Hochkarätige Gäste aus internationalen Unternehmen und der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit Weise diskutierten ...

... auf einer Podiumsdiskussion, die von Professor Becker organisiert und moderiert wurde, zum Thema „Einsteigen und Aufsteigen – bin ich schon fit?" (Bilder: Monica Fröhlich).

- Monica Fröhlich

Für etwas stehen

Podiumsdiskussion mit Vertretern aus internationalen Unternehmen

Die Verunsicherung ist groß: Was bringen die neuen Studiengänge? Werden sie den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht? Welche Absolventen braucht die Wirtschaft? Univ.-Professor Dr. Dr. habil. Wolfgang Becker diskutierte diese Fragen mit hochrangigen Gästen aus internationalen Unternehmen und Arbeitsmarktspezialisten im Rahmen der Bamberger Career Days.

„Einsteigen und Aufsteigen – bin ich schon fit?“ Diese Frage stellte eine Podiumsdiskussion zum Auftakt der Career Days. Unter der Leitung von Univ.-Professor Dr. Dr. habil. Wolfgang Becker vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensführung und Controlling, ging es am 11. November um moderne universitäre Studiengänge und die Anforderungen, welche die Arbeitswirklichkeit internationaler Großunternehmen stellt. 

Ob adidas, Bayer oder SAP – die Eingangsstatements der Diskutanten, die in ihren Unternehmen mit Fragen des Personalrecruitments vertraut und beschäftigt sind, waren einhellig. Alle rieten den Studierenden, sich zu aller erst über sich selbst und den gewünschten Weg klar zu werden. „Was will ich eigentlich? Was will ich bewegen?“ Auch für Dr. Christof Schimank, Vorstandsmitglied der Unternehmensberatung Horváth & Partners, ist der innere Antrieb das ausschlaggebende Moment. Andreas Lämmlein, Head of HR Emerging Employees, Global Human Resources der adidas AG, betonte die Leidenschaft als Motor. Es gelte jedoch weiter, eine Strategie zu entwickeln und die nötigen Schritte zum Ziel gut zu planen. Doch woher soll man wissen, was man will? „Sammeln Sie Erfahrungen, probieren Sie sich aus!“ riet Cornelia Gorski, Global HR Business Partner im Pharma-Unternehmen Bayer Animal Health GmbH. „Wichtig ist das Zusätzliche“, betonte auch Christine Keiner, Director Recruitment bei SAP. Dr. h.c. Frank-Jürgen Weise, Vorsitzender des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit, warnte hingegen davor, allzu perfekt sein zu wollen und alle möglichen Zusatzqualifikationen zu sammeln. Viel wichtiger sei es, für etwas zu stehen. Die meisten praktischen Erfahrungen kämen später im Job automatisch hinzu. Was in dieser Eingangsrunde etwas redundant klingt, ist keineswegs banal: Nichts ist wichtiger als das Kompetenzprofil im Ganzen.

Eine Idee zum Leben erwecken

Cornelia Gorski zeigte an einem Beispiel aus der Praxis, dass die so genannten Zusatzkompetenzen alles andere als leeren Begriffshülsen in der Bewerbersprache sind. Man müsse sich das so vorstellen: Internationale Teams kommen kurzfristig zusammen, um gemeinsam ein Problem zu lösen. Diese sehr unterschiedlichen Spezialisten aus verschiedenen Ländern und Kontexten zusammenzubringen sei aufwendig und zugleich kostspielig, es gelte keine Zeit zu verlieren und präzise und zielgerichtet ein Ziel zu planen und zu erreichen, eine Idee zum Leben zu erwecken. Darauf zum Beispiel zielen die Schlagworte Kommunikationsfähigkeit und Teamfähigkeit ab, die man so häufig in Stellenanzeigen lese. Diese Zusammenarbeit lasse sich durchaus trainieren. Gorski sah hier auch die Universität in der Pflicht, den Studierenden Möglichkeiten zu bieten, diese Fähigkeiten zu entwickeln.

Leidenschaft, Strategie, Kompetenzen – dafür ist jeder selbst verantwortlich. Doch wie sieht es mit dem akademischen Kompetenzprofil der Absolventen aus? „Wird der neue Bachelorstudiengang von internationalen Unternehmen als vollwertig anerkannt?“ provozierte der Veranstalter und Moderator Professor Becker seine Gäste gleich zu Beginn. Ja, auf jeden Fall, waren sich die Diskutanten einig. Auch wenn man nach so kurzer Zeit noch keine endgültigen Aussagen treffen könne. Wichtiger als der Abschluss bleibe ohnehin nach wie vor das persönliche Profil.

