Was bedeuten Flucht und Migration für unsere Gesellschaft?

Bamberger Expertinnen und Experten zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni

Anlässlich des Weltflüchtlingstags der Vereinten Nationen am 20. Juni 2019 fassen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bamberg verschiedene Aspekte ihrer Forschung zum Thema Flucht und Migration in Kommentaren zusammen. Die Expertinnen und Experten aus den Bereichen Soziologie, Arbeitswissenschaft und Erziehungswissenschaft stehen für weiterführende Interviews gerne zur Verfügung.

Was bedeuten verschärfte Abschieberegeln für Polizeiarbeit und Gesellschaft?

Dr. Georgiana Banita, Trimberg Research Academy:
„Die Verschärfung von Asylgesetzen rückt Abschiebung in den Fokus des Fluchtdiskurses. Bei der Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerber werden den Polizeibehörden auf Länder- wie Bundesebene immer mehr Befugnisse eingeräumt. Infolge dieser Entwicklungen verschiebt sich sowohl die Rolle der Polizei im Alltag als auch die öffentliche Wahrnehmung von schutzsuchenden Personen. Polizeieinsätze im Rahmen von Zwangsabschiebungen werden zur Routine, mit dem Ergebnis, dass der Asylsuchende selbst unter Verdacht gerät und Geflüchtete zunehmend mit Kriminalität in Verbindung gebracht werden.“

E-Mail: Georgiana.Banita(at)uni-bamberg.de, Tel.: 0951/863-3505

Forschungsschwerpunkte:
- kulturelle Aspekte von Polizeiarbeit in Migrationsgesellschaften, zum Beispiel die Entstehung von Vorurteilen gegenüber Personen mit Migrationshintergrund
- der Einsatz von Prognosesystemen, um potentielle Verbrechen zu verhindern
- Folgen der Abschiebepolitik auf die kulturelle Wahrnehmung von Polizeibediensteten und Migranten

Wie kann Integration gelingen?

Prof. em. Dr. Friedrich Heckmann, Professor für Soziologie und ehemaliger Leiter des europäischen forums für migrationsstudien (efms):
„Flüchtlinge, die in einem Aufnahmeland Schutz gefunden haben, denken an einen vorübergehenden Aufenthalt und möchten zurückkehren, wenn die Lage in ihrem Heimatland es erlaubt. Es kommt zu partieller Integration. Mit längerem Aufenthalt, rechtlicher Sicherheit und wachsender Bindung von Interessen an das Aufnahmeland entwickelt sich ein Integrationsprozess als Mitgliedschaftserwerb wie bei anderen Migrantengruppen. Lern- und Leistungsbereitschaft der Migranten und Offenheit und Lernbereitschaft der Aufnahmegesellschaft und ihrer Institutionen mit Förderung und Investitionen in den Integrationsprozess bei begrenzter Zuwanderung sind zentrale Bedingungen für das Gelingen von Integration. Hinzu kommen die Aufnahme von sozialen und kulturellen Beziehungen seitens der Migranten über ihre Herkunftsethnie hinaus und die Bereitschaft der Einheimischen, die Migrantinnen und Migranten als zugehörig zu akzeptieren.“

E-Mail: friedrich.heckmann(at)uni-bamberg.de, Tel.: 0911/557570

Forschungsschwerpunkte:
- kommunale Integrationspolitik
- Evaluation von Integrationsmaßnahmen
- multikulturelle Gesellschaft und Nationsbildung

Unter welchen Bedingungen kann die Integration von Geflüchteten in das deutsche Bildungssystem gelingen?

Prof. em. Dr. Hans-Günther Roßbach, Professor für Erziehungswissenschaft:
„An das deutsche Bildungssystem werden hohe Erwartungen gestellt, zur Integration von Geflüchteten beizutragen. Zu den Bedingungen, unter denen das gelingt, läuft gegenwärtig am Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) an der Universität Bamberg die Längsschnittstudie „Refugees in the German Educational System“. Hier untersuchen wir die Integration von geflüchteten Kindern im vorschulischen Alter und solchen im Jugendalter über mehrere Jahre hinweg. Die Studie dauert noch bis Ende Juni 2021 an. Die bisherige Forschung weist darauf hin, dass ein früher Eintritt in Kindertageseinrichtungen Erfolg versprechend ist – nicht nur, um in Kontakt mit der deutschen Sprache zu kommen, sondern auch, weil die Tradition der deutschen Kindertageseinrichtungen die Zusammenarbeit mit Familien sehr betont. Über die geflüchteten Kinder im vorschulischen Alter können auch die Eltern erreicht werden, um eine Integration zu fördern. Hier gilt es über niedrigschwellige Angebote, Familien den Zugang zu Kindertageseinrichtungen zu erleichtern.“

