Seit 2011 ist Gisella Ferraresi Professorin für Deutsche Sprachwissenschaft und Deutsch als Fremdsprache (Foto: Rabea Nikolay)

„Wenn ich die Zeit hätte, würde ich nichts anderes mehr machen als Sprachen zu lernen“ – Ferraresi ist begeisterte Linguistin

Der Fluss und die Brücken in Bamberg erinnern sie an ihre Heimat Bassano del Grappa (Foto: Museshare/wikimedia/CC BY-SA 3.0)

In jeden Bus oder Zug einsteigen und einfach losfahren – dank Bahncard 100 (Foto: Magnus Manske/wikimedia/gemeinfrei)

- Rabea Nikolay

In Klein-Venedig wie zu Hause

Mit der Linguistin Gisella Ferraresi auf der Reise

„Die Brücke auf der Eiskarte des Bamberger Café Bassanese ist die meiner Heimat Bassano del Grappa“, erklärt Ferraresi im Interview. In Italien geboren und aufgewachsen, machte sie oft Urlaub in Österreich und Deutschland, da ihre Oma aus Saarbrücken stammte. „Die Liebe zu Deutschland und zur deutschen Sprache wurde mir in die Wiege gelegt“, erläutert die Professorin. Schon ab der sechsten Klasse wählte sie Deutsch als Fremdsprache. Ihre erste Reise mit elf Jahren nach Österreich sollte ihre Sprachkenntnisse aufbessern und sie fand Geschmack am Deutschen. „Das Land und vor allem die Sprache haben mich begeistert. Und es war ein Stück Freiheit, ohne meine Eltern zu verreisen“, gesteht sie.

„Nimm das Leben so, wie es kommt“

Am liebsten wäre sie nach den folgenden Urlaubsreisen gar nicht mehr zurückgekehrt, aber ihr Vater hatte darauf bestanden. Er überzeugte sie von einem Studium der Germanistik, Anglistik und Linguistik in Venedig, das nur 70 Kilometer von Bassano entfernt liegt. Doch auch das konnte Ferraresi nicht in Italien halten: Noch während ihres Studiums reiste Ferraresi nach Göttingen, wo sie ihren heutigen Mann kennenlernte. Nun begann ihre große Reise: Während ihres Studiums pendelte die Linguistin zuerst von Italien nach Deutschland, bis sie ihre eigene Familie gründete und von da an innerhalb Deutschlands reiste: von der Steiermark nach Stuttgart, wo sie promovierte, und weiter nach Göttingen.

„Nimm das Leben so, wie es kommt, das ist ein gutes Motto“, sagt Ferraresi. Es sei wichtig, mit Gelassenheit an die Dinge heranzugehen und Spaß am Leben zu haben. Als ihre Stärke nennt sie ihr Durchhaltevermögen. Das wird allein schon bei den zahlreichen Ortswechseln deutlich. „Ich bleibe beharrlich bei einer Sache, auch wenn die Aussichten mal nicht so rosig sind“, so die Professorin. Nach ihrer Promotion arbeitete sie an den Universitäten in Hamburg, Hannover, Frankfurt/Main und Bielefeld, wurde in Dortmund habilitiert. 2011 ist die Mutter dreier Kinder in Bamberg angekommen und – wie soll es anders sein – noch immer pendelt sie, denn ihre Familie konnte nicht mit ihr umziehen. Die BahnCard 100 hat sich bei so vielen Städtewechseln bezahlt gemacht. „Koffer und Taschen sind meine Symbole, da ich so unglaublich viel reise“, lacht Ferraresi. Es gefalle ihr aber, dass sie in jeden Bus oder Zug einsteigen und einfach losfahren könne.

Die Sprachen ein ständiger Begleiter

Neben Deutsch, Englisch und Französisch hat sie schon in der Schule vor allem die alten Sprachen gelernt. „Althebräisch zum Beispiel. Wenn ich die Zeit hätte, würde ich nichts anderes mehr machen als Sprachen zu lernen“, lächelt die Professorin. An der deutschen Sprache begeistert sie die Linearität und die Klarheit. „Mir gefällt es, dass ich die Sätze so bauen kann, wie ich will und meine Gedanken damit strukturieren kann“, erklärt sie. Die Schwerpunkte ihrer Forschung liegen bei der Syntax des Deutschen, dem Deutschen als Fremdsprache sowie bei der Mehrsprachigkeit und dem Sprachkontakt. Die Verbindung ihrer Forschungsgebiete ist ihr sehr wichtig.

„Es ist toll, in Bamberg etwas aufbauen zu können und vor allem praxisorientiert zu arbeiten“, berichtet Ferraresi. Zurzeit plant sie ein Projekt zum Erwerb der Phonologie bei erwachsenen Deutschlernern insbesondere aus ostasiatischen Ländern. Die Ergebnisse sollen auch dazu dienen, die phonologische Kompetenz dieser Lerner zu verbessern.

Ein langer Weg nach Bamberg

Während ihrer Schulzeit begann Ferraresi, sich für die Melancholie in der deutschen Literatur zu begeistern. Sie las gerne Bücher von Schriftstellern wie Christa Wolf oder Heinrich Böll. „Ich war damit die Lieblingsschülerin meiner Deutschlehrerin“, sagt sie grinsend. Heute liest sie neben der Fachliteratur jede Woche den Spiegel oder auch historische Romane und Krimis zur Entspannung.  

„Bamberg und die Umgebung gefallen mir so gut, es ist wie ein Stück italienische Heimat mit dem Wasser und den Brücken“, beschreibt Ferraresi und schwärmt besonders für Klein-Venedig. „Aber auch die Arbeit am Institut sowie die netten Kolleginnen und Kollegen haben mich überzeugt, in naher Zukunft erst einmal auf das viele Pendeln zu verzichten.“ So bald wie möglich will ihre Familie nach Bamberg umziehen. Mit dem Fach Deutsch als Fremdsprache schließt sich der Kreis: Gisella Ferraresi hat es zu Beginn ihrer Schulzeit gewählt und schon als Studentin in ihrer ehemaligen Schule unterrichtet. Nach vielen Reisen und Umzügen bleibt die Professorin nun für Deutsch als Fremdsprache in Bamberg.

Antrittsvorlesung

Am Donnerstag, den 5. Juli 2012, findet um 18.15 Uhr im Gebäude An der Universität 5, Raum 122 die Antrittsvorlesung von Gisella Ferraresi statt. Sie wird über Deutsch als fremde Sprache – deutsche Sprache in der Fremde sprechen.