Beliebt seit der frühen Neuzeit, aber auch mit Durststrecken: das Nationalgetränk Bier (Bild: Photocase)

Ein Untersuchungsgegenstand, den man auch in einem nicht-akademischen Sinn genießen kann: Günter Dippold nach seiner Antrittsvorlesung in der AULA der Universität (Bild: Martin Nejezchleba)

- Martin Nejezchleba

Kleine Kulturgeschichte des Bieres

Honorarprofessor Günter Dippold hielt seine Antrittsvorlesung

„Nutzen? Selbstverständlich hat Bier einen Nutzen!“ Mit diesen Worten begann Prof. Dr. Günter Dippold am 10. Januar seine Antrittsvorlesung in der AULA der Universität und hatte damit schnell die Sympathien des Publikums auf seiner Seite. In seinem Vortrag erläuterte Dippold dem Publikum anhand zahlreicher historischer Quellen die Kulturgeschichte des Bieres. Vom Bier als Leib- und Massengetränk in der frühen Neuzeit über seine Bedeutung als stärkender Trank der Unterschicht und als politisches Instrument gegen Branntwein und Kaffee in der Zeit der Aufklärung bis hin zur Funktionalisierung des Gerstensafts im 20. Jahrhundert veranschaulichte Dippold die herausragende Stellung dieses Getränks in der deutschen Geschichte.

Bier als kultureller Faktor

Zunächst entführte Dippold das Publikum ins 16. und 17. Jahrhundert – Zeiten, in denen Moralapostel lediglich „Warnungen vor dem regelmäßigen Vollrausch“ aussprachen, während das Bier an sich, in der vom Redner zitierten frühneuzeitlichen Medizinsprache, aufgrund seiner „kühlenden Eigenschaften“, seines „schleimigen und feuchten Charakters“ als durchweg gesund bezeichnet wurde. In der frühen Neuzeit galt gut gebrautes Bier als Prestigeobjekt einer Stadt und lockte weit gereiste Gäste an deren Tafeln. Im 18. Jahrhundert, bevor die Kommunalbrauereien zu privaten Betrieben wurden, galt laut Dippold der Grundsatz: „Ohne Bier keine Stadt und ohne Stadt keine Kultur.“

Der Siegeszug der Modegetränke Kaffee und Branntwein sorgte während der Aufklärung  für einen deutschlandweiten Verfall der Braukultur. Kaffee, der sich vom höfischen und bürgerlichen Elitegetränk im späten 17. Jahrhundert zum Massenphänomen im 18. Jahrhundert wandelte, verkörperte das aufklärerische Ideal eines wachen, leicht nervösen, geistreichen und nüchternen Menschen. Bier galt als betäubend und lähmend und wurde für die, so Dippold, „Einfachheit, Dummheit und die phlegmatische Art der Bayern verantwortlich gemacht“. Lediglich in unteren Schichten, bei Arbeitern und Bauern, behielt das Bier aufgrund seines stärkenden und nahrhaften Charakters sein Ansehen.

Nationalisieren und Demokratisieren durch Bier

Seinen stärksten Konkurrenten verdankt das Bier jedoch auch den erneuten Aufwind im 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurde es als propagandistisches Mittel gegen zu große Geldströme gen Ausland und für eine staatlich gelenkte Mäßigkeitsbewegung gegen den Siegeszug des Branntweins ins Feld geführt. Argumentiert wurde, wie so oft in der Politik, mit den Werten der Tradition. Bier erfuhr eine Aufladung mit dem Nationalstereotyp einer alt-germanischen kriegerischen Männlichkeit. Gelobt wurde außerdem sein demokratisierender Effekt, denn, so hieß es zu jener Zeit, „vor dem Nationalgetränk Bier seien alle gleich“. Bier wurde wieder zum Massenphänomen, zum Schichten und Regionen übergreifendem Konsumgut.

Erste Risse dieses positiven Images werden dann wieder im frühen 20. Jahrhundert im Zuge der Lebensreformbewegung deutlich. Die Zahl der Alkoholgegner stieg in dieser Zeit rapide an und der positive Wert der „bierigen“ Gemütlichkeit verlor an Geltung.

Selbst der Reichskanzler Bismarck, selbst bekennender Biergourmet, ließ sich zu einer von Dippold zitierten Polemik gegen den „Zeitfresser Bier“ hinreißen. Ein moralischer Fingerzeig, der jedoch angesichts eines von ihm am darauf folgenden Tag veranstalteten politischen Bierempfangs wohl kaum besonders ernst genommen wurde.

Volkskundliches Forschen bei einem besonderen Bier 

Zusammenfassend konstatierte Günter Dippold eine Abhängigkeit des Bieres, welches in diesem Zusammenhang als Beispiel für Kulturgüter im Allgemeinen gesehen werden kann, vom jeweiligen Zeitgeist, von politischen Begebenheiten, Interessen und von sozialen Trends. Dass das Kulturgut Bier seine Wirkung als gesellschaftliches Phänomen über die Jahrhunderte nicht verloren hat, zeigte nicht zuletzt der Andrang auf das urige Buffet im Anschluss an die Antrittsvorlesung. Hier konnte man den Untersuchungsgegenstand dann auch leiblich erfahren: Es wurde neben Landbier ein seltenes Dinkelbier aus Bad Staffelstein-Loffeld ausgeschenkt. 

Zur Person

Der gebürtige Lichtenfelser Dippold studierte Geschichte und Volkskunde an den Universitäten Bamberg, Regensburg und Erlangen-Nürnberg. Seine Promotion schrieb er über die „Konfessionalisierung am Obermain“ – eine von bereits über 200 veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten. Seit 1994 ist er Kultur- und Heimatpfleger des Bezirks Oberfranken. Neben Lehraufträgen an der Universität Bayreuth ist Dippold bereits seit 2000 an der Universität Bamberg als Dozent für Volkskunde/ Europäische Ethnologie tätig und wurde im August 2004 zum Honorarprofessor ernannt.