Die Beziehung zwischen dem Dichter Georg Trakl und seiner Schwester Grete ist das Hauptmotiv des Romans "Alle Wasser fließen ins Meer" (Bild: Coverausschnitt, Klett-Cotta-Verlag).

Der Nachwuchsautor Martin Beyer las aus seinem Buch ... (Bilder: Andreas Christ)

... und kam mit den zahlreichen Besuchern ins Gespräch über Trakl und das Schreiben im Allgemeinen.

- Matthias Schönhofer

Es „trakelte“

Der Bamberger Germanistik-Dozent Martin Beyer gab eine Lesung zu seinem ersten Roman

In heimeliger Wohnzimmer-Atmosphäre gab Dr. Martin Beyer in den Haas-Sälen Kostproben aus seinem ersten Roman Alle Wasser laufen ins Meer. Umrahmt wurde die Veranstaltung von Kunst-Installationen, dem Duo Silbenmusik und einem DJ.

Salzburg 1906: „‚Gibst mir einen Schluck?’ Ohne auf seine Antwort zu warten, griff sie die Flasche. Georg war zu müde, um sie davon abzuhalten. ‚Das ist ja widerlich!’ ‚Ein ehrlicher Roter ist nie widerlich. Und seinen Zweck erfüllt er allemal.’“ Mit einem dialogischen Kapitel zwischen Grete und Georg Trakl beginnt Martin Beyers Roman und auch seine Lesung im Rahmen der Reihe „Literatur in der Universität“ am 12. Mai. Es liegt was in der Luft zwischen den beiden, und wüsste man nicht, dass hier zwei Geschwister miteinander schäkern, sprechen und scherzen, man würde als Zuhörer wohl einen ganz anderen Ausgang der intimen Szene erwarten. Wie auch hier gelingt es Beyer immer wieder, solch schwierige Szenen stimmig einzufangen, und das innige Verhältnis zwischen Grete und Georg nachfühlbar zu versprachlichen. Ein besonderer Ton durchzieht von Anfang an das Buch und man freute sich auch beim Hören, dass da ein junger Autor zu seiner Stimme – im doppelten Sinn – gefunden hat. Auf Stühlen und zum Teil auf dem Kanapee verfolgten die Zuschauer in den bis auf den letzten Platz gefüllten Haas-Sälen Auszüge aus den ersten Kapiteln, die wohl nicht wenigen Appetit auf die Gesamtlektüre machten.

Literatur darf (eben doch) alles

Was ist das Faszinierende am Erstlingswerk von Martin Beyer? Prof. Dr. Friedhelm Marx, Dekan der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften, hatte in seiner Laudatio schon einiges genannt. „Der Roman ist gleichzeitig gründlich recherchiert und offen gegenüber der Biographie Trakls“, betonte er. „Dort, wo die Literaturwissenschaft den Schriftsteller Trakl pathologisiert, Krankheitsbilder nachzeichnet und das Bild damit als abgeschlossen betrachtet, lässt Beyer dankenswerterweise alle Fragen offen.“ Dass dies durchaus kontrovers ist und nicht überall verstanden wird, zeigte sich jüngst in einer F.A.Z.-Rezension von Beate Tröger. Nichts weniger als der biographischen Wahrheit wähnt man sich hier auf der Spur, wenn vor dem Mythos gewarnt wird, dem Beyer in seiner literarischen Aufarbeitung angeblich erliegt. "Rollende Weinflaschen" und "Opium-Zigaretten" sind die Kronzeugen der Kritik aus Frankfurt, die vollkommen verkennt, was sich jenseits der klischeehaften Grundausstattung der Bohème im Roman so tut.

Geschickt nutzt Beyer Grete und Georg Trakls Geschichte, um Probleme des eigenen Schreibens widerzuspiegeln: Versagensängste, die Chance des Scheiterns, der Selbstvergleich mit der übermächtigen Literatur-Geschichte. All dies ist in das feinmaschige Gewebe des Romans eingebracht, wie auch Marx anhand einer Passage demonstrierte. Der Text Beyers wird so zu seinem eigenen Kommentar, zu einer Reflexion über die menschlichen Bedingungen des Schreibens. Und was kann man mehr erwarten, um Trakl von seinem Mythos zu befreien und wieder zu dem zu machen, was er war: ein schreibender, von Angst und Selbstzweifeln geplagter Mensch.

Rahmenprogramm in Personalunion

Nach der Lesung trat das Duo "Silben-Musik" auf die Bühne, bestehend aus Gerald Kubik und wiederum Martin Beyer, der im Vorfeld schon "gewarnt" hatte, vom Rahmenprogramm keine personellen Veränderungen zu erwarten. Vertonte Lyrik von Georg Trakl hatten die beiden mitgebracht, Beyer rezitierte, Kubik begleitete ihn an der Akustik-Gitarre. Angesichts von Titeln wie "Untergang" und "Verfall" hätte der Abend hier leicht ins Schwermütige abdriften können, aber es gelang den beiden, was auch Beyers Roman auszeichnet: die "schwere Kost" von Trakls Leben und Lyrik beschwingt-leicht aufzubereiten und dennoch vollkommen ernst zu nehmen.

Nach Ende des literarischen Teils des Abends stand den Besuchern noch offen, die Kunst-Installationen von Jan Burmester im Eingangsbereich der Haas-Säle zu diskutieren, der Musik von DJ Platte zu lauschen oder mit den beteiligten Künstlern ins Gespräch zu kommen.

Wer sich näher zu Martin Beyer informieren möchte, kann dies hier tun:

http://www.hinter-den-tueren.de/