Zwischen Informatik, Wurzelfleisch und Vierzehnheiligen
Einen letzten Befehl hier, und schon rauschen Zahlenkolonnen über Zahlenkolonnen über den Bildschirm von Prof. Michael Mendler, Professor für Grundlagen der Informatik. Der Computer verliert sich in endlosen Rechnungen. „Gosh!“, entfährt es da einer kenianischen Studentin, was in etwa soviel heißt wie „Sapperlot!“, und auch ihre vierzehn Kommilitoninnen und Kommilitonen der kenianischen Universität Strathmore sind erstaunt. Mit der effizienten, aber auch anspruchsvollen nichtprozeduralen Programmierung sind sie bisher noch nicht in Berührung gekommen.
Zusammen mit Professor Nicodemus Nzoka Maingi verbrachten fünfzehn Studenten der Universität Strathmore in Nairobi eine Woche an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. „Wir wollen das Land, die Leute, das deutsche Universitätssystem und auch neue Lerninhalte kennenlernen“, erklärt Professor Mainigi, der in Kenia „Database Systems“ und „Business Application Software“ unterrichtet. Die Gruppe nahm deshalb an Vorlesungen teil und plauderte mit deutschen Studierenden und Dozierenden.
Die Fühler international ausstrecken
Mendler hat deshalb eine Menge an Fragen zu beantworten, als er sich nach seiner Vorlesung in einem Raum der Universitätsbibliothek mit den Gästen aus Kenia auf Kaffee und Tee zusammensetzt. Kontrolliert er in seiner Vorlesung, ob jeder kommt? Kann ein Student auch nach der Stunde bei ihm nachfragen, falls er etwas nicht verstanden hat? Kann man in Bamberg Betriebswirtschaft studieren? Und wie lange dauert das? Steht das Studium auch ausländischen Studierenden offen? – Die genauen Fragen kommen nicht von ungefähr. Die private Universität Strathmore ist auf der Suche nach Hochschulpartnern. Strathmore wurde 1961 als College nach britischem Vorbild gegründet; erst 2001 begannen Bemühungen, das College zur Universität auszubauen. Neben „Commerce“ und „Infotech“ soll es jetzt zusätzliche Studiengänge gegeben und die Universität beginnt, ihre Fühler international auszustrecken. Die Delegation aus Kenia hat sich deshalb auch in Bruchsal, Würzburg und Heidelberg umgesehen. Finanziert hat den Aufenthalt der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD).
1.500 Studenten sind derzeit in Strathmore eingeschrieben, erklärt Professor Mainigi, dazu kommen 1.000 Studenten, die das Teilzeitprogramm belegen. Das scheint nicht so viel, allerdings werden sie von nur einer Handvoll Professoren und deren Mitarbeitern betreut. Vor diesem Hintergrund wirkte der deutsche, insbesondere aber der Bamberger Universitätsalltag auf die ausländischen Gäste faszinierend familiär. „Die Seminare und Vorlesungen sind hier viel kleiner. Zwischen Professoren und Studenten ist viel mehr Diskussion und Interaktion möglich“, meint Maingi. Das fehlende Personal führt dazu, dass in Kenia weit mehr als hundert Teilnehmer in einer Übung sitzen. Weil eine individuelle Betreuung kaum möglich ist, wäre es um so wichtiger, sich selbst zu organisieren und Lerngruppen zu bilden, so eine Studentin. Der Mangel an Professoren eröffnet dem wissenschaftlichen Nachwuchs aber ganz neue Karrieremöglichkeiten. So kann Nicodemus Nzoka Maining an der Universität lehren, obwohl seine Doktorarbeit noch vor ihm liegt.
Mit Mütze, Schal und Handschuhen
Nach der Vorlesung trifft man die kenianischen Studierenden in der Mensa an der Feldkirchenstraße wieder. Ihre Jacken und Schals legen die meisten trotzdem nicht ab. Manche Schemata sind gar nicht so weit hergeholt, wenn man sich vorstellt, was passiert, wenn Leute aus Afrika Deutschland besuchen. Das Wetter habe sie doch überrascht, sagt Peris Kagera, die in Strathmore „Commerce“ studiert und einen dicken Schal um den Hals gewickelt hat. Viele hätten sich deshalb erst einmal mit Handschuhen und Mützen eingedeckt. Wie ihre Professoren sind sie von der Lehre in Deutschland begeistert. Leah Kaminja, ebenfalls Wirtschaftsstudentin, überzeugen vor allem die Dozierenden: „Die haben Talent, sind sehr kompetent und können gut erklären“, meint sie, die sich an Tutoren erinnern kann, die ganz andere Fächer studiert hatten und noch weniger wussten als sie selbst. Informatikstudent Daniel Kariithi hat sich inzwischen auch Gedanken über die Deutschen gemacht: „Sie sind ein Volk mit einem großen, historischen Bewußtsein“, meint er, und hat dafür einen interessanten Indikator: „Egal wo man hinkommt, wird einem zuerst ein Schloss oder eine Burg gezeigt.“ Anscheinend haben auf ihn die Stadtführung durch das Weltkulturerbe und die Ausflüge nach Seehof und Vierzehnheiligen Eindruck gemacht, die das Akademische Auslandsamt organisiert hatte. Sein Freund Alvin hat etwas ganz anderes, typisch Deutsches, erkannt: „Ihr habt hier 600 Biersorten? Das ist unglaublich.“
Die Diskussion über Bachelor- und Masterabschlüsse, wie sie in Bamberg gerade starten, können die Jungakademiker kaum nachvollziehen. Sie sind in Strathmore seit Beginn an gang und gäbe, allerdings sind sie umfangreicher angelegt. Vier Jahre dauert es dort bis zum Bachelor, weitere zwei Jahre zum Master; dabei sollen die Studenten 21 Semesterwochenstunden belegen. Vielleicht wäre es für die deutschen Studenten auch einmal interessant, sich ihr System in Nairobi anzusehen, mutmaßen sie. Alle erklären auf jeden Fall, dass sie gerne ein oder zwei Semester in Bamberg studieren würden. Dazu müssten sie aber erst ihr Deutsch verbessern, oder es müssten in Bamberg mehr englische Veranstaltungen angeboten werden. Am Essen sollte es jedenfalls nicht scheitern. Leah, die sich einen Teller bayrisches Wurzelfleisch genommen hat, meint auf jeden Fall: „Das ist lecker. Ich mag's.“