Sich einzugestehen, Hilfe zu brauchen, ist oft der erste Schritt für die Aufnahme einer Therapie (Bild: Photocase)

Hans Reinecker (von links), Judith Siegl und Markus Gmelch vor dem Marcus-Haus (Bild: Martin Beyer)

Ein Therapieraum in der Psychotherapeutischen Ambulanz an der Promenade (Bild: Lina Muzur)

Das Logo des CIP und die Kontaktadresse (Bild: CIP)

- Lina Muzur

Wie wird man ein guter Psychotherapeut?

Forschungsstelle und Centrum für Integrative Psychologie bieten außergewöhnliche Ausbildung an

In Bamberg kann man nicht nur ein guter Diplom-Psychologe – man kann auch ein guter Psychotherapeut werden! Ein besonderer Kooperationsvertrag des Centrums für Integrative Psychologie (CIP) mit dem Lehrstuhl für Klinische Psychologie/Psychotherapie ermöglicht Diplom-Psychologen eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten mit Schwerpunkt in Verhaltenstherapie. 

Der Biomediziner und Psychiater Fritz Henn, der zwölf Jahre lang das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim leitete, äußerte kürzlich in einem Interview mit der ZEIT: „Zwischen Arzt und Patient muss eine Verbindung bestehen. Patienten müssen an ihren Arzt glauben. Das nennen wir in der Medizin den Placeboeffekt, und es ist überhaupt keine Frage, dass dieser real und sein Einfluss, besonders in der Psychiatrie, sehr groß ist.“ Als Beleg zitiert er eine Studie der Universität Stanford, in der man untersuchen wollte, welche Art von Gruppentherapie die beste Wirkung erzielt, wobei eine ganze Reihe unterschiedlicher Therapieschulen getestet wurde. Das Ergebnis war: Die Therapierichtung war gänzlich unbedeutend, entscheidend war der Therapeut. „Die guten Therapeuten hatten mit jeder Methode Erfolg, die schlechten mit keiner“, resümiert Henn.

Seit 1999 wird in Deutschland mit dem Psychotherapeutengesetz die Berufszulassung für die heilkundliche Psychotherapie geregelt. Die Approbation erhalten ausschließlich Absolventen eines staatlich anerkannten psychotherapeutischen Ausbildungsgangs. Dieser wiederum ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden: Hauptzulassungskriterium ist eine an einer deutschen Universität bestandene Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie, die das Fach „Klinische Psychologie“ einschließt. Die Ausbildung umfasst mindestens 4200 Stunden, sie dauert in der Vollzeitform drei, in der berufsbegleitenden Form fünf Jahre, ist curricular gegliedert und schließt mit einer staatlichen Prüfung ab.

CIP Bamberg, ein staatlich anerkanntes Ausbildungsinstitut

Auch am Bamberger Centrum für Integrative Psychologie (CIP) werden Psychologische Psychotherapeuten auf eine qualifizierte Praxistätigkeit vorbereitet. Das CIP arbeitet auf der Grundlage eines Kooperationsvertrags mit der Universität Bamberg und ist an den Lehrstuhl Klinische Psychologie/ Psychotherapie angegliedert. Jährlich werden achtzehn neue Kandidaten aufgenommen, insgesamt lernen hier hundert zukünftige Psychotherapeuten ihren Wunschberuf auszuüben. Die fundierte Schulung hat ihren Preis: die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 16.365 Euro – „eine Summe, die durch praktische Tätigkeiten im Rahmen der Ausbildung größtenteils refinanziert wird“, versichert Prof. Dr. Hans Reinecker, Ausbildungsleiter und zugleich Inhaber des Lehrstuhls.

Die einzelnen Ausbildungsetappen werden als „Lernmodule“ bezeichnet: Theoretische Ausbildung, Praktische Tätigkeit, Praktische Ausbildung/ Supervision und Selbsterfahrung. Auf die Wissensvermittlung durch Lehrveranstaltungen, in denen unter anderem „Entspannungsverfahren“, „Pharmakologie“, „Zwangsstörungen“, „Borderline-Störungen“, „Kritische Therapiesituationen“ gelehrt beziehungsweise diskutiert werden, folgt unmittelbar die Umsetzung derselben in klinisch-psychotherapeutische Fertigkeiten bei der Behandlung von Störungen mit Krankheitswert.

