Die Ansichten des städtischen Baureferenten und des Professors für Denkmalpflege treffen aufeinander - zwischen Zistl-Schlingmann (r.) und Hubel (l.) entwickelte sich eine lebhafte Diskussion über das Projekt eines neuen Einkaufszentrums.

Ein voller Vorlesungssaal zeigte, wie umstritten das Thema in der Bamberger Bevölkerung weiterhin ist.

Hubel (r.) und Dr. Jörg Händler (l.), Vorsitzender der "Schutzgemeinschaft Alt Bamberg" und Leiter der Diskussion, lauschten gespannt den Anregungen und Fragen aus dem Publikum (Bilder: Konrad Welzel).

- Konrad Welzel

„Das wäre ein Armutszeugnis“

Informationsveranstaltung zu den Planungen für ein neues Einkaufszentrum

Seit 2002 ist die Errichtung einer „City-Passage“ in der Bamberger Innenstadt im Gespräch. Im vergangenen September gab der Stadtrat trotz der Einwände von Denkmalpflegern die grundsätzliche Freigabe für eine Neuauflage des Projekts. Bei einer Informationsveranstaltung legte der Bamberger Professor Hubel nun seine Bedenken dar.

„Man kann nur hoffen, dass das zu einem guten Ende kommt“, so verabschiedete sich der Professor für Denkmalpflege, Dr. Achim Hubel, aus dem vollen Vorlesungssaal im Hochzeitshaus der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Das Interesse an der Informationsveranstaltung am 5. Februar zum geplanten Einkaufszentrum in der Bamberger Altstadt war groß gewesen. Nach einer zweieinhalbstündigen Debatte zwischen Verantwortlichen der Stadt, Denkmalpflegern und aufgebrachten Bürgern beinhaltete dieses Schlusswort von Hubel sowohl die Sorge um die gefährdeten Denkmalgebäude in der Hellerstraße, als auch die Hoffnung auf einen gemeinsamen Kompromiss mit der Stadt Bamberg und dem Investor, dem europaweit tätigen Projektentwickler Multi Development.

Ein seit Jahren umstrittenes Projekt

Bereits in den Jahren 2002 bis 2005 sorgten die Planungen der Sparkasse Bamberg wegen der Errichtung einer „City-Passage“ zwischen Lange Straße und Promenade/Franz-Ludwig-Straße für heftige Diskussionen in der Bevölkerung. 2005 wurde das Konzept nach mehrmaligen Einsprüchen der internationalen Denkmalpflegeorganisation Icomos aufgegeben. Allerdings entschloss sich die Sparkasse dank des neuen Investors Multi Development inzwischen zur Wiederaufnahme des Projekts. Im September 2008 gab der Stadtrat die grundsätzliche Freigabe für das Einkaufszentrum und beschloss, dass das sogenannte „Quartier an der Stadtmauer“ als Einzelhandelsstandort in Kooperation mit Multi Development entwickelt werden soll.

Die Bamberger Vereine „Schutzgemeinschaft Alt Bamberg“, „Bewahrt die Bergstadt“ und „Freunde des Weltkulturerbes Bamberg“ sehen darin gravierende Einschnitte in das Stadtgebiet und luden deshalb am 5. Februar zur Informationsveranstaltung „City-Passage – Kahlschlag im Jüdischen Viertel?“ ein. Hubel, Denkmalpfleger und Mitglied der Icomos-Monitor-Gruppe, hielt dazu einen Vortrag unter dem Titel: „Von der City-Passage zum Quartier an der Stadtmauer – ein Einkaufszentrum in der Bamberger Altstadt: Planungen und Probleme“.

Zeugnisse der jüdischen Gemeinde in Bamberg

Der große Streitpunkt zwischen dem Investor und den Denkmalpflegeorganisationen ist der Erhalt der Denkmalsubstanz in der Hellerstraße 11 und 13. „Ich bin nicht gegen diese Passage – so lange diese Gebäude erhalten bleiben!“, so Achim Hubel: „Die Stadt eines Weltkulturerbes kann sich so etwas einfach nicht leisten – das wäre ein Armutszeugnis.“ Seit 1422 seien die in der Diskussion stehenden Gebäude von der jüdischen Gemeinde in Bamberg genutzt worden. Der mittelalterliche Keller der Hausnummer 13 sei laut Hubel von „enormer historischer Bedeutung“. So habe 1806 Georg Wilhelm Friedrich Hegel dort den Druck des Buches „Phänomenologie des Geistes“ in Auftrag gegeben. Dieses Werk zähle heute noch zu den Schlüsselwerken der Philosophie, so der Professor für Denkmalpflege weiter. Auch im Erdgeschossbereich seien in Form von Stuckdecken noch Überreste aus der Barockzeit vorhanden. 2003 wurde bei Untersuchungen bereits eine Mikwe gefunden, dieses rituelle Tauchbad war ein fester Bestandteil jeder jüdischen Synagoge und sei somit ein wichtiges jüdisches Zeugnis.

