eduLIFE

Bildungsprozesse im Lebenslauf

Der Europäische Forschungsrat (ERC) vergibt die Advanced Grants nur für Projekte herausragender kreativer Forscher. Was sind die Bedingungen für diese hochkarätigen Advanced Grants?

Mit den ERC Advanced Grants werden Antragstellende unterstützt, die aufgrund der Originalität und Bedeutung ihrer Forschungsbeiträge eine herausragende Stellung in ihrem Fachgebiet einnehmen und die eine langfristige Finanzierung für ein bahnbrechendes, ehrgeiziges Projekt anstreben. Erfolgreiche Grantees müssen daher eine herausragende Erfolgsbilanz von mindestens 10 Jahren bedeutender Forschungsleistungen vorweisen können. Im Jahr 2010 wurde Professor Blossfelds eduLIFE-Forschungsantrag an der Universität Bamberg mit dem prestigeträchtigen ERC Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren ausgezeichnet. Das eduLIFE-Projekt war der erste ERC Advanced Grant in der Soziologie in Deutschland und startete 2011 an der Universität Bamberg. Nachdem Prof. Blossfeld 2012-2017 einen Lehrstuhl am European University Institute (EUI) in Florenz angenommen hatte, wurde sein eduLIFE-Projektteam an das EUI verlegt.

Der ERC fördert Spitzenforschung an den Grenzen des Wissens. Was macht Ihr ERC Advanced Grant Projekt eduLIFE außergewöhnlich?

In modernen wissensbasierten Volkswirtschaften ist Bildung zu einem lebenslangen Prozess geworden, bei dem die einzelne Person in formalen, nicht-formalen und informellen Lernumgebungen Fähigkeiten und Kompetenzen erwirbt, und zwar nicht nur in Grund- und weiterführenden Schulen oder tertiären Bildungseinrichtungen, sondern auch schon vor der Schule (z. B. in Krippen und Kindergärten) und während des gesamten späteren Lebens (z. B. lebenslanges Lernen, Bildung für sehr alte Menschen). Ziel des eduLIFE-Projekts war es, zu untersuchen, wie sich die Bildungskarrieren von Individuen in verschiedenen Gesellschaften im Laufe des Lebens entwickeln und diese Verläufe mit dem familiären Hintergrund, der Struktur von Bildungseinrichtungen, Arbeitsplätzen und privaten Lebensereignissen in Beziehung zu setzen. Das Projekt verfolgte eine explizite Lebensverlaufsperspektive, verwendete länderübergreifende vergleichende Forschungsdesigns und nutzte die besten Längsschnittdatensätze zur Untersuchung von Bildungsprozessen in modernen Gesellschaften. Prof. Blossfeld, der Principal Investigator (PI), organisierte ein länderübergreifendes Forschungsteam aus Promovierenden, fortgeschrittenen Postdocs und leitenden Forschenden aus 20 Ländern und aus Disziplinen, die von der Soziologie über die Psychologie und die Wirtschaftswissenschaften bis hin zur Bildung reichen. Sie steuerten vergleichbare länderspezifische Längsschnittanalysen zum eduLIFE-Forschungsprojekt bei. Wo immer möglich, wurden diese detaillierten Länderstudien durch standardisierte länderübergreifende Studien ergänzt. Durch den Vergleich der Ergebnisse aus verschiedenen Ländern konnte das eduLIFE-Projekt die Verallgemeinerbarkeit der länderspezifischen Ergebnisse nachweisen und wichtige Unterschiede zwischen den Gesellschaften in Bezug auf ihre Bildungseinrichtungen und den nationalen Kontext aufzeigen.

Was wollten Sie mit Ihrem Projekt erreichen?

Um Bildung als einen lebenslangen Prozess zu analysieren, wurde die Forschungsarbeit in vier Lebensphasen gegliedert, die sich jeweils auf eine nachfolgende Phase der Bildungslaufbahn konzentrieren (siehe Ziele und Ergebnisse von eduLIFE(391.5 KB)):

  1. Kinderbetreuung, frühe Bildung und soziale Ungleichheit: In den Jahren 2014-2015 analysierte eduLIFE den Zugang zu frühkindlichen Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, die Qualität der Vorschulerziehung und die kurz- und langfristigen Auswirkungen der frühkindlichen Bildung und Betreuung auf Menschen mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund.
  2. Modelle der Sekundarschulbildung und soziale Ungleichheit: Im Zeitraum 2013-2014 analysierte eduLIFE die Bildungsdifferenzierung in der Sekundarstufe und die kurz- und langfristigen Folgen in Bezug auf soziale Ungleichheit, Kompetenzen, Leistungen und Bildungsabschlüsse.
  3. Geschlecht, Bildung und Beschäftigung: In den Jahren 2012-2013 untersuchte eduLIFE die Bildungsverläufe und deren Folgen für geschlechtsspezifische Unterschiede beim Übergang von der Schule ins Berufsleben.
  4. Erwachsenenbildung: 2011-2012 verglich eduLIFE verschiedene Modelle des lebenslangen Lernens und ihre Auswirkungen auf den Bildungsverlauf von Erwachsenen und auf andere (wirtschaftliche und nicht-wirtschaftliche) Ergebnisse im Laufe des Lebens.

