Seit 2010 ist Andrea Stieldorf Professorin für Historische Grundwissenschaften (Foto: Katharina Lampe)

Sie untersucht Wappen, Münzen und Siegel, um die textbezogenen Quellenarten zu ergänzen (Foto: Professur für Historische Grundwissenschaften)

In ihrer Freizeit geht die Professorin gerne in altmodische Kinos (Foto: Miriam Trescher / pixelio.de)

Die historische Kulisse, aber auch die Bibliotheken und Archive schätzt Andrea Stieldorf an Bamberg (Foto: Katharina Lampe)

- Katharina Lampe

Marketing im Mittelalter

Historikerin Andrea Stieldorf im Gespräch

Einige der wenigen Sonnenstrahlen an diesem verregneten Junitag fallen in das Büro von Prof. Dr. Andrea Stieldorf am Ufer der Regnitz. In Bücherregalen stehen Siegel und Münzen unterschiedlicher Ausprägungen – wachsgelb, silbern, schimmernd – die von der Arbeit der Historikerin berichten. Die Rheinländerin ist seit Oktober 2010 Professorin für Historische Grundwissenschaften. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Mittelalter und der Verfassungs- und Wissenschaftsgeschichte. „Mich fasziniert die Frage“, verrät sie bei einem Schluck Kaffee, „wie sich das Bild vom Mittelalter vor dem Hintergrund unserer eigenen Zeit immer wieder aufs Neue verändert.“

Neue Blickwinkel auf historische Fragestellungen

In ihrer Forschung geht Andrea Stieldorf methodisch auf zwei verschiedene Arten vor: Sie nutzt epochenwissenschaftliche Disziplinen einerseits und grundwissenschaftliche Disziplinen andererseits. Während sich die Mittelalterforschung herkömmlicherweise eher faktisch orientiert, beispielsweise an politischen oder kulturellen Hintergründen, bedienen sich die Grundwissenschaften auch anderer Quellenarten. Sie nutzen Wappen, Münzen oder Siegel und ergänzen damit die textbezogene Quellenforschung des Mittelalters. So können mithilfe der Abstammungsforschung beispielsweise politische Motivationen nachgewiesen werden. In der Kombination beider Methoden eröffnen sich neue Blickwinkel auf historische Fragestellungen, so die Professorin.

Die in Bonn geborene Professorin holt ein apfelgroßes Siegel aus dem Regal. Während sie auf einzelne Details deutet, erklärt sie, der Schwerpunkt ihrer Forschung läge auf „Marketing im Hoch- und Spätmittelalter“. Konkret beschäftigt sie sich damit, wie sich Personen und Institutionen im Mittelalter visuell repräsentierten, zum Beispiel in Form von Wappen, Siegeln oder auf Münzen. Stieldorf untersucht auch, wie sich die Rezeption und Funktion dieser Bildmotive gewandelt hat. Inwiefern hat ein Wappen für uns heute eine andere Bedeutung als für die Menschen im 14. Jahrhundert? Zurzeit konzentriert sich ihre Arbeit auf die Repräsentation des Hochadels im Mittelalter sowie die Selbstdarstellung mittelalterlicher Universitäten.

„Eine Universität der kurzen Wege? Es ist wahr!“

Andrea Stieldorf hat in Bonn 1999 promoviert und sich im Jahr 2008 habilitiert. Als sie nach Bamberg wechselte, stand sie erstmals den Universitätsstrukturen einer mittelgroßen Universität gegenüber. „Anfangs hörte ich häufig den Slogan ‚Eine Universität der kurzen Wege‘. Und es ist wahr.“ An der Otto-Friedrich-Universität schätzt die Rheinländerin die flachen Hierarchien, die enge Kontakte zu Kollegen, Studierenden und der Universitätsleitung erlaubten. Speziell das Zentrum für Mittelalterstudien (ZEMAS) ermöglicht Stieldorf eine Vernetzung von Fachdisziplinen, für die es nur wenige vergleichbare Institutionen gebe.

„Ich mag altmodische Kinos“

Mit einem Lachen verrät Stieldorf ihre Eindrücke von Bamberg. „Ich mag die Franken. Sie finden wenig Worte, sind aber immer hilfsbereit und freundlich. Der Rheinländer dagegen kann viel reden und ist manchmal trotzdem nicht nett.“ Nach Feierabend spaziert die Geschichtswissenschaftlerin gerne an der Regnitz entlang oder lässt sich von der Atmosphäre der Staatsbibliothek und des Doms einfangen. „Bamberg ist für Forscher mit einem Mittelalterschwerpunkt eine ideale Stadt“, erklärt sie. „Die Archiv- und Bibliothekssituation ist toll.“ Daher möchte Stieldorf sich zukünftig auch Urkunden aus Bamberg widmen.

Mit einem Zwinkern begegnet die Mutter einer 9-jährigen Tochter der Frage, wie sie ihre Zeit außerhalb von Forschung und Lehre verbringt: „Ich gehe wahnsinnig gerne in kleine, altmodische Kinos, wo auch mal ein Staubkorn liegt.“ Und da Geschichte für Stieldorf nicht nur Beruf, sondern auch Berufung ist, sind historische Bücher, Filme und Serien fester Bestandteil ihres Lebens außerhalb der Universität. Besonders, verrät sie, faszinieren sie Figuren wie Eddard Stark, ein tugendhafter Lord und Krieger aus der populären Fantasy-Serie Games of Thrones, die stark vom Mittelalter beeinflusst ist. „Und natürlich“, wirft sie ein, „fiebere ich in den nächsten Wochen während der Fußball-Europameisterschaft für Deutschland mit.“ Und zwar nach Rheinländermanier mit Schlapphut, Fanbrille, Fähnchen und Blütenkette – natürlich alles in schwarz-rot-gold.

Antrittsvorlesung

Die Antrittsvorlesung von Andrea Stieldorf zum Thema Helden oder Heilige? Bilder von Reichsfürsten zwischen Standesideal, Rechtssymbolik und Politik findet am Montag, 18. Juni 2012, um 18:15 Uhr an der Universität 2 im Raum 025 statt. Interessierte sind herzlich eingeladen!