„‚Unterm Feigenbaum’. (Re-)Konstruktion eines jüdisch-christlichen Dialogs.“ ... (Bild: Subliminl/stock.xchng)

... so lautete der Titel von Talabardons Antrittsvorlesung.

Der Chassidismus ist einer von Talabardons Forschungsschwerpunkten. Sie besuchte unter anderem auch das Grab von Jaakov Horowitz, dem Seher von Lublin, einem Wegbereiter dieser Bewegung im Judentum (Bilder: Stefan Zinsmeister).

- Stefan Zinsmeister

„Unterm Feigenbaum“

Susanne Talabardon ist die erste Inhaberin der Professur für Judaistik

Die neu eingerichtete Bamberger Professur für Judaistik ist seit dem Sommersemester 2008 besetzt. Susanne Talabardon hielt am 20. November 2008 ihre Antrittsvorlesung: „‚Unterm Feigenbaum’. (Re-)Konstruktion eines jüdisch-christlichen Dialogs.“

„Das Hebräische, das hat mich gepackt und nicht mehr losgelassen. Die biblischen Texte im Original lesen zu können, das war der auslösende Punkt.“ So beschreibt Prof. Dr. Susanne Talabardon ihr Schlüsselerlebnis, das für sie im ersten Semester ihres Theologiestudiums das Tor zur jüdischen Welt öffnete. Und von ihrem Professor wurde sie im Studium permanent angetrieben: „Professor Schreiner, der jetzt in Tübingen ist, hat mich immer wieder herausgefordert, betreut und gesagt, jetzt machen Sie mal das und jetzt schreiben Sie hier die Übersetzung und jetzt lesen Sie mal das Buch. Da hatte ich einfach Glück.“

Ursprünglich wollte sie Lehrerin werden. Doch als die evangelisch sozialisierte Schülerin in Ostberlin mit ihrem Lehrer in Konflikt geriet, verhinderte dieser ihr Wunschstudium. Weil sie als „politisch unzuverlässig“ galt, war in der DDR das Studium der evangelischen Theologie an der Humboldt-Universität die einzige Möglichkeit. Nach dem Studium schrieb sie ihre Doktorarbeit über Mose als Propheten. Aufgrund der Zusammenlegung der Berliner theologischen Fakultäten nach der Wende konnte sie nicht mehr an der Universität tätig sein. „Da ich ja sowieso Lehrerin werden wollte, ging ich als Religionslehrerin ab 1994 für drei Jahre in den Schuldienst.“ Eher durch Zufall kam sie dann wieder zurück auf den akademischen Weg, da sie ab 1997 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Religionswissenschaft der Universität Potsdam wurde. Dort beschäftigte sie sich mit chassidischen Legenden, woraus sich ihre Habilitationsschrift „Zaddik Jessod Olam. Untersuchungen zur osteuropäisch-jüdischen Hagiographie des 18. und 19. Jahrhunderts aufgrund von Erzählungen aus dem Umfeld des Chassidismus“ entwickelte.

„Plötzlich war da etwas Besonderes“

Auch heute noch ist der Chassidismus, diese facettenreiche Bewegung im Judentum, ihr Forschungsschwerpunkt. Jedoch ist die chassidische Literatur ein sehr komplexes Feld, fußt sie doch auf der gesamten jüdischen Überlieferung bis zum 18. Jahrhundert. Deshalb muss sie als Forscherin nicht nur die ganze Tradition überblicken, sondern auch die damalige Zeitgeschichte und die eigenwillige Konstruktion der Texte. Und genau das ist nach Meinung von Talabardon die Problematik: „Bei bestimmten Erzählungen versteht man die Anspielungen nicht und sie beziehen sich nicht nur auf drei, sondern wahrscheinlich auf 300 Texte, die man im Hinterkopf haben muss. Da bin ich selbst immer noch am Lernen.“ Wie sehr die Bamberger Judaistin mit den chassidischen Legenden verbunden ist, zeigte sich bei einer Exkursion nach Lublin/Polen im letzten Jahr. Dort stand sie am Grab von Jaakov Horowitz, dem Seher von Lublin, einem Wegbereiter des Chassidismus. „Das war etwas Besonderes. Es war nicht etwa wie der Besuch am Grab eines Verwandten, sondern wie bei einem Bekannten oder Freund. Ich weiß dann doch eine Menge Geschichten über ihn; er fasziniert mich.“

Juden in Franken

Aber ein anderes Thema drängt sich für Talabardon gerade in Bamberg auf: „Wenn man sich hier umsieht in den umliegenden Dörfern und kleinen Städten, überall sind Friedhöfe, die im Dornröschenschlaf vor sich hindämmern und Synagogen, die zum Teil liebevoll restauriert sind.“ Gerne würde sie in Zukunft ein Netzwerk zusammen mit Historikern, Ethnologen und Archäologen aufbauen, die schon Vorarbeiten geleistet haben, um eine Museumspädagogik zu etablieren. Ganz wichtig ist ihr dabei, dass auch Studierende miteinbezogen und ausgebildet würden, um Führungen auf jüdischen Friedhöfen mit interessierten Laien oder Schülern zu geben.
Daneben ist die Judaistik integraler Bestandteil des Zentrums für Interreligiöse Studien (ZIS) an der Universität Bamberg. Für Talabardon besteht in diesem Studiengang die Chance das jeweilige Proprium der drei Religionen, Judentum, Islam und Christentum kennen zu lernen:  „Es ist für die Gesellschaft wichtig, dass es Leute gibt, die systematisch über den eigenen Tellerrand schauen können; dies zu lernen, das ist das Kostbare an diesem Studiengang.“

Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde Bambergs

An der Professur für Judaistik ist zurzeit auch Dr. Antje Yael Deusel von der israelitischen Kultusgemeinde Bamberg tätig und gibt eine Einführung in die jüdische Liturgie. „Dass Frau Deusel hier das Tutorium unterrichtet, ist für die Studenten eine große Chance, denn ich kann das Alltagsleben nur von außen betrachten. Sie kann den Studierenden die Innenperspektive aus erster Hand vermitteln.“ Darüber hinaus gibt es bereits ein rege Zusammenarbeit mit der Bamberger Jüdischen Gemeinde: „Das läuft hier ganz wunderbar und viel besser als in Berlin. Die Bamberger Jüdische Gemeinde ist viel offener für Gäste.“ Neben der Zusammenarbeit mit Antje Deusel hält Talabardon eine Lehrveranstaltung mit ihrem Ehemann Marc Olivier Talabardon ab. Sie hofft, dass es für die Studierenden eine Bereicherung ist, wenn ihr Ehemann als Philosoph eine distinkte Sichtweise für dieselbe Thematik einbringt. „Mit meinem Mann macht das viel Spaß und die Diskussionen finden ihre Fortsetzungen im heimischen Wohnzimmer“. Beiden gefällt es in Bamberg richtig gut und sie genießen den Reichtum an Lokalitäten und Cafés. Jedoch meint sie, in ihrem Dialekt als Berlinerin unverkennbar: „Fränkisch lernen werde ich sicher nicht mehr.“ Einen Feigenbaum besitzt sie übrigens selbst noch nicht, aber ein Mitglied des Orchesters, in dem sie jetzt in Bamberg mitspielt, hat ihr einen versprochen.

Weitere Informationen

Mehr zur Judaistik, dem neuen Fach an der Universität Bamberg, finden Sie hier.