PROMOTIONSPREIS DES ROTARY CLUBS BAMBERG SCHLOSS GEYERSWÖRTH 2020

Dr. Peter Konerding

Dissertation: Pokémon goes Alhambra – Sprachideologie und Populärkultur in maghrebinisch-arabischer Erzählprosa

Was macht arabische Texte zu Literatur? Nationalen wie auch internationalen Erfolg etwa haben Romane, die sich durch das effektvolle Zu-sammenspiel von Alt und Neu, Ost und West, Hoch- und Populärkultur sowie Standardsprache und Dialekt auszeichnen. Im Hinblick auf die maghrebinische Literatur wurden allerdings solche sprach- und kulturwissenschaftlichen Facetten von der postkolonialen Literaturwissenschaft noch nicht hinreichend gewürdigt. Diesen Umstand exemplarisch zu untersuchen, war das Hauptanliegen der hier ausgezeichneten Dissertation. Sie präsentiert gänzlich neue Lesarten für moderne maghrebinisch-arabische Erzählwerke aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln: der Sprachideologie und der Populärkultur. Anhand des ersten Aspekts wird deutlich, dass die untersuchten Texte konventionelle Auffassungen von Umgangs- und Hochsprache infrage stellen und zugleich durch die parallele Verwendung verschiedener Sprachregister aufzubrechen vermögen. Auf Arabisch zu schreiben, bedeutet in diesem Zusammenhang eben kein starres Festhalten an einer überkommenen Sprachnorm, sondern die zwanglose Vervollkommnung der Schriftsprache durch zahlreiche Elemente aus dem alltäglichen Sprachgebrauch.

Hinsichtlich der zweiten Perspektive fällt auf, dass Autorinnen und Au-toren, welche die konventionelle Literaturkritik bislang als seriös verortet hat, sich unvermittelt auch neuen Inhalten wie etwa sex and crime oder aber der internationalen Populärkultur öffnen. So entstehen Gattungen, die vergleichbar sind mit der neueren deutschen Popliteratur der Jahrtausendwende. Ähnlich der sprachlichen Melange werden dabei auch high und low culture in kunstvoller Manier miteinander vermengt.
Eine derart komplexe Textinterpretation erfordert ein Zusammenspiel von Literaturwissenschaft, Linguistik und Kulturwissenschaft unter der Rückbesinnung auf die Philologie als klassische Disziplin und Methode. Peter Konerdings exemplarische Untersuchung der Romane Aṣābiʿ Lūlītā („Lolitas Finger“) von Wāsīnī al-Aʿraǧ, Al-Qāhira aṣ-ṣaġīra („Kleinkairo“) von ʿAmāra Laḫūṣ, Lā yutraku fī mutanāwal al-aṭfāl („Außer Reichweite von Kindern aufbewahren“) von Sufyān Miḫnāš, Ǧān Ǧ[i]nīh fī Ṭanǧa („Jean Genet in Tanger“) und Būl Būwl[i]z wa-ʿuzlat Ṭanǧa („Paul Bowles und die Einsamkeit Tangers“) von Muḥammad Šukrī sowie Sifr iʿādat at-takwīn  („Buch der erneuten Genesis“) von Nārīmān aš-Šāmilī leistet genau dies.

 

Peter Konerding, 1984 in Kiel geboren, studierte Arabistik, Islamwissenschaft und Hispanistik in London, Tunis, Basel und Paris. Nach Abschluss des Masterstudiums 2010 unterrichtete er zunächst Deutsch in Paris und begann 2014 im Zuge eines durch den DAAD geförderten Forschungsaufenthalts an der Universität Oran 1 – Ahmed Ben Bella (Algerien) seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Arabistik. Er war Mitglied der Bamberger Graduiertenschule für Orient-Studien (Ba-GOS), kooptiertes Mitglied der Bamberger Graduiertenschule für Literatur, Kultur und Medien (BaGraLCM) und engagiert sich als Vorsitzender des Fachverbands Arabisch e.V. zudem im Bereich der Arabischdidaktik.