Neueste Errungenschaften der Technik kamen bei den Ausgrabungen in Dresden zum Einsatz: zum Beispiel die Methode des 3D-Laserscannings. (Bilder: Leicht)
3D-Dokumentation und Farb-Laserscanning
Dr. Jens Beutmann machte am 8. November den Auftakt des Archäologischen Kolloquiums an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und berichtete Neues vom Residenzschloss und der Stadtbefestigung in Dresden sowie zum Einsatz digitaler Vermessungs- und Dokumentationsmethoden in der Archäologie. Veranstalter des Kolloquiums sind der Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Mittelalterstudien.
Wer vor der Eröffnung der Veranstaltungsreihe „Archäologisches Kolloquium“ im Stichwort Dresden zuerst an die gerade in allen Medien erwähnte Fertigstellung der Frauenkirche dachte, verließ den bis zum letzten Platz belegten Hörsaal nach Dr. Jens Beutmanns Vortrag mit gänzlich neuen Eindrücken von Sachsens Landeshauptstadt. Die faszinierten Zuhörer bestürmten den Referenten anschließend mit zahlreichen Fragen, mancher Student erkundigte sich sogleich nach einer Praktikumsmöglichkeit auf dem sächsischen Landesamt für Archäologie, an dem der in Vor- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters an der Universität Freiburg promovierte Wissenschaftler seit 2003 tätig ist. Blicken wir also nicht auf zur neu erstandenen Kuppel des berühmten Sakralbaus, sondern richten die Augen gen Boden und widmen uns den ältesten Schichten Dresdens unter der Oberfläche des heutigen Neumarkts.
Dort leitet Beutmann seit 2003 die Ausgrabungen, zu deren Dokumentation neueste Errungenschaften der Technik zum Einsatz kommen. Bevor hier die sächsischen Kurfürsten und Könige im Renaissanceschloss residierten, standen im 12. Jahrhundert einfache Wohngebäude, dendrochronologisch datiert anhand ergrabener Schwellhölzer. Die frühe Besiedlung wurde jedoch um 1220 von einem Großbrand vernichtet. Noch erhaltene Gewölbekeller befinden sich heute unter der 1289 erstmals urkundlich erwähnten Burganlage, aus der durch zahlreiche Neu- und Umbauten in allen Stilepochen von Romanik bis Historismus das Residenzschloss hervorging.
Dreidimensionale „Punktwolken“
Da das händische Zeichnen zur Vermessung der vielen Keller einen zu hohen Zeitaufwand bedeutet hätte, entschloss sich das Landesamt für Archäologie die Methode des 3D-Laserscannings anzuwenden. Diese neue Technologie dient dazu, dreidimensionale raumbezogene Daten für eine steingenaue und photorealistische Dokumentation der archäologischen Befunde zu gewinnen. In der Praxis funktioniert diese Technik folgendermaßen: Ein stabil aufgestellter Scanner, der sich anhand vier Reflektormarken auf das Weltkoordinatensystem bezieht, tastet die aufzunehmende Fläche ab und generiert dreidimensionale „Punktwolken“. Gleichzeitig macht eine Digitalkamera von den gemessenen Flächen Aufnahmen. Ein Rechnerprogramm wandelt die Punktwolken in ein dreidimensionales Oberflächenmodell um. In Verknüpfung mit den Digitalbildern lassen sich anschauliche, aus allen Richtungen betrachtbare Ansichten der Grabungsflächen erstellen. Was dies bedeutet, visualisiert Beutmann, ausgerüstet mit der notwendigen Hard- und Software, durch CAD-Grafiken, sogenannte Orthofotos und Animationen. Auf der Leinwand sieht sich der Betrachter durch die Kellergewölbe des Schlosses navigieren. Die sichtbaren Wände erscheinen dank der Kameraaufnahmen mit allen Steinfugen in den tatsächlichen Farben und Texturen.
Wie der Wissenschaftler der beeindruckten Hörerschaft in seinem Vortrag zu Bedenken gab, bringt Hightech in der Archäologie nicht nur Effizienzsteigerung und Zeitersparnis, sondern auch neue Probleme mit sich. Die Methode des Laserscannings eignet sich nicht für jede Grabung. Bei Beutmanns zweitem großen Projekt, der Erforschung der Stadtbefestigung in Dresden, bleibt der gewohnte Tachymeter zur Vermessung weiterhin im Einsatz. Hier brachten die Ausgrabungen im Bereich der Zwingermauer neue Erkenntnisse über eine frühere Brücke über den Graben zwischen Zwingermauer und Barbakane, einer halbkreisförmigen Befestigung vor dem Frauentor.
Riesige elektronische Datenmengen
Bezüglich der Schwierigkeiten beim Scannen fügte der Experte hinzu, dass bei Aufnahmen im Außenbereich jeder Grashalm den Laserstrahl stört. Es eignen sich also nur archäologisch hundertprozentig „saubere“ Grabungsflächen. Um einen Innenraum zu scannen, benötigt man eine optimale gleichmäßige Ausleuchtung. Das von den Dresdnern eingesetzte Gerät muss mindestens mit einem Meter Abstand zum Objekt aufgestellt sein, weshalb kleine Nischen nicht erfasst werden. Auch wenn das Scannen eines Raumes nur knapp einen Tag dauert, was beim Zeichnen von Hand nicht zu schaffen ist, benötigt die nachträgliche Datenverarbeitung dafür einen hohen Zeitaufwand bis zu zwei Wochen. Dazu kommt die nötige Ausstattung mit leistungsstarken Rechnern. Es entstehen riesige elektronische Datenmengen. Doch wie ist es um deren Sicherung und Haltbarkeit bestellt? Diese generelle Frage unseres Medien- und Computerzeitalters kannte auch Jens Beutmann nicht beantworten. Probleme bereitet zudem der Export der Informationen in die von Architekten verwendeten Zeichenprogramme. Am Fachbereich Vermessung der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden, der den Scanner-Einsatz der Archäologen mit seinem Know-How unterstützt, wird in naher Zukunft auch an der Optimierung der Datenweitergabe gearbeitet werden. Die Bamberger Studierenden interessierte, wie diese neuesten Errungenschaften des Hightech auch an anderen Universitäten verbreitet werden könnte und in die Lehre Einzug finden. Hier sind Professoren, Forschende und Studierende zugleich gefordert, um mit den neuesten Entwicklungen der Zeit Schritt zu halten oder gar selbst Pionierarbeit in der virtuellen Welt zu leisten.
Weitere Termine des Archäologischen Kolloquiums:
22.11.
Dr. Ute Franke-Vogt, Deutsches Archäologisches Institut, Berlin: Bagh-e Babur: Geschichte eines moghulzeitlichen Gartens in Kabul. Die Ausgrabungen des Deutschen Archäologischen Instituts 2002-2005.
06.12.
Dr. Rainer Schreg und Dr. Aline Kottmann, Universität Tübingen: Neuzeitarchäologie am Pazifikstrand Tübinger Forschungen in der spanischen Kolonialstadt Panamá la Vieja (in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Mittelalterstudien)
24.01.
Dr. Andreas Tillmann, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Schloss Seehof, Memmelsdorf: Die Steinzeit im dynastischen Ägypten
07.02.
Prof. Dr. Biba Teržan, Universität Ljubljana, Slowenien: Die heilige Ordnung auf dem Wagen. Der Kultwagen von Strettweg
Veranstaltungsort: Hochzeitshaus, Am Kranen 12, Hörsaal 201, Beginn: 19.15 Uhr