E-Mail: hans-guenther.rossbach(at)uni-bamberg.de

Forschungsschwerpunkte:
- Qualität in der frühen Bildung
- Modellversuche im vorschulischen Bereich
- Längsschnittforschung

Können Familien mit Migrationshintergrund ihre Kinder ihren Wünschen entsprechend in KiTas betreuen lassen?

Dr. Lars Burghardt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Elementar- und Familienpädagogik:
„Die Wartelisten von Kindertageseinrichtungen sind lang, immer mehr Eltern nehmen für Kinder im Alter von unter drei Jahren einen Betreuungsplatz in Anspruch. Das trifft allerdings nicht auf Familien mit Migrationshintergrund zu. Ihre Kinder gehen deutlich seltener so früh in eine Einrichtung. Dabei entspricht das durchaus nicht den Wünschen der Familien! Eine unserer Studien hat gezeigt: Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund müssen ihre Kinder häufig unfreiwillig zuhause betreuen. Dabei profitieren Kinder, bei denen Zuhause nicht deutsch gesprochen wird, in besonderem Maße von einer frühen qualitativ hochwertigen Betreuung. Bis zum vierten Lebensjahr ist die Grundentwicklung der Grammatik abgeschlossen. Für den späteren Schulerfolg ist es wichtig, mit der deutschen Sprache früh in Kontakt zu kommen.“

Weitere Informationen: www.uni-bamberg.de/presse/pm/artikel/studie-kita-migration/

E-Mail: lars.burghardt(at)uni-bamberg.de, Tel.: 0951/863-1988 (Mo, Di) bzw. 0951/863-3476 (Mi-Fr)

Forschungsschwerpunkte:
- Qualität und Qualitätsentwicklung in frühpädagogischen Einrichtungen
- (Längsschnitt-)Analysen der Auswirkungen frühkindlicher Betreuung
- Inanspruchnahme frühkindlicher institutioneller Betreuungseinrichtungen
- Geschlechterdarstellungen in Bilderbüchern

Wie wirkt sich der Anstieg der Zuwanderung von Geflüchteten in den vergangenen Jahren auf den Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt aus?

Prof. Dr. Olaf Struck, Professor für Arbeitswissenschaft:
„Ein positiver Effekt von Zuwanderung von Geflüchteten für eine Minderung des Fachkräftemangels ist an Bedingungen geknüpft. Flüchtlinge sind schlechter auf die Einwanderung vorbereitet als andere Migrantengruppen und sie bringen auch nicht die passenden Qualifikationen mit. Es müsste sehr viel Geld für die berufsfachliche oder hochschulische Ausbildung der zumeist ja jungen Flüchtlinge aufgewendet werden. Eine Investition, dies sich angesichts von Alterung und Fachkräftemangel lohnen würde“.

E-Mail: olaf.struck(at)uni-bamberg.de, Tel.: 0951/863-2690 oder -2692 (Sekr.)

Forschungsschwerpunkte:
- Arbeitsmarktanalyse und Berufsforschung, darunter auch räumliche Mobilität und berufliche und zeitliche Flexibilität am Arbeitsmarkt, Demographischer Wandel sowie Zukunft der Arbeit und Digitalisierung
- Organisationsforschung, darunter auch Lohn, Motivation und Gerechtigkeit in Unternehmen, Arbeitsanforderungen und körperliche und psychische Belastung in Unternehmen, betriebliche Aus- und Weiterbildung und Lernumwelten

Weitere Informationen für Medienvertreterinnen und Medienvertreter:

Medienkontakt:
Samira Rosenbaum
Forschungskommunikation
Tel.: 0951/863-1156
forschungskommunikation(at)uni-bamberg.de