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Ingrid Hesekamp

Dissertation: Das Bild von Africa in der augusteischen Dichtung – Poetische Konstruktionen eines geographischen Raumes (Vergil, Aeneis – Horaz – Properz)


Africa ist ein weitgehend unerforschter Kontinent, als die augusteischen Dichter Vergil, Horaz und Properz ihn zum Thema in Epos und Lyrik machen. Anders als in historisch-ethnographischen Schriften mit faktualem Anspruch liegen hier im Sinne aristotelischer Mimesis literarische Fiktionen vor. Ihre Eingängigkeit macht diese im Diskurs oft zu bewusstseinsprägenden Modellen. Die Arbeit setzt sich unter dieser Prämisse mit der Frage auseinander, mit welchen inhaltlichen und gestalterischen Elementen der afrikanische Raum jeweils intentional konstruiert wird und welche Bilder von Afrika auf diese Weise entstehen und vermittelt werden.

In Vergils Aeneis werden dazu das Raumkonzept des Epos, die Diachronie der Raumverteilung, die Projektionen der Figuren in der Wahrnehmung Afrikas sowie die Semantisierung und ideologische Konnotierung von Räumlichkeiten untersucht. In seiner Konzipierung als Anti-Raum, als barbarisches Land in mythischer Frühzeit mit geographisch-klimatischen Extremen und kriegerischen Nomadenstämmen, wird das endemische Afrika, in das Aeneas auf seinem Weg von Asien nach Europa wider Willen gelangt, mediatisiert, indem sich vor seiner Negativfolie im panegyrischen Sinn die Leistung des Augustus abhebt, der auch diesen Kontinent befriedet, zivilisiert und so Roms kosmopolitische Herrschaft begründet.

In der Lyrik steht die Verwendung afrikanischer Elemente in poetischen Kommunikationssituationen im Fokus: Untersucht wird, wie diese, oft pointiert als Tropen zur schlaglichtartigen Verdeutlichung abstrakter Sachverhalte eingesetzt, zum strategischen Argument oder zum emotionalen Ausdruck werden und als Motive zur Topisierung von Vorstellungen beitragen. Schrecken der afrikanischen Landschaft fungieren so als Kontrast zur Betonung positiver Haltungen, Löwen und Schlangen stehen für mangelnde Affektkontrolle, am Reichtum der Provinz Africa wird die Kritik falscher Lebensmaximen festgemacht. Die tödliche Gefahr obsessiver Leidenschaft zeigt die Elegie im Motiv der Syrten.

Mit der Analyse poetischer Konstruktionsmodelle und ihrer Implikationen in augusteischer Zeit leistet die Arbeit einen Beitrag zum Afrika-Diskurs in Vergangenheit und Gegenwart.


Ingrid Hesekamp studierte von 1967 bis 1972 Latein, Germanistik, Philosophie und Pädagogik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster für das Lehramt an Gymnasien. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Lehrerin, Koordinatorin schulfachlicher Aufgaben und stellvertretende Schulleiterin leitete sie von 1996 bis 2002 das Graf-Adolf-Gymnasium Tecklenburg. Von 2002 bis 2014 war sie als Dezernentin für Gymnasien und Fachdezernentin für die Alten Sprachen und Deutsch in der Bezirksregierung Münster tätig. In dieser Funktion wurde sie vom Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW u.a. mit der Entwicklung von Curricula für das Fach Latein und der Qualitätssicherung im Zentralabitur betraut. 2020 promovierte sie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg im Fach Klassische Philologie/Schwerpunkt Latinistik.