Ob denn Masterabsolventen nicht grundsätzlich besser geeignet seien für die Arbeit in internationalen Unternehmen? Auf die bohrende Frage des Moderators, der an dieser Stelle keinen Hehl aus seiner universitären Perspektive machte, antworteten die Gäste aus der Wirtschaft eher zurückhaltend. In global agierenden Unternehmen schaue man weniger auf die Abschlüsse, war die einhellige Meinung. Das könne man sich angesichts der Unterschiedlichkeit der internationalen Bildungswege und Abschlüsse gar nicht erlauben. Viel wichtiger sei, dass das Profil mit der angestrebten Position übereinstimme, je nach Position könne ein Master sinnvoll sein, möglicherweise auch ein Master of Business Administration. Eine generelle Voraussetzung für bestimmte Positionen seien bestimmte Abschlüsse nicht.

Promotion ohne Folgen?

Gleiches gilt auch für die Promotion, der Dr. Schimank zwar einen relativ hohen Stellenwert für die Unternehmensberatung und den Dienstleistungssektor einräumte. Er warnte jedoch vor dem Umkehrschluss: Der Karriereweg sei definitiv vom Titel unabhängig. Auch bei adidas verdient ein Promovierter nicht zwangsläufig mehr Geld. Ein Doktortitel habe in diesem Zusammenhang nicht als solcher seinen Wert. Die Frage nach dem Stellenwert der Promotion ist aber natürlich auch branchenabhängig. Diejenigen Kompetenzen, die man mit einer Promotion unter Beweis stelle, seien in bestimmten Branchen mehr gefragt als in anderen, grenzte Gorski beispielsweise die Pharma-Branche von anderen Bereichen ab. Weise betonte, dass es auch bei der Entscheidung zu promovieren um Leidenschaft gehen müsse, nicht um Kalkulation. „Das Schöne an der Wirtschaft und ihren Karrierewegen sind die Entfaltungsmöglichkeiten. Potenziale können auf vielfältige Weise genutzt werden, Zwangsläufigkeiten hingegen gibt es nicht.“

Wenn dem so ist und die Promotion letztlich keinen besonderen Stellenwert in wirtschaftlichen Karrieren einnimmt – was hätte das für Konsequenzen für die Universitäten. „Bluten nicht die Unis aus, wenn alle in die Praxis gehen?“ wollte Becker wissen. So könne man das nicht sehen, fanden die Kontrahenten aus der Praxis. Unternehmen unterstützen Promotionen, gewähren Freiräume, Horvath & Partners beispielsweise beteiligt sich zum Teil an der Finanzierung von Promotionen der Mitarbeiter. Umgekehrt sei es oftmals schwierig, die geeigneten Betreuer für Promotionsprojekte in den Fachbereichen zu finden, spielte Schimank den Ball zurück.

Gestaltung ist auch Macht

Das Thema „Frauen in Führungspositionen“ war Professor Becker ein besonderes Anliegen. „Haben Frauen weniger Machtbewusstsein?“ fragte er in die Runde. Auf den ersten Blick mag es so scheinen. Christine Keiner berichtete von SAP: „30 Prozent Bewerberinnen, 30 Prozent Neueinsteigerinnen – aber nur knapp 19 Prozent Frauen im engeren Führungskreis. Es gibt also noch Bedarf.“

Die Diskussion fiel jedoch differenzierter aus. So wurde unter anderem deutlich: Die Rede von den „Führungspositionen“ ist zum Teil auch irreführend. Neben Führungspersonen brauche man beispielsweise Experten. Ganz wichtig sind für Gorski auch die Projektleiter. Die unterschiedlichen Laufbahnen verlaufen parallel, sie haben nicht alle zwangsläufig mit Führung zu tun. Für Frauen bieten sich in den anderen Laufbahnen bessere Entfaltungsmöglichkeiten, das habe oftmals gar nichts mit Machtstreben zu tun.

Gorski machte für das bestehende Ungleichgewicht auch die geringer ausgeprägte Fähigkeit der Frauen verantwortlich, ihren Willen zu artikulieren: „Frauen müssen besser darin werden, klarer zu sagen, was sie wollen. Und schneller!“ Ihrer Ansicht nach müssen sie viel stärker mitgestalten. „Gestaltung ist auch Macht.“ Bei Bayer werden daher spezielle Trainingsmaßnahmen für Frauen angeboten.

Das ist auch andernorts so, jedenfalls in den internationalen Unternehmen, die es sich nach eigener Aussage gar nicht leisten können, auf die Fähigkeiten von Frauen zu verzichten. Dr. Weise zeigte sich zuversichtlich, dass zumindest in großen Unternehmen mehr und mehr dafür getan wird, die strukturelle Ungleichheit von Männern und Frauen auszugleichen. Dass das Problem nicht ausschließlich im Unternehmen liegt und von dort aus zu bewältigen ist, machte Gorski abschließend deutlich: Zu einem erfolgreichen Arbeitsleben gehöre nämlich auch ein Partner, der diesen Weg mitgehe. Und da hätten die Männer noch einiges zu lernen.