Die praktischen Ausbildungsteile werden durch partnerschaftliche Zusammenarbeit mit zahlreichen psychiatrisch-klinischen Einrichtungen, Ambulanzen und Lehrpraxen in ganz Bayern geregelt. Doch auch am Institut selbst können die Ausbildungsteilnehmer die geforderte mindestens halbjährliche Tätigkeit an einer ambulanten Einrichtung absolvieren. „Die Psychotherapeutische Ambulanz als Praxiseinrichtung des CIP ist ein unverzichtbarer Teil des Lehrstuhls Klinische Psychologie/ Psychotherapie. Dies betrifft die Aspekte der Ausbildung von Studierenden ebenso wie Gesichtspunkte der Forschung und der exemplarischen psychotherapeutischen Versorgung“, so Reinecker. Nicht minder relevant ist das meist ausbildungsabschließende Lernmodul „Selbsterfahrung“. Dabei versetzen sich die angehenden Therapeuten in die Rolle des Patienten, unterbreiten in Gruppensitzungen ihre eigene Biographie, ihre beruflichen und privaten Ziele und Ängste. Im Idealfall werden wiederkehrende Verhaltensmuster gefunden, die sich unter Umständen negativ auf die Therapiesituation auswirken könnten.

Von der biologischen Lerntheorie zur Verhaltenstherapie

Die Arbeit professioneller Psychotherapeuten beruht auf einer Vielfalt von Verfahren, die sich vor allem dem tiefenpsychologischen, dem psychoanalytischen und dem verhaltenstherapeutischen zuordnen lassen. Besonders an Universitäten ist das letztere, auf biologischen Lerntheorien basierende Modell inzwischen weit verbreitet. Das CIP Bamberg versteht sich, wie 31 weitere derartige Einrichtungen in Deutschland, als „Ausbildungsinstitut für Verhaltenstherapie“. In einer Informationsbroschüre des Deutschen Fachverbands für Verhaltenstherapie (dvt) wird diese als „eine wissenschaftliche Form der Psychotherapie mit empirisch belegtem positiven Wirkungsprofil bei den meisten psychischen und psychosomatischen Erkrankungen“ definiert. Kennzeichen seien: klare Formulierung von Zielen, Motiven und erwünschten Ausgängen der Behandlung im Vorfeld; eine gute Therapeut-Patient-Beziehung, bei der beide in einem Behandlungsteam sowohl bei Diagnostik, Therapieplanung wie -durchführung zusammenarbeiten.

Die Grundsätze, nach denen in Bamberg therapiert und gelehrt wird, sind im Begriff des „Selbstmanagement“ enthalten. Von manchen als „humanistische Form der Verhaltenstherapie“ bezeichnet, wurde dieser Ansatz ursprünglich in den USA entwickelt. Für den deutschsprachigen Raum hat Reinecker eine erste umfassende Darstellung verfasst: „Wir gehen davon aus, dass die meisten Menschen mehr oder weniger gut in der Lage sind, mit alltäglichen Schwierigkeiten auch ohne professionelle Hilfe zurande zu kommen. Falls die Belastung jedoch gewisse Grenzen überschreitet, kann eine Therapie dazu beitragen, bestimmte Hilfestellungen zu geben und die Person wieder zur Autonomie und zum eigenen verbesserten Umgang mit Problemen zu befähigen.“ Therapie also als „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Konkret und transparent sind deren Leitideen wie etwa „intersubjektive Vermittelbarkeit“ (die Aktivitäten des Psychotherapeuten müssen plausibel begründet und nachvollziehbar sein), „Nützlichkeit und Ethik“ (die Therapie soll dem Klienten dazu verhelfen, seine Möglichkeiten zu erweitern und im Rahmen seiner Ziele zu fühlen, zu denken und sich zu verhalten) oder „Prinzip der minimalen Intervention“ (Sparsamkeit in Bezug auf die Anzahl der Sitzungen und die Dauer der Therapie).

