"Kulturelle Depression"? - Reza Hajatpour im Gespräch, neben ihm Moderatorin Bianca Schnober (Bilder: Sina Fischer)

Moderator Werner Henschelchen neben seinen Gästen Jochen Müller und Rainer Büren

Die Podiumsdiskussion im Marcus-Haus fand ein aufmerksames Publikum

- Sina Fischer

„Clash of Civilizations?“

Podiumsdiskussion über den Karikaturenstreit mit renommierten Wissenschaftlern

Du sollst Dir kein Bildnis machen? Anlässlich des Karikaturenstreits fand im Rahmen der futuredays-Veranstaltungen am 8. Juni 2006 eine Podiumsdiskussion im Marcus-Haus statt. International anerkannte Wissenschaftler zeichneten die Entwicklungen nach und diskutierten Lösungsansätze.

„Das Gesicht Mohammeds“. So nennt sich die Serie von zwölf Karikaturen unterschiedlicher Künstler, die in Dänemarks bürgerlich-konservativer Tageszeitung „Yllands-Posten“ im September 2005 erschien. Erst nach der erneuten Vervielfältigung durch dänische Imame im Februar 2006 lösten die Abbildungen in der muslimischen Welt einen Sturm der Entrüstung aus, dem in der Folgezeit 140 Menschenleben zum Opfer fielen. Währendessen verwiesen die europäischen Medien immer wieder auf die Pressefreiheit als unverrückbares Erbe der Aufklärung und druckten die Karikaturen nach. Es gab Drohungen, Boykotte, Botschaften mussten aus Sicherheitsgründen schließen. Sogar UNO-Generalsekretär Kofi Annan versuchte im aufkeimenden Konflikt zwischen westlicher Welt und den muslimischen Staaten zu deeskalieren. 

Wie kann es sein, dass ein für die europäische Sichtweise nichtiger Anlass zu weltweitem Zorn führte, obwohl die Karikaturen durch das Bilderverbot in einigen arabischen Ländern nicht veröffentlicht werden durften? Was erklärt die gewaltige Auswirkung der Zeichnungen?
Diesen Fragen ging der AK Pol in Zusammenarbeit mit dem „Junge Medien Bayern e. V.“ und Feki.de nach. Unter dem Dach der futuredays-Veranstaltungen waren am 8. Juni renommierte Wissenschaftler geladen, um über diese Themen zu diskutieren.

Internationale Prominenz im Marcus-Haus

Unter den Diskutanten waren: Prof. Dr. Rainer Büren, ehemaliger Berater der Bundesregierung und des UNO-Generalsekretärs in Nahostfragen sowie Sonderberater des NATO-Generalsekretärs; Dr. Reza Hajatpour, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Iranistik an der Universität Bamberg sowie Dr. Jochen Müller, der das Berliner Büro des Middle East Media Research Institute leitet.

Nach einer einleitenden Zusammenfassung der Ereignisse und einführenden Fragen durch die Moderatoren Bianca Schnober (AK Pol) und Werner Henschelchen (Junge Medien Bayern e. V.) entwickelte sich eine interessante und tiefschürfende Diskussion.

„Nationalistische und ideologische Führer der islamischen Staaten schürten den Unmut der arabischen Bevölkerung“, konstatierte Jochen Müller. Der Zorn auf den Westen, hervorgerufen durch Faktoren wie die koloniale Vergangenheit oder die Machtpolitik der USA, fände so ein Ventil.

Reza Hajatpour betonte, dass der Prophet Mohammed als Identitätsstifter des Islam durch die Karikaturen mit dem Terrorismus in Verbindung gebracht wurde. Muslime in aller Welt wurden so in ihren religiösen Gefühlen gekränkt. 

„Kulturelle Depression“

Laut Hajatpour stecken die arabischen Staaten in einer „kulturellen Depression“. Als Reaktion auf die Modernisierung sei ein Rückgang traditioneller Werte und Strukturen im Orient zu beobachten. Aggression sei als Widerstand der Muslime eine psychologische Reaktion auf das Verschwinden kultureller Elemente. Auf die Frage, ob der Kampf der Kulturen ausgebrochen sei, verwies Rainer Büren auf handfeste wirtschaftliche Machtinteressen als Grund für die Eskalationen der Industriestaaten auf der einen und der muslimischer Welt auf der anderen Seite. Zum Dialog, so waren sich am Ende die Diskussionsteilnehmer einig, sei gegenseitige Akzeptanz notwendig. Wichtig war es den Experten, darauf hinzuweisen, dass sich nur auf gleicher Augenhöhe kritisch mit den herangetragenen Anforderungen und Problemen umgehen ließe. Reza Hajatpour machte außerdem deutlich, dass Demokratisierung und Modernisierung kein Exportgut sei, sondern aus einer Gesellschaft selbst herauswachsen müsse.