"Musik, die alle Menschen angeht" - so lautete der Titel der Ausstellung über Leben und Werk von Karl Amadeus Hartmann (Bild: Photocase)
Vom 12. Januar bis 2. März war die Ausstellung im Stadtarchiv zu sehen (Bilder: institut denkunternehmung)
Diskutierten über die Bedeutung des Komponisten und ihre persönlichen Erfahrungen mit seiner Musik (von links): Andreas Baumgartner, Bernhard Böttner, Ulrich Dibelius, Tim Becker und Raphael Woebs
Der Sohn des Musikers malt: Richard P. Hartmann im Kreis junger Menschen
„Musik, die alle Menschen angeht“
Wie reagiert man auf und gegen den Nationalsozialismus mit Kunst? Der Komponist Karl Amadeus Hartmann fand angesichts der Gräueln des 3. Reichs eine eigene Klangsprache. Diesem bedeutenden Komponist war von Januar bis März eine Ausstellung in Bamberg gewidmet, die mit einer Podiumsdiskussion ihren Abschluss fand.
Karl Amadeus Hartmann (1905-1963) gilt als einer der bedeutendsten Komponisten und Förderer der Neuen Musik im 20. Jahrhundert. Von den Nazis verfemt und mit Berufsverbot belegt, schuf er als Künstler der so genannten „Inneren Emigration“ eine politische Form der Musik, deren Klangsprache dem Nazi-Terror mit Trauer, Anklage und Zorn begegnete. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gab er der Neuen und Neuesten Musik mit den Münchner „Musica Viva“-Konzerten ein konzeptionelles Forum, welches für weitere internationale Festivals maßgebend wurde.
Hartmanns Werk und Wirken wurde in der Ausstellung „Karl Amadeus Hartmann – ‚Musik, die alle Menschen angeht’“ durch eine Fülle an Film-, Bild-, Text- und Tondokumenten erfahrbar gemacht. Zu Beginn dieses Jahres hatte das „institut denkunternehmung“ in Kooperation mit der internationalen Karl Amadeus Hartmann Gesellschaft (München) die Ausstellung nach Bamberg geholt. Gefördert wurde das gesamte Event von der Robert Bosch Stiftung im Rahmen des Projekts „Neue Musik und ihre Vermittlung an Schüler und Studierende“ (nähere Informationen unter: www.musikdenken.de).
Im Rahmen des Projekts „Neue Musik und ihre Vermittlung an Schüler und Studierende“ hatte das „institut denkunternehmung“ überdies an der Otto-Friedrich-Universität ein musikwissenschaftliches Seminar für Schüler, Lehrer und Studierende durchgeführt und den weiterführenden Schulen Bambergs Klassenführungen durch die Ausstellung geboten. Zum Abschluss der Ausstellung konnten alle Interessierten nun mit Hartmann-Experten ins Gespräch kommen.
Kunstschaffen in Zeiten der Unterdrückung
Auf dem Podium diskutierten der Musikwissenschaftler und Vorstandsmitglied der internationalen Karl-Amadeus-Hartmann-Gesellschaft Prof. Ulrich Dibelius, der Pianist Prof. Bernhard Böttner sowie der Dirigent Andreas Hérm Baumgartner. Die Diskussion wurde moderiert von den Leitern des „institut denkunternehmung“, Dr. Tim Becker und Dr. Raphael Woebs.
Die Teilnehmer sprachen nach dem Austausch persönlicher Erfahrungen mit dem Komponisten und seiner Musik sehr engagiert über die Frage nach der Möglichkeit des Kunstschaffens in Zeiten politischer Unterdrückung. Hierbei war vor allem entscheidend, eine politische Theorie der Ästhetik aus dem Werk – und nicht nur aus der Biographie – Hartmanns zu entwickeln. Böttner und Dibelius waren sich einig, dass es zum adäquaten Nachvollzug einer künstlerischen Geisteshaltung, wie sie durch Hartmann verkörpert wurde, sowohl hinreichender historischer Grundkenntnisse als auch der notwendigen charakterlichen Orientierungsfähigkeit an wahrhaftigem Handeln bedarf.
Mit seinen Schilderungen gab überdies der Ehrengast Dr. Richard P. Hartmann, der Sohn des Komponisten, den überwiegend jungen Zuhörerinnen und Zuhörern aus erster Hand eindrucksvolle und emotionale Einblicke in die Arbeitsweise sowie die Lebensumstände seines Vaters. Betroffen machte die Augenzeugenschilderung eines Todesmarsches von KZ-Häftlingen, dessen Anblick Karl Amadeus Hartmann zum Anlass seiner „Sonate 27. April 1945“ nahm. Heiter dagegen stimmte Richard Hartmanns Geständnis, selbst kaum musikalische Kenntnisse zu besitzen. Er habe sich aber – dem Synästhesie-Gedanken seines Vaters folgend, dass die Künste sich gegenseitig befruchten könnten – die künstlerische Auseinandersetzung in ein anderes Medium übersetzt, das in der Familie gleichfalls Tradition habe: die Malerei.