Prof. Erich Zenger während seines Votrages im Rahmen des Theologischen Forums. (Bild: Lange)

- Gertrud Lange

Sorgfältiger Umgang mit der Bibel angemahnt

Auftaktveranstaltung des Theologischen Forums

Was hat das Alte Testament mit dem Alltag von Christen heute zu tun? Wenn es nach Prof. em. Erich Zenger (Münster) geht, sehr viel. Der bekannte Exeget erläuterte bei seinem Vortrag in der Reihe „Bamberger Theologisches Forum“ am 3. November in der Fakultät Katholische Theologie das Gottesbild der Heiligen Schrift - und machte klar: Wer an den Gott der Bibel glaubt, sollte es nicht beim Kirchgang belassen.

Zu Beginn seine Vortrages "Gott und Gesellschaft - Zur politischen Provokation der Bibel" kam Zenger auf zwei bekannte Propheten zu sprechen: Amos und Hosea, deren Schriften auf das 8. Jahrhundert vor Christus datiert werden. Priorität habe bei ihnen immer der Einsatz für Gerechtigkeit – und zwar noch vor dem Gottesdienst. Ihr Grundtenor laute: Wo Gott nicht in den konkreten Alltag einbezogen wird, kann man ihn auch nicht in der Liturgie finden. „Eine Liturgie, die nicht in eine lebendige Gottesbeziehung eingebettet ist, ist nach Hosea eine Sünde“, verdeutlichte Zenger. Noch provozierender formuliere es Amos, der „Recht und Gerechtigkeit als Maßstab eines wahren Gottesdienstes“ sehe - nach Zenger eine bleibende Mahnung auch für die Christen heute.

Mehr Einsatz für die Gesellschaft

Der Glauben an Gott müsse sich in Gerechtigkeit realisieren. „Das Ergriffensein von Gott macht den Gläubigen nicht blind für die Welt. Vielmehr bekommt er offene Augen für die Leidenden“, sagte Zenger. „Nur wer die Spannung zwischen Kontemplation und Kampf gegen Ungerechtigkeit erfasst und aushält, hat begriffen, dass der biblische Gott die Welt als seine begreift und sich um sie sorgt.“ Das Bekenntnis zum Gott der Bibel bedinge also keine weltabgewandte Frömmigkeit, sondern vielmehr den Einsatz für die Gesellschaft. Dabei empfahl Zenger engagierten Christen einen Blick auf das Alte Testament. Er könne es nicht verstehen, so der Münsteraner Forscher, dass die CDU mit dem Wahlspruch „Sozial ist, was Arbeit schafft“ auf sich aufmerksam mache. Denn das sei nicht das Proprium der Bibel. „Die Politik muss Wächter dafür sein, dass die Schwachen in unserer Gesellschaft nicht auf der Strecke bleiben“, betonte Zenger. Und auch die Kürzung caritativer Ausgaben in der katholischen Kirche erachtete er „zumindest als unbiblisch“. Maßstab müsse stets der Schwache sein. Orientiere sich eine Gesellschaft daran, so herrsche sozialer Friede.

Gleichzeitig mahnte Zenger einen sorgfältigen Umgang mit der Bibel als dem Wort Gottes an. So müssten genaue Übersetzungen erarbeitet werden und scheinbar unverständliche Passagen nicht einfach der Harmonie halber gestrichen werden – so geschehen im kirchlichen Stundengebet, wo aus Psalm 139 die Verse 19 bis 22 getilgt wurden. Sie lauten: „Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten! Ihr blutgierigen Menschen, lasst ab von mir! Sie reden über dich voll Tücke und missbrauchen deinen Namen. Soll ich die nicht hassen, Herr, die dich hassen, die dich verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse euch mit glühendem Hass; auch mir sind sie zu Feinden geworden.“ Eine solche Passage aus dem Gebet zu tilgen, sei keine Lösung, so Zenger. Vielmehr müsse man den Gläubigen klar machen, was Menschen in alttestamentlicher Zeit unter „Hass“ verstanden. Hier habe sich nämlich eine Bedeutungsverschiebung ergeben: Hass meine nicht wie heute ein blindes, irrationales Gefühl gegenüber jemandem. „Die beste Übersetzung für Hass, wie ihn die Bibel versteht, wäre: Mit Leidenschaft gegen das Böse in der Welt kämpfen“, erklärte Zenger.

Die Zukunft der theologischen Bibelauslegung (Exegese) sieht der vor einem Jahr emeritierte Zenger kritisch. Als historische Wissenschaft beschäftigte sich die Bibelexegese zu Recht mit den vielen religionsgeschichtlichen und literaturwissenschaftlichen Fragen, die die Bibel als ein Dokument der Antike aufwirft. Er hoffe aber, dass den Exegeten dabei weder die Kraft noch die Leidenschaft für ihre gesellschaftliche und kirchliche Aufgabe ausgehe, nämlich die Bibel als ein höchst aktuelles Buch über das Kommen des Gottesreiches auszulegen. „Für mich persönlich ist die Bibel das schönste, spannendste und wichtigste Buch, das ich kenne“ schloss Zenger seinen Vortrag.

Weitere Termine des Theologischen Forums:


Donnerstag, 8. Dezember 2005
Politische Theologie – passé?
Wider die „Entpolitisierung“ der Theologie
Prof. Dr. Jürgen Manemann, Erfurt
20:00 Uhr; Hörsaal 025, An der Universität 2


Donnerstag, 12. Januar 2006
„In God We Trust“
Religiöse Formeln in der Politik –
Fluch oder Segen?
Dr. Katja Mertin, Delmenhorst
20:00 Uhr; Hörsaal 025, An der Universität 2


Mittwoch, 25. Januar 2006
Mehr als nur Ethik!
Was Politik und Gesellschaft von der Theologie erwarten dürfen – und was nicht
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Rita Süssmuth, Berlin
20:00 Uhr; Aula Uni Bamberg, Dominikanerstr. 2a


Donnerstag, 2. Februar 2006
Sich einmischen!?
Wie lassen sich Glauben und Politik verbinden?
- Prof. Dr. Reinhard Zintl, Bamberg
- Michael Roth MdB, Berlin
Anschl. Podium mit:
- Sr. Dr. Benedikta Hintersberger OP, Augsburg
- Prof. Dr. Roman Siebenrock, Innsbruck
- Moderation: Prof. Dr. Heimo Ertl (Nürnberg)
20:00 Uhr; Hörsaal 105, An der Universität 7