Der indonesische Wissenschaftler Asfa Widiyanto lehrt und forscht für ein Jahr in Bamberg (Fotos: Katja Hirnickel).

88 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner Indonesiens sind Muslime.

Der Islam als Religion und Lebensordnung (Foto: SiGamAcèh/Wikipedia).

Die lebendige Dynamik des indonesischen Islam

Neue Lehr- und Forschungsschwerpunkte in der Islamwissenschaft

Ein Südseeparadies mit weißen Stränden, Palmen und hinduistischen Tempeln, so stellen wir uns meist Indonesien vor. Ein Klischee – oder vielmehr nur ein kleiner Ausschnitt – von Indonesien, nämlich die Insel Bali, auf der 92 Prozent der Bevölkerung Hindus sind. Wenig bekannt ist jedoch, dass von den gut 237 Millionen Einwohnern Indonesiens 88 Prozent Muslime sind. Damit ist das Land der Staat mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung. 

„Trotzdem wird der indonesische Islam in der deutschen Forschung vernachlässigt“, erklärt Prof. Dr. Patrick Franke vom Lehrstuhl für Islamwissenschaft. „Die Islamwissenschaft wird häufig als Nahostwissenschaft verstanden. Das halte ich für einen Anachronismus, denn mittlerweile lebt fast die Hälfte der Muslime weltweit in Südasien oder Südostasien.“ Franke möchte diese Realität an seinem Lehrstuhl zur Sprache bringen. Deshalb bietet sein Mitarbeiter Johannes Rosenbaum bereits seit mehreren Semestern Urdu an, die Nationalsprache Pakistans und Amtssprache in einigen indischen Bundesstaaten mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil. „Aktuell ist mein Lehrstuhl dabei, auch Südostasien in Lehre und Forschung innerhalb der Islamwissenschaften stärker zu berücksichtigen“, erzählt Franke. Ein solches Projekt sei in Deutschland bisher noch nicht in Angriff genommen worden.

„Das religiöse Feld ist in Bewegung“

Für zwei Semester konnte beispielsweise mit der DAAD-Stipendiatin Dian Ekawati aus Bayreuth eine der wenigen Personen, die bayernweit Indonesisch unterrichten, einen Indonesisch-Sprachkurs anbieten, der die Studierenden vor allem auf die Exkursion nach Indonesien vorbereiten sollte. Die Exkursion war Patrick Frankes erster Besuch in Indonesien. Zuvor hatte er die religiösen Strömungen des Landes nur indirekt über indonesische Literatur erfahren können. „Dort habe ich mit meinen Studierenden die lebendige Dynamik des indonesischen Islams erfahren können. Es gibt dort hochspannende Entwicklungen und große intellektuelle Diskussionen.“

Der indonesische Islam zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus: In Indonesien ist der Islam nicht Staatsreligion, sondern wird sehr heterogen gelebt, da die privaten islamischen Schulen höchst unterschiedlich ausgerichtet sind. Daneben gibt es Muslime, deren Glauben Elemente anderer Religionen enthält, wie etwa aus dem Hinduismus. „Das religiöse Feld ist deshalb immer stark in Bewegung“, so Franke. Außerdem sei Indonesien eine – wenn auch nicht immer gut funktionierende – Demokratie. Islamische Gruppen stünden deshalb im demokratischen Wettbewerb miteinander, wodurch sich religiöse Debatten mit unterschiedlichen Standpunkten entwickeln können, beispielsweise bei der Frage nach der Verbindlichkeit der Schari'a.

Zentrum für Interreligiöse Studien als besondere Forschungsumgebung

Um den neuen regionalen Schwerpunkt zu etablieren, möchte Patrick Franke in Zukunft indonesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Bamberg holen. Er freut sich, dass der stark gegenwartsbezogene Islamwissenschaftler Dr. Asfa Widiyanto als Postdoc-Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung für ein Jahr in Bamberg lehrt und forscht. Widiyanto hat in Indonesien einen Bachelor-Studiengang in islamischer Philosophie und einen Master-Studiengang in islamischer Pädagogik abgeschlossen. Darauf folgte ein Master-Studiengang ebenfalls in islamischer Philosophie in den Niederlanden, die als ehemalige Kolonialmacht traditionell enge Beziehungen zu Indonesien pflegen und in deren Archiven viele alte Manuskripte aufbewahrt werden. Widiyanto erforschte in seiner Dissertation „Ritual and Leadership“ zweier muslimischer Organisationen. Aktuell untersucht er den religiösen Pluralismus in Indonesien. „Das Zentrum für Interreligiöse Studien ist für mich deshalb eine besondere Forschungsumgebung, da ich engen Kontakt zu anderen religiösen Fächern wie der Judaistik oder den Theologien habe“, erklärt der Indonesier.

Widiyanto ist gläubiger Muslim. Gerne geht er zum Freitagsgebet in die Moschee. Die anderen Gebete verrichtet er zu Hause. Hier sieht er einen großen Unterschied zu Indonesien, an den er sich erst gewöhnen musste: „Dort ist Religion ein Teil der Öffentlichkeit. Das bedeutet aber auch, dass ein gewisser Konformitätsdruck herrscht, gemeinsam öffentlich zu beten.“

Hinweis

Diesen Pressetext verfasste Katja Hirnickel für die Pressestelle der Universität Bamberg.