Der Therapeut als Bergführer

Markus Gmelch hat an der Universität Bamberg Psychologie studiert. Er ist nicht nur Dozent und Mitarbeiter am Lehrstuhl für Klinische Psychologie/Psychotherapie, sondern auch Auszubildender am CIP und somit Therapeut an der CIP-Ambulanz. Wenn er einem Patienten erklärt, was „Selbstmanagement“ bedeutet, dann bedient er sich meistens eines bildhaften Vergleichs: „Stellen Sie sich mich, den Therapeuten, als Bergführer vor, der Experte für einen bestimmten Berg ist. Ich werde versuchen, Sie durchzuführen, auf die Bergspitze zu lotsen, aber: Gehen müssen Sie selbst.“ Nicht der Therapeut, der Patient trägt die Verantwortung. Eine Veränderung kann er nur durch eigene Anstrengung erwirken. Einer der Klienten der CIP-Ambulanz, im Folgenden erhält er den Namen Herr O., stellte gegen Ende seiner Behandlung fest: „Ich habe in der Therapie meiner Zwangsstörung zwei Dinge gelernt: Man kann etwas tun – aber man muss etwas tun.“ Diese Erkenntnis könnte durchaus als Motto des „Selbstmanagement“ dienen.

Herr O. war 32 Jahre alt, als er sich auf dringenden Rat seiner Hausärztin in Therapie begab. Zu diesem Zeitpunkt litt er bereits seit drei Jahren an einem sehr beeinträchtigenden Kontrollzwang, so dass er seinen Beruf als Bauleiter einer großen Firma aufgeben musste. Nach dem Bau des eigenen Hauses kam Herrn O. plötzlich der Gedanke, mit einigen Teilen des Hauses sei „etwas nicht in Ordnung“. Er begann zu kontrollieren, ob die Fenster richtig eingesetzt sind, er überprüfte die Verkleidungen, Dichtungen und die Lage der Dachziegel. Seine Kleidung und Schuhe mussten in bestimmter Weise ausgerichtet beziehungsweise zusammengelegt sein, andernfalls wurde er von einer unerträglichen Angst und Unruhe befallen. Auch das Waschen, Duschen, Rasieren, Zähneputzen musste für ihn nach ganz bestimmten Ritualen ablaufen.

"Sie sind der Stift, Ihre Angst ist die Kreide"

Bei der Behandlung einer Zwangsstörung gilt es, die vertrauten Verhaltensmuster zu durchbrechen. Erreicht wird dies durch eine Konfrontationstherapie, die auch bei allen Arten von Phobien, Angststörungen, Panikattacken und ähnlichen psychischen Krankheiten die erwünschte Wirkung erzielt. Und erneut wird dem Patienten eine oft verwendete, leicht nachvollziehbare Erklärung präsentiert: „Stellen Sie sich vor, das sind Sie (der Therapeut hält einen Stift in die Höhe). Stellen Sie sich weiter vor, das ist Ihre Angst und Unruhe, die Gedanken, die Sie beeinträchtigen und die Sie fürchten (der Therapeut hält ein Stück Kreide in der anderen Hand). Immer wenn Sie versuchen, vor der Angst davonzulaufen (der Stift bewegt sich), läuft Ihnen die Angst hinterher (das Kreidestück bewegt sich gleichmäßig mit dem Stift). Die einzige Möglichkeit, Ihre Angst zu bewältigen, besteht darin, stehen zu bleiben (der Therapeut hält die Hand mit dem Stift an) und der Angst ins Gesicht zu blicken (der Therapeut hält den Stift waagerecht, direkt gegenüber dem Kreidestück).“ Durch diese Vorführung lernt der Patient, dass Angst nicht unendlich ist. Sich ihr zu stellen, bedeutet zu erkennen, dass sie sich vertreiben lässt. Wer vor ihr davonläuft, erkennt hingegen niemals, dass es möglich ist, sie zu bewältigen.