Konzept des „Quartiers an der Stadtmauer“

Anders als bei der 2005 aufgegebenen City-Passage handelt es sich beim „Quartier an der Stadtmauer“ nicht mehr um einen geschlossenen Kaufhaus-Komplex. Bei der Entwicklung des Konzepts haben die Planer Wert darauf gelegt, das Grundmuster der Besiedlung in Bamberg mit Vorderhaus, Hof und Hinterhaus aufzugreifen. Auf dem Plan stehen 10.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und eine Kombination von Einzelhandel auf den unteren und Wohnfläche auf den oberen Etagen, in einer offenen Wegbeziehung. Das ist „ein transparentes und lockeres Konzept, das auf den ersten Blick auch sehr gut vorstellbar ist“, bewertete Hubel den ersten Eindruck. Allerdings seien der „eigentliche Knackpunkt“ die sogenannten Ankermieter. Dahinter stecken Einzelhandelsvertreter, die großflächig in einer Kaufhauspassage positioniert werden, um als Anziehungsmagneten für Kunden zu wirken. Im Bamberger Modell wollen die Investoren drei dieser Ankermieter unterbringen. „Die Planungsgruppe will ohne jegliche Kompromissbereitschaft einen dieser Ankermieter direkt an die Stelle der historischen Gebäude in der Hellerstraße setzen“, erklärte Hubel den Zuhörern.

Der Baureferent der Stadt Bamberg, Hans Zistl-Schlingmann, ist der Meinung, dass der Bamberger Innenstadt ein wichtiger Magnet fehlt und trat so während der Informationsveranstaltung in die Rolle des Verteidigers der nicht anwesenden Investoren. „Im Konsens wurde bisher lediglich vereinbart, dass eine gewisse Verkaufsfläche notwendig ist, um den Standort zu fördern“, so Zistl-Schlingmann. Wie die Architektur umgesetzt wird, werde nun im nächsten Schritt in einem aktuell laufenden „Optimierungsprozess“ überprüft. Der Baureferent stellte klar, dass der Stadt Bamberg der Umgang mit Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, wichtig sei. Dennoch „wollen wir nicht nur eine Kulisse für Touristen sein“, sondern eine lebendige Innenstadt bieten, die dann zwangsläufig auch „den Erhalt aller Denkmalgebäude unterstützen und fördern“ werde. Zistl-Schlingmann machte allerdings deutlich, dass durch die Abstimmung im Stadtrat im September 2008 eine klare Prämisse gestellt wurde: „Wenn es nicht vereinbar ist, dann hat die zusätzliche Schaffung des Einzelhandels Priorität.“

Kulturgrube als Auffangbecken

Um die Bedeutung, die der Ort im Mittelalter für die jüdische Bevölkerung hatte, sichtbar zu machen, hat der Projektentwickler Multi Development in einem ersten Entwurf eine in die Einkaufspassage integrierte „Kulturgrube“ vorgeschlagen. Auf 800 Quadratmetern Fläche soll dort im Untergeschoss der Einkaufspassage die Mikwe, Reste der Stadtmauer und die Stuckdecken aus dem barocken Gebäude an der Hellerstraße in einem musealen Raum ausgestellt werden. Hubel hält von diesem Vorschlag allerdings nichts: „Erstens ist der Begriff Kulturgrube ein scheußliches Wort und zweitens wird damit weder der historische Kellerraum noch die eigentliche Gedenkstätte an sich gewahrt.“ Bereits die City-Passage sei 2005 daran gescheitert, dass die bedeutenden Gebäude in der Hellerstraße nicht abgerissen werden sollten. „Warum soll es denn jetzt plötzlich anders sein?“, fragte Hubel zum Abschluss der Informationsveranstaltung und entließ die Zuhörer mit der Hoffnung auf ein gutes Ende.