Die "Geschichte der Rosa Winkelmann" (1999) ist eines der ausgestellten Kunstwerke von Dietmar Pfister.

Rolf-Bernhard Essig während seiner Lesung „Bücher. Kriege. Menschen“ (Bilder: Stefanie Schleicher).

- Stefanie Schleicher

Buchleichen in der Universitätsbibliothek

Eröffnung der Ausstellung "Buchobjekte" in der Teilbibliothek 4

„Schließfachliteratur“ in einer Vitrine und die „Geschichte der Rosa Winkelmann“ ganz ohne einen einzigen Buchstaben bietet die Universitätsbibliothek mit der Ausstellung „Buchobjekte“ des Nürnberger Künstlers Dietmar Pfister. Rolf-Bernhard Essig warnte die bibliophilen Besucher bei der Eröffnung vor allzu schwachen Nerven beim Anblick der Kunstobjekte.

Bücher als Opfer der Menschen

Essig verwies zunächst auf den ersten Bibliotheksgründer, der seinen Bestand durch Plünderung und Raub stetig erweiterte und so das Buch zum Beuteobjekt degradierte. Heraklit ließ sich Bücher zur Abschrift bringen und gab dann Kopie statt Original zurück. Während der Französischen Revolution wurden die gebundenen Blätter gar als Schuhsohlen missbraucht und die Bücherverbrennungen im Dritten Reich schließlich dienen als schreckliches Beispiel dafür, wie viel Macht der Mensch den bedruckten Seiten beimaß. Da verwundert es nicht weiter, dass gerade Nationalbibliotheken als Zentren für Kultur der Zerstörung und Vernichtung zum Opfer gefallen sind.

Dabei stehen Bibliotheken sowieso vor der schwierigen Frage, wer oder was bei ihrer Arbeit in den Vordergrund zu stellen ist. Geht es denn eher um die Lagerung, den Aufbau und Schutz der Bücher oder ist der Zugang zu den Folianten und damit der Nutzer Hauptaugenmerk einer Bibliothek? Keine einfache Frage, wenn man bedenkt, dass die Leser den Büchern schlimmer zusetzen können als Feuer oder Wasser. Nicht umsonst wurden früher Flüche in die Buchtafeln geritzt, um selbige vor unachtsamen Konsumenten zu schützen. Noch heute zeugen traurige, geschändete Exemplare oder gar Buchnester mit eigener Signatur in der Universitätsbibliothek vom leidvollen Umgang mit den Büchern. Doch nicht immer geht das Buch als Leidtragender oder gar Leiche aus einer Auseinandersetzung mit dem Leser hervor.

Bücher schlagen zurück

Auf ihre ganz eigene Art wissen die bedruckten Seiten sich an ihren Rezipienten zu rächen. Der Bücherskorpion, der Bücherwurm und die Büchersporen sowie der Staub schädigen Bibliophile und deren Lungen nachhaltig. Doch nicht nur körperliche Schäden sind zu verzeichnen. Bücher halten Leser fest, lassen sie durch die Lesesucht zu Soziophoben werden und den Freitod erwägen. Wer zu viele Bücher sein eigen nennt, muss mit schlicht statischen Problemen rechnen, und wer Bücher schreibt, muss in Betracht ziehen, dass er von Kritikern und Kollegen verrissen und parodiert wird. So können letztlich sogar Bücher Bücher schädigen, was schon Jonathan Swift erkannt hat, der vom Schlachtengetümmel der modernen gegen die klassischen Bücher nachts in der königlichen Bibliothek berichtet. Die Kunstobjekte Pfisters nun seien laut Essig als eine Form der Metamorphose und Auferstehung  zu begreifen, vor denen man sich als Schaulustiger jedoch allemal in Acht nehmen sollte.

Kunst als Auftrag der Universitätsbibliothek

Dr. Fabian Franke, Leiter der Universitätsbibliothek, betonte, dass die Universitätsbibliothek zwar in erster Linie als Standort von Druckmaterialien zu verstehen sei, jedoch durchaus auch ihrem Auftrag als Lehr- und Lernort gerecht werden möchte. Umso erfreuter sei er nun, mit der Ausstellung „Buchobjekte“ die richtige Atmosphäre dafür schaffen zu können.
Im Rahmen der Aktionswoche „Deutschland liest. Treffpunkt Bibliothek“ sind in mehreren Vitrinen, die sich ganz selbstverständlich zwischen die Buchregale integrieren, die Kunstwerke Pfisters zu bewundern. Auf der einen Seite – wie bei der „Geschichte der Rosa Winkelmann“ – kommen seine Buchobjekte ganz ohne Worte aus, sind jedoch trotz allem wörtlich zu verstehen. Auf der anderen Seite weiß der Nürnberger Künstler mit Buchstaben zu spielen und so entsteht wie bei seinem 2008 gefertigten „AnagraMM“ ein ganz neuer Sinn dahinter. Ideenreichtum in wortspielerischer als auch gestalterischer Art zeichnen seine Buchobjekte aus, deren Bandbreite vom Gesetzbuch bis hin zum Roman von Donna Leon erstaunen lässt.

Weitere Informationen

Die Ausstellung in der Teilbibliothek 4 ist noch bis zum 23. Dezember zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 8.30 bis 21 Uhr und samstags von 10 bis 18 Uhr.