Die Ergebnisse des eduLIFE-Projekts wurden in vier Büchern von Edward Elgar Publishing (in der eduLIFE Lifelong Learning Series) und in einer großen Anzahl von Artikeln in angesehenen, von Experten begutachteten Zeitschriften veröffentlicht (siehe Ziele und Ergebnisse von eduLIFE(391.5 KB)). Diese Ergebnisse wurden auf großen internationalen Konferenzen, Workshops und eingeladenen Vorträgen weltweit vorgestellt. Die vier umfassenden Bände wurden durch ein Buch ergänzt, das als Kompendium der wichtigsten methodischen Herausforderungen, Lösungen und Errungenschaften auf dem Gebiet der Längsschnittforschung dienen kann, die auch bei der Entwicklung des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zusammengeführt wurden (siehe Ziele und Ergebnisse von eduLIFE(391.5 KB)).

Der ERC fördert insbesondere Grundlagenforschung und eröffnet den Forschenden wissenschaftliche Spielräume. Wie sah das Forschungsdesign von eduLIFE aus?

Zu Beginn der 2010er Jahre basierte die empirische Bildungsforschung noch überwiegend auf Querschnittsstudien (z.B. PISA, PIRLS oder PIAAC). Diese Studien stellen nur Momentaufnahmen von Schülern und Beschäftigten zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Bildungslaufbahn dar. Aufeinanderfolgende Momentaufnahmen in einer Reihe solcher Querschnittserhebungen veranschaulichen die Veränderungen in der Gesamtstruktur. Sie zeigen jedoch nicht die sich verändernden (und manchmal unveränderten) Kompetenzen einer einzelnen Person im Laufe ihrer Bildungslaufbahn. Paneldaten, bei denen die Merkmale derselben Personen mehrmals im Laufe der Zeit gemessen werden, können zur Beschreibung und Analyse dieser Veränderungsmuster über den Lebensverlauf verwendet werden. Sie sind besonders nützlich, um das Ausmaß und die Regelmäßigkeit von Veränderungen in Gruppen zu verstehen, die durch verschiedene Merkmale wie sozialer Hintergrund, Geschlecht oder ethnische Zugehörigkeit oder durch die Exposition gegenüber bestimmten kritischen Erfahrungen im Laufe des Lebens definiert sind. Im Rahmen des eduLIFE-Projekts wurden länderübergreifende Längsschnittdaten, einschließlich NEPS-Daten, verwendet, um genau dies zu erreichen.

Forschende aus der ganzen Welt bewerben sich auf die Förderung des ERC, entsprechend groß ist die Konkurrenz. Was hat Sie dazu motiviert, dennoch einen Antrag einzureichen?

Von 2006-2012 war Professor Blossfeld PI des Nationalen Bildungspanels (NEPS) an der Universität Bamberg. Das NEPS wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von 2008-2012 mit einer Anschubfinanzierung von über 73 Millionen Euro gefördert. Ziel des NEPS, das seit 2014 am neuen Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg angesiedelt ist, war es, qualitativ hochwertige retrospektive und Paneldaten zu Bildungsverläufen und Kompetenzentwicklungen zu erheben und innovative Instrumente (Fragebögen, wiederholte Kompetenztests etc.) zur vorschulischen Bildung, zu den verschiedenen Stufen des allgemeinbildenden Schulsystems und zu den Übergängen innerhalb des Bildungs- und Berufsbildungssystems sowie zur Beteiligung an der Hochschulbildung und zum lebenslangen Lernen bis ins hohe Alter zu schaffen. Da das NEPS immer nur eine Längsschnittdatenerhebung war, wurde die Auswertung der NEPS-Daten vom BMBF nicht gefördert. Professor Blossfeld hat daher 2010 einen Antrag auf einen Advanced Grant beim Europäischen Forschungsrat (ERC) gestellt.   

Weitere Informationen

Kontakt: Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Blossfeld

Lehrstuhl für Soziologie, insbes. Soziale Ungleichheit

eduLIFE: Ziele und Ergebnisse(391.5 KB)

Weitere Details in der Forschungsdatenbank der Europäischen Kommission: https://cordis.europa.eu/project/id/269568