Wie kam die Kuppel in die Moschee?

Lorenz Korn erhält „Opus Magnum“-Förderung für islamwissenschaftlich-kunsthistorisches Werk

Die 2018 eröffnete Zentralmoschee Köln beweist, dass eine Kuppel ein typisches Merkmal für eine Moschee ist. Das war nicht immer so: „Vor rund tausend Jahren gab es einen Umbruch in der Moscheearchitektur“, erläutert Dr. Lorenz Korn, Professor für Islamische Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Bamberg. „Anstelle von Pfeilerhallen mit flachem Dach wurden in Zentral- und Westiran Kuppelsäle errichtet, später breitete sich dieser Bautyp im Vorderen Orient aus.“ Warum die Kuppel in die Moschee kam, ist umstritten. Nun fasst Lorenz Korn seine Forschungen darüber in einer Monographie zusammen, die von der Förderinitiative „Opus Magnum“ der VolkswagenStiftung ermöglicht wird. Das Besondere an seiner Arbeit ist, dass sie die erhaltenen Moscheebauten des 11. und 12. Jahrhunderts in Iran insgesamt betrachtet und die Frage nach dem Warum aus der Außenperspektive klärt. Bis August 2019 stellt er die Monographie fertig.

Erklärungsansätze für die Kuppel

„Die Gebetsnische ist der vornehmste Platz innerhalb der Moschee und war schon im 8. Jahrhundert mit architektonischen Mitteln betont, zu denen auch die Kuppel gehörte“, führt Lorenz Korn aus. Vor der Gebetsnische, die sich im Gebetsraum der Moschee befindet, knien alle Gemeindemitglieder in Reihen nieder und beten in Richtung Mekka. „In den ersten Jahrhunderten nach der Entstehung des Islam waren die meisten Moscheen in Form von Pfeilerhallen gebaut, die für den festgelegten Gebetsritus praktisch waren“, so Lorenz Korn. Die Gebäude waren relativ flach, das Dach wurde von Pfeilern oder Säulen gestützt, zwischen denen sich die Gläubigen in gleichmäßigen Reihen verteilen konnten. „Kuppeln gelten seit der Antike als hoheitliches Symbol, aber die Kuppeln in den frühen Moscheen waren nicht sehr dominierend.“ Ab dem 11. Jahrhundert erbauten Iraner neue Moscheen mit großen Kuppeln und passten bereits bestehende Moscheen dieser Bauweise an. Innerhalb des Gebäudes entstand ein Zentralbereich unter der Kuppel.

Warum kam diese Bauweise in Mode, wenn dafür keine praktischen Gründe sprechen? Eine bereits vorhandene Erklärung besagt zum Beispiel: Der Kuppelsaal betont den wichtigen Teil der Moschee – die Gebetsnische. Idealerweise diente sie als architektonischer Rahmen für den Kalifen als politisches und religiöses Oberhaupt der Gemeinde. Lorenz Korn findet, dass die Erklärung plausibel ist, aber nicht die einzige sein kann. Er forscht aus kulturwissenschaftlicher Perspektive und nennt beispielhaft einen weiteren Erklärungsansatz: „Damals spitzte sich die Trennung zwischen Sunniten und Schiiten in manchen Bereichen zu. Möglicherweise wandte sich die Aufmerksamkeit von Bauherren und Stiftern deshalb verstärkt den großen Moscheen in den Städten zu, die die gesamte muslimische Gemeinde symbolisierten, über die Konfessionen hinweg. Die Kuppel wurde dafür als angemessener Ausdruck empfunden.“

„Opus Magnum“-Initiative fördert das Projekt

In erster Linie dienen 16 erhaltene Kuppelmoscheen aus damaliger Zeit als Grundlage für die Monographie, die unter anderem exakte Planzeichnungen und erstmals gelesene Inschriften enthalten wird. Lorenz Korn hat einige dieser Bauten sehr gründlich untersucht und archäologische Ausgrabungen vorgenommen. Für seine grundlegende Darstellung und Interpretation verwendet er außerdem schriftliche Quellen wie Chroniken. Dank seines Vertretungsprofessors Dr. Ralph Bodenstein kann sich der Forscher ein Jahr lang auf das Schreiben konzentrieren. Die VolkswagenStiftung finanziert diesen Zeitraum mit 100.000 Euro in der Initiative „Opus Magnum“, die geistes-, kultur- und gesellschaftswissenschaftliche Forschungen fördert. Voraussetzung ist laut der Stiftung ein grundlegendes wissenschaftliches Werk, „das auf Grund seiner besonderen Qualität, Originalität und Ausstrahlungskraft über die Bedeutung eines regulären fachwissenschaftlichen Buches hinausgeht.“ Die Stiftung erwartet, dass der Text des Werks nach dem Förderzeitraum vorliegt – in Lorenz Korns Fall im August 2019. Mit der Architektur der gleichen Epoche beschäftigt sich anschließend eine Forschergruppe an seiner Professur im Projekt „Stuck und Fliesen. Archäometrische und kunsthistorische Perspektiven zum Baudekor in Iran vom 11. bis 14. Jahrhundert“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert es mit etwa 700.000 Euro.

Kurzbiografie

Lorenz Korn studierte Islamwissenschaft, Kunstgeschichte und Politikwissenschaft an der Universität Tübingen, Islamic Art and Archaeology an der Universität Oxford. Promoviert wurde er 1999 an der Universität Tübingen. Im selben Jahr begann er an der Harvard-Universität mit Forschungen zur iranischen Architektur im 11. und 12. Jahrhundert. Im Wintersemester 2003/2004 wurde er zum Professor für Islamische Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Bamberg ernannt. Mittlerweile hat er mehrere Feldforschungen zur Moscheearchitektur in Iran durchgeführt, die er als Grundlage für seine Monographie „Seldschukische Kuppelmoscheen in Iran“ verwendet. Weitere Forschungen gelten unter anderem dem Gebrauch von Schrift und Bild in islamischen Kulturen, der Architektur und Stadtentwicklung in Zentralasien und der Kunst des islamischen al-Andalus in Spanien.

Weitere Informationen unter: www.uni-bamberg.de/islamart/forschung/projekte-aktuell 

Bild „Damghan_Moschee“(1.2 MB): Pfeilerhallen sind charakteristisch für die Moschee in der iranischen Stadt Damghan, die auf das 9. bis 10. Jahrhundert datiert wird.
Quelle: Lorenz Korn/Universität Bamberg

Bild „Ardistan_Moschee“(3.4 MB): Die Freitagsmoschee von Ardistan in Iran wurde um 1160 um einen Kuppelraum erweitert.
Quelle: Lorenz Korn/Universität Bamberg

Bild „Korn_Bodenstein“(3.7 MB): Lorenz Korn (li.) freut sich, dass Ralph Bodenstein seine Professur an der Universität Bamberg vertritt.
Quelle: Anja Heidenreich/Universität Bamberg

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