Richard Münch (li.) mit seiner ehemaligen Doktorandin und jetzigen Inhaberin des Lehrstuhls für Methoden der empirischen Sozialforschung an der TU Berlin, Nina Baur, die ebenfalls bei Laszlo Vaskovics (2. v. re.) und Gerhard Schulze (re.) promoviert hat. (Foto: Monica Fröhlich)

Nach Münchs Abschiedsvortrag... (Foto: Andrea Lösel)

... ernannte Godehard Ruppert ihn zum Emeritus of Exzellenz. (Foto: Monica Fröhlich)

Im Anschluss gab es allerhand Gelegenheit zum Plausch mit alten Weggefährten. (Foto: Andrea Lösel)

Eine kritische Stimme im Wissenschaftsbetrieb

Abschiedsvorlesung von Richard Münch

Die Abschiedsvorlesung von Prof. Dr. Richard Münch bot zweierlei: Umfassende Würdigung seines wissenschaftlichen und universitären Lebens durch Universitätsleitung und Kollegen auf der einen, einen kritischen Blick auf den Umbau des Wissenschaftssystems auf der anderen Seite. Bis auf den letzten Platz besetzt war der Hörsaal 137 in der Feldkirchenstraße.

Die Universitätsleitung war vollständig erschienen. Neben Studierenden und Doktoranden hatten sich aus Nah und Fern zahlreiche Weggefährten seiner wissenschaftlichen Laufbahn eingefunden. Hier wurde deutlich, dass mit Münch nicht nur eine Koryphäe auf seinem Gebiet, sondern auch ein vielgeschätzter Kollege seine Tätigkeit als Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie, insbesondere soziologische Theorie, beendete.

Den Auftakt der Festreden machte Dr. Jan-Hinrik Schmidt. Als Vorsitzender des Absolventenvereins der Bamberger Soziologie richtete er seinen Blick auf die Verdienste Münchs im Bereich der Lehre: „Sie haben sich um unseren Werdegang als Soziologen verdient gemacht, haben uns während unseres Studiums begleitet, haben uns Wissen und Fähigkeiten vermittelt, die uns auf dem Weg in unterschiedliche Berufsfelder sehr geholfen haben.“ Schmidt überreichte dem emeritierten Professor neben einer antiquarischen Ausgabe von Max Webers Schriften zur Religionssoziologie eine Flasche Cognac aus dem Jahr 1995: „Ein guter Jahrgang“ – In diesem Jahr trat Münch seine Professur in Bamberg an.

Beitrag zur Profilbildung der Bamberger Soziologie

In seiner Ansprache gab Prof. Dr. Olaf Struck, Dekan der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, einen Überblick über Münchs Werdegang. Nach seinem Studium der Soziologie, Philosophie und Psychologie promovierte Münch 1971 in Heidelberg und wurde bereits ein Jahr später in Augsburg habilitiert. Nach Stationen in Augsburg, Köln und Düsseldorf war er seit 1995 Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie II an der Universität Bamberg.

In Bamberg war Münch Sprecher des DFG-Graduiertenkollegs „Märkte und Sozialräume in Europa“ und damit auch ein wichtiger Motor für weitere Vorzeigeprojekte der Universität. „Das Graduiertenkolleg war ein essentieller Baustein für die von der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder geförderten Graduiertenschule BAGSS, für die die Expertise von Münch wichtig war“, so Struck. Neben seinen Verdiensten im Bereich der Soziologie betonte Struck Münchs universitäres Engagement, etwa als Senator und Dekan.

Ein kritischer Wissenschaftler

In den letzten Jahren verfasste Münch nicht weniger als drei Bücher über den universitären Wissenschafts- und Lehrbetrieb.  In diesen machte er sich als kritisch hinterfragende Stimme aktueller Umbauprozesse einen Namen. Kein Wunder, dass sich auch seine Abschiedsvorlesung unter dem Titel „Wissenschaft im Wettbewerb um Exzellenz. Vom homo academicus zum homo oeconomicus?“ diesem Thema widmete.

Münch bezog sich hierfür auf eine beeindruckende Vielzahl von selbst durchgeführten Studien, eigenen Monographien und Zeitschriftenaufsätzen, die teils in Zusammenarbeit mit C. Baier entstanden sind. In drei Schritten analysierte er Wandlungsprozesse im akademischen Umfeld.
Seine erster Erkenntnis: „Anstelle des individuellen Wettbewerbs ist im Verlauf der vergangenen Jahre nach und nach der institutionelle Wettbewerb getreten.“ Es zielen jetzt nicht mehr Forscher auf neue Erkenntnis, sondern Universitätsunternehmen auf Kapitalakkumulation.

Eine zweite Veränderung analysierte Münch unter dem Schlagwort der „Audit-Universität“: Zeichnete sich der Wissenschaftsbetrieb einst durch Vertrauen in Selbstregulierung und Autonomie der Forscher aus, so komme äußeren Faktoren mittlerweile große Bedeutung zu: „Qualitätssicherung geschieht nicht mehr intern, sondern extern durch Kennzahlen und Rankings. Das Vertrauensverhältnis hat sich zu einem Vertragsverhältnis umgewandelt.“

Strukturelle Abhängigkeit entsteht Münch zufolge zuletzt auch durch Drittmittel. „Drittmittel wirken sich auf die Forschungspraxis aus – an die Stelle von Einzelforschung treten strukturierte Forschungsverbünde.“ Münchs kritisches Fazit nach der Präsentation seiner Ergebnisse: „Die Prozesse münden in eine retardierte und enggeführte Wissensevolution.“

Beim bloßen Konstatieren der Entwicklungen blieb es nicht. Einige Verbesserungsvorschläge hatte Münch im Gepäck: Er empfahl den Rückbau der Drittmittelausstattung zugunsten einer festen Finanzierung und die Integration der außeruniversitären Forschung in die Universitäten. Außerdem plädierte er für amerikanische Department- statt deutscher Lehrstuhlstruktur und die Förderung von Einzelforschung und kleinen Forschergruppen.

Besondere Auszeichnung

Am Ende seines Vortrags wurde Münch von den gut 200 Zuhörern mit begeistertem Applaus verabschiedet. Und ein besonderes Schmankerl gab es obendrein. Der Präsident der Universität, Prof. Dr. Dr. habil. Godehard Ruppert, verlieh Münch den Titel „Emeritus of Excellence“. Dieser Titel ist besonders verdienten Professoren der Universität vorbehalten. Somit sei Münch nur „entpflichtet, nicht aber entrechtet“, erklärte Ruppert, und könne dem Bamberger Nachwuchs auch weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen sowie selbst wissenschaftlichen Tätigkeiten nachgehen. Das ist gewiss im Sinne Münchs, der zu Beginn der Abschiedsvorlesung konstatierte: „Als Wissenschaftler hört man nie auf, sich neue Fragen zu stellen.“

Hinweis

Diesen Text verfasste Andrea Lösel für die Pressestelle der Universität Bamberg. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.

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