Herr O. und sein Therapeut konzipierten gemeinsam Übungen, die im häuslichen Setting durchgeführt wurden – das Vorgehen wurde genau besprochen, dem Patienten nicht verschwiegen, dass es dabei durchaus zu Angst und Unruhe kommen würde, dass er aber dennoch versuchen solle, die üblichen Kontrollen zu unterlassen. Geübt wurde dann das Stellen der Schuhe, Einräumen der Pullover, Zähneputzen und andere Alltagsaufgaben. Zwischen den Sitzungen wurde Herrn O. immer wieder die Wiederholung der durchgeführten Übungen sowie eine neue Hausaufgabe aufgetragen. Von insgesamt 60 Sitzungen wurden 25 Konfrontationssitzungen beim Klienten zu Hause abgehalten.

Nach über einjähriger Therapie konnten Herrn O.s Zwangshandlungen fast ganz beseitigt werden. Er hatte wieder begonnen zu arbeiten und gelernt, seine Ängste und die damit verbundene Unruhe dadurch zu bewältigen, dass er sich der bedrohlichen Situation aussetzte und auf seine Rituale verzichtete.

Jede Sitzung wird aufgezeichnet

Stellt man den Ausbildungsteilnehmern des CIP Bamberg die Frage, warum sie sich für den Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten entschieden haben, lautet die Antwort in den meisten Fällen, sie hätten schon immer ein starkes Bedürfnis verspürt, Menschen zu helfen und die menschliche Psyche zu verstehen. Für Gmelch liegt der größte Wert der Ausbildung in der Praxiserfahrung, in der Möglichkeit der permanenten Rücksprache mit einem Supervisor und der sorgfältigen Vor- und Nachbereitung der einzelnen Therapiestunden. Jede Sitzung wird aufgezeichnet und kann sowohl zeitgleich von einem anderen Raum aus mitverfolgt als auch zu einem späteren Anlass analysiert werden. Dies geschieht natürlich in Rücksprache mit dem Patienten, der, falls er einwilligt, gewiss sein kann, einen nützlichen Beitrag für die Lehre und Forschung geleistet zu haben.

Die universitäre Ambulanz kann aus Platzgründen nicht jeden Ausbildungsteilnehmer als Psychotherapeuten aufnehmen. Unter anderem deshalb ist seit März dieses Jahres die Externe CIP-Ambulanz an der Promenade in Betrieb. In den unaufdringlich schlicht eingerichteten Räumen wird man von Judith Siegl empfangen. Siegl hat vor kurzem ihre Doktorarbeit am Lehrstuhl für Klinische Psychologie/ Psychotherapie eingereicht. Sie hat in Bamberg Psychologie studiert, war sieben Jahre lang am Lehrstuhl tätig, hat nebenbei die Ausbildung zur Psychotherapeutin am CIP abgeschlossen und ist mittlerweile selbst Dozentin dort.

Die Externe CIP-Ambulanz befindet sich noch im Aufbau. Unter Siegls Leitung arbeiten hier fünf Therapeuten. Für niedergelassene Therapeuten in Bamberg und Umland sowie für interessierte Kollegen bietet das CIP von der Psychotherapeutenkammer in Bayern anerkannte Fortbildungsveranstaltungen an. Die Therapeuten sind froh über die Möglichkeit sich auszutauschen, neueste Forschungsergebnisse zu erfahren und sich über erfolgreiche Behandlungsmethoden informieren zu können. Manche haben mit bestimmten Krankheitsbildern keine Erfahrung und nehmen deshalb teil, so etwa an Siegls Seminar über Generalisierte Angststörung.
Siegl und Gmelch sind sich über die Vorzüge des CIP Bamberg einig: die Ausbildung ist forschungsnah, der klinische Bereich verhaltenstherapeutisch ausgerichtet und der Institutsleiter ein bekannter Experte, der anerkannte Lehrbücher schreibt und sich persönlich um seine Studierenden und Auszubildenden kümmert. Das breit gefächerte Lehrangebot wird von einer ausreichenden Anzahl von Dozenten getragen. Regelmäßig finden Gastvorträge statt. So weist alles darauf hin, dass am CIP solche Therapeuten ausgebildet werden, die Fritz Henn im Sinn hat, wenn er von „guten Therapeuten“ spricht.

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