fazit des Treffens waren sich die 13 Forscher einig: Auch nach Auflösung des Bamberger Instituts muss die seit 1985 bestehende Tradition der fachübergreifenden Symposien zum „Psychologie-Transfer in die Produktentwicklung“ fortgeführt werden.
Experten-Workshop als Novum
Als Novum veranstalteten die Mitarbeiter des DFG-Projekts BEMAP, Ilona Schuster und Reimer Bierhals (Universität Bamberg) sowie Christian Geis (TU Darmstadt), bei diesem Symposium einen Experten-Workshop zu Erfolgsfaktoren in der Zusammenarbeit von Produktentwicklungsteams. Hier sammelten sie Ideen, wie sich so genannte Behavioral Marker, also Verhaltensweisen, die in bestimmten Situationen für Erfolg oder Misserfolg von Teams kennzeichnend sind, erfassen und trainieren lassen.
BEMAP ist das jüngste und zugleich das letzte vom Institut für Theoretische Psychologie mit beantragte Projekt bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). In Kooperation mit der Technischen Universität Darmstadt geht es bei BEMAP darum, ein wissenschaftlich fundiertes und im praktischen Einsatz evaluiertes Training zu erarbeiten und durchzuführen, mit dem die Effizienz von Teamarbeit in der Produktentwicklung nachhaltig gesteigert werden kann. Ingenieure sollen geschult werden, ihr eigenes Vorgehen bei der Entwicklungsarbeit zu hinterfragen, im Team sozialkompetent zu agieren und Konstruktionsmethoden so anzupassen, dass sie das aktuelle Ziel optimal unterstützen. Das Konzept stellt individuelles Lernen und Handeln im sozialen Kontext in den Vordergrund, ein Aspekt, der bei der Ausbildung von Produktentwicklern an den Hochschulen bisher zu kurz kommt. Das Training soll Unternehmen in Form von verschiedenen Teilmodulen je nach deren Bedarf angeboten werden.
Quintessenz unter den Teilnehmern war, dass die konkrete Reflexion über bestimmte Verhaltensweisen eine zentrale Rolle für Erfolg oder Misserfolg spielt. So werden sich beispielsweise sowohl Unterplanung als auch Überplanung beziehungsweise zu wenig als auch zu viel Kritik negativ auf den Teamprozess auswirken. Deshalb muss zentraler Ansatzpunkt bei einem Training sein, die Teilnehmer für die spezifische Situation zu sensibilisieren, um ein Gefühl für die angemessene Intensität von Verhaltensweisen zu schaffen.
Hilfsmittel für die Produktentwickler
Die Vorträge des Symposiums drehten sich schwerpunktmäßig um Hilfsmittel, welche die Arbeit der Produktentwickler erleichtern sollen. Die Palette dieser Hilfsmittel reichte von einem Ansatz zur systemischen Analyse und Simulation von Prozessen (Prof. Dr. Udo Linde-mann, TU München) über Konstruktionsmethodiken und deren Anwendung (Dr. Nadja Pecquet, TU München, und Dr. Judith Jänsch, TU Darmstadt) bis hin zu Empfehlungen für den kreativen Denkprozess beim Konstruieren (Prof. Dr. Dietrich Dörner).
Bei dem von Lindemann präsentierten Ansatz handelt es sich um eine Visualisierung systemischer Abhängigkeiten von Prozessen oder Informationsflüssen, mit deren Hilfe störende Kreisschlüsse aufgedeckt werden können. Kreisschlüsse treten auf, wenn der Informationsfluss zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt und damit unnötige Redundanzen auftreten. Vermeiden lässt sich dies zumeist durch Umstrukturierung des Prozessablaufes. Fundiertes Wissen liefert der Ansatz zum Beispiel darüber, wer aufgrund seiner Stellung im Prozess zu Projektsitzungen eingeladen und wem das Protokoll zugeschickt werden sollte. Alternativ lässt sich damit analysieren, was passiert, wenn ein Mitarbeiter im Prozess ausfällt und dadurch ein Lawineneffekt der Nicht-Information ausgelöst wird. Der Vorteil der Simulationsmethode ist, dass nur ein Teil der Daten in die Matrix eingegeben werden muss, und sich dann aufgrund von Matrizenrechnung Zusammenhänge zwischen Komponenten und Personen kalkulieren lassen. Zusammenfassend wurde der Ansatz als Instrument beschrieben, mit dem sich strukturelle Komplexität besser beherrschen lässt.
Welche Phasen des Produktentwicklungsprozesses in der Praxis wie methodisch unterstützt werden, erforscht Nadja Pecquet, die darüber beim Symposium einen Bericht lieferte. Nur drei von 20 Studierenden-Gruppen ihrer Untersuchung haben alle vier Phasen des Produktentwicklungsprozesses mit einer Problemlöse-Methode wie zum Beispiel Funktionsmodellierung, Brainstorming oder Morphologischen Kasten unterstützt. Diese Gruppen waren weniger fehleranfällig. Insgesamt ließen sich kaum Reflexionen des eigenen Vorgehens und der Ergebnisse sowie die situationsspezifische Adaption der Methoden bei den Gruppen feststellen. Abgeändert und der Situation entsprechend angepassst wurden zumeist Methoden, die bereits aus dem Alltag bekannt waren. Als Konsequenz dieser Ergebnisse müsse überlegt werden, wie die Reflexion des Vorgehens in der Hochschulausbildung gefördert werden könne, bilanzierte Pecquet.
Problemlösung im Schlaf
Dietrich Dörner betonte die Rolle von Pausen für die Vervollständigung des Gedächtnisprotokolls während des kreativen Akts der Produktentwicklung. Er stellte das Gedächtnis als fortlaufenden Notizblock dar, mit dem zeitlich lineare Verweise auf Wahrnehmungen und Handlungen, inklusive begleitender intrapsychischer Prozesse wie Angst oder Wut gerichtet werden. Lückenhafte „Einträge“ auf dem cerebralen Notizblock werden laut Dörner nach logischen Kriterien ergänzt. Dieser Lückenschluss erfolgt wohl in Entspannungsphasen und vor allem im Tiefschlaf. Dies lasse sich für denkpsychologische Problemstellungen wie Ingenieurstätigkeiten nutzen, sagte Dörner. Er stellte außerdem Überlegungen zur Dosierung von Gruppenarbeit an. So sei es möglich, dass bestimmte Phasen des kreativen Konstruierens lieber von Einzelpersonen statt von der Gruppe übernommen werden sollten, damit die individuellen Gedächtnisprotokolle nicht durch vorschnelle Kritik zerrissen würden. In späteren, eher analytischen Phasen sei dagegen die Gruppe als „Säurebad der Kritik“ besonders gewinnbringend.
Nach den Vorträgen diskutieren die Teilnehmer, ob und in welcher Form die Tradition des Symposiums auch nach Ende des Bamberger Instituts fortgeführt werden sollte. Angedacht ist, die jährlichen Treffen nicht mehr ausschließlich in Bamberg, sondern künftig wechselnd an den Standorten der beteiligten Universitäten stattfinden zu lassen. Ob dabei Bamberg nach Ende des Instituts Tagungs-Standort bleiben wird, ist fraglich. Trotzdem wird es erst einmal ein Wiedersehen in Bamberg geben, denn Dietrich Dörner lud die Forschergemeinschaft für den Sommer (25./26. Juni 2007) abermals in die Domstadt zum fachlichen Austausch ein.
Weitere Informationen über das Symposium finden Sie [1 target="_blank" extern>hier...]