Deutschunterricht einer dritten KlassePatrick Pleul/dpa

An der Universität Bamberg beschäftigen sich zwei Projekte zu Bildungsforschung im Rahmen des europäischen Forschungsprogramms NORFACE mit den Ursachen und Folgen sozialer Ungleichheit.

LIFETRACK/Universität Bamberg

Das Projekt LIFETRACK um Steffen Schindler untersucht, wie sich unterschiedliche Schulformen auf Ungleichheiten in Gesellschaften auswirken.

SEED/Universität Bamberg

Das SEED-Team um Sabine Weinert legt hingegen den Fokus auf familiäre und soziale Bedingungen, unter denen sich Kleinkinder entwickeln.

- Patricia Achter

Unterschiede beginnen in der Kindheit

Projekte aus der Bildungsforschung untersuchen Ursachen und Folgen sozialer Ungleichheit

Die einen schlagen sich mit drei Minijobs irgendwie durchs Leben, während andere sich mit einer gut bezahlten Stelle ein teures Feriendomizil leisten können. Es ist kein Geheimnis, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Mit den komplexen Gründen für Ungleichheiten in modernen Gesellschaften und ihren Folgen beschäftigen sich nun zwei Forscherteams der Universität Bamberg im Rahmen des europäischen Forschungsprogramms Dynamics of Inequality Across the Life Course (Dynamiken von Ungleichheit im Lebensverlauf).

Finanziert werden die Forschungsprojekte von NORFACE, einem Zusammenschluss mehrerer nationaler Forschungsförderorganisationen in Europa, wie zum Beispiel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). NORFACE wählte 13 Projekte aus insgesamt 170 Anträgen aus, die nun begonnen haben. „Die Universität Bamberg ist sogar in zwei der ausgewählten Projekte vertreten. Das unterstreicht unsere erfolgreiche Schwerpunktbildung im Bereich der Bildungsforschung und das internationale Renommee, das wir damit erreicht haben“, erklärt Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert, Präsident der Universität Bamberg.

Wie unterschiedliche Schulsysteme die soziale Ungleichheit beeinflussen

Eines der Projekte beschäftigt sich mit der Frage, wie unterschiedliche Schulsysteme die Entstehung sozialer Ungleichheit beeinflussen. So setzt beispielsweise das deutsche Schulsystem auf eine frühzeitige Aufteilung der Schülerinnen und Schüler auf verschiedene Schulformen, wie Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Die skandinavischen Länder hingegen zeichnen sich durch eine längere gemeinsame Beschulung aus: neun bis zehn Jahre. Bisher ging man davon aus, dass insbesondere die frühe Aufteilung mit sozialen Ungleichheiten einhergeht. Doch aktuelle Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass sich auch in Ländern mit Gesamtschulsystemen Schülerinnen und Schüler je nach sozialer Herkunft in verschiedene Lerngruppen aufteilen. Hier setzt das Forschungsprojekt LIFETRACK („Life-Course Dynamics of Educational Tracking“) an.

„Wir untersuchen, wie sich die verschieden organisierten Bildungssysteme langfristig auf soziale Ungleichheit auswirken“, erläutert Prof. Dr. Steffen Schindler, Leiter des Projekts und Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Bildung und Arbeit im Lebensverlauf an der Universität Bamberg. Auf welche Weise die Art des Schulsystems den weiteren Lebens- und Karriereweg der Schülerinnen und Schüler beeinflusst, analysieren insgesamt 16 europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie vergleichen bis zum Jahr 2020 aktuelle Daten zu Bildungs- und Erwerbsverläufen aus sechs Ländern: Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich und Italien. Das Team um die beiden Bamberger Professoren Steffen Schindler und Corinna Kleinert steuert hierzu die Auswertungen zum deutschen Bildungssystem bei. Diese werden in Zusammenarbeit mit dem Bamberger Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) anhand der Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) durchgeführt. NORFACE fördert das Projekt insgesamt mit rund 1,35 Millionen Euro, wovon die Universität Bamberg 140.000 Euro erhält.

Wie sich soziale Ungleichheit auf die Entwicklung von Kindern auswirkt

Um Kleinkinder und ihre Entwicklung geht es im zweiten Forschungsprojekt. Prof. Dr. Sabine Weinert, Inhaberin des Lehrstuhls für Psychologie I – Entwicklungspsychologie an der Universität Bamberg, leitet den Bamberger Projektteil zusammen mit Prof. Dr. Hans-Günther Roßbach, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Elementar- und Familienpädagogik an der Universität Bamberg, und Dr. Jutta von Maurice, Wissenschaftlich-koordinierende Geschäftsführerin des LIfBi in Bamberg. Ihre Ausgangsthese ist, dass Kinder von vornherein unter verschiedenen Bedingungen aufwachsen, die beispielsweise von der Bildung und sozialen Schicht ihrer Eltern oder dem Migrationshintergrund geprägt sind. Bereits im Alter von nur drei Jahren lassen sich Entwicklungsunterschiede zwischen Kindern aus Familien mit unterschiedlichem Bildungshintergrund beobachten, zum Beispiel im Sprachstand und in numerisch-mathematischen Fähigkeiten.

Wie entstehen diese Entwicklungsunterschiede von Kindern? Und welche Folgen hat der unterschiedliche soziale und bildungsbezogene Hintergrund auf ihre weitere Entwicklung? „Antworten auf diese Fragen sind von großer Bedeutung für das Verständnis, wie soziale Ungleichheit entsteht und wie man ihr begegnen kann“, sagt Sabine Weinert, die diesen Fragen mit ihrem Forscherteam unter der Gesamtleitung von Prof. Dr. James Law, Newcastle University, nachgeht. Im Fokus stehen dabei vor allem die Auswirkungen sozialer Ungleichheit auf sprachliche Fähigkeiten und die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern, zum Beispiel was die Fähigkeit anbelangt, eigene Emotionen und Impulse zu regulieren. Unter dem Kurztitel SEED („Soziale Ungleichheiten und deren Effekte auf die Entwicklung von Kindern: Eine Studie mit Geburtenstichproben in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden“) vergleicht die Studie die Entwicklung von Kindern in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden. Sie nutzt Datensätze, die in den drei Ländern über mehrere Jahre erhoben wurden. Sabine Weinert analysiert mit ihrem Team vor allem Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Das gemeinsame Forschungsprojekt dauert bis 2020 und erhält eine Förderung in Höhe von etwa 1,45 Millionen Euro. Die Universität Bamberg bekommt 210.000 Euro von dem Gesamtbetrag.