Tabletten, Hirnstimulation, Trainingssoftware oder Sport sollen beim „Hirndoping“ die geistige Leistung steigern. (Foto: Andrea Damm / pixelio.de)

Die Diskussionsrunde setzte sich aus Ärzten und Psychologen, Theologen und Juristen, Politikwissenschaftlern und Ethikern zusammen

Sie waren sich einig: Neuroenhancement wirkt sich nicht notwendigerweise negativ auf das Ich und die Persönlichkeit aus.

Organisiert wurde die Podiumsdiskussion von der Sozialstiftung und der Professur für Physiologische Psychologie. (Foto: Sozialstiftung Bamberg, Ausschnitt aus dem Programm-Flyer)

- Janosch Priebe

„Das autonome Ich entscheidet selber“

Interdisziplinäre Podiumsdiskussion zum Thema „Hirndoping“

Ob via Tabletten, Hirnstimulation, Trainingssoftware oder Sport - Neuro-Enhancement, oft auch „Hirndoping“ genannt, hat das Ziel, die geistige Leistung zu steigern. In Zeiten der schnelllebigen und leistungsorientierten Gesellschaft soll das - gerade unter Studenten - ein Thema sein.
Doch welche Motive stecken eigentlich dahinter? Ist der Drang zur Leistungssteigerung verwerflich, und welche Zukunftsvisionen könnte man daraus ableiten? Prof. Dr. Peter Rieckmann (Chefarzt der Neurologischen Klinik, Sozialstiftung) und Prof. Dr. Stefan Lautenbacher (Professur für Physiologische Psychologie, Universität Bamberg) hatten am 23. Juni eine ausgewogene Diskussionsgruppe um Moderatorin Jeanne Turczynski (Bayerischer Rundfunk) versammelt, um sich dem Thema aus verschiedenen Perspektiven zu nähern.

Frage nach Fairness und Authentizität

Den Boden für den argumentativen Schlagabtausch legte Dr. Peter Reiner vom National Core for Neuroethics der Universität British Columbia in Canada in seinem Impulsreferat. Neuroenhancement, sei es durch Tabletten, Sport, Hirnstimulation oder Trainingssoftware, ist wirkungsvoll, so der Experte. Entscheidend seien aber die Fragen, die sich daraus ergäben, so Reiner: Etwa, ob es gerecht sei, Prüfungen mit dieser Hilfe zu absolvieren, oder ob eine Leistung dann noch als authentisch anzusehen sei. Reiner selbst bezeichnete die Steigerung bestimmter Funktionen, wie Gedächtnis, als sinnfrei und plädierte - wenn überhaupt - für die Steigerung der Selbstkontrolle.

Kontroverse Diskussion

„Ich gehöre zu denen, die eine generell ablehnende Attitüde bezüglich Neuroenhancement nicht teilen.“ Der Hamburger Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Reinhard Merkel machte seinen Standpunkt schon zu Beginn der folgenden Diskussion deutlich. Es gebe niemanden, der Goethe ankreide, dass „er war wie er war“, so Merkel. „Aber auch er hat Neuroenhancement betrieben, auf die Weisen, die damals möglich waren.“ Der Jurist machte aber auch klar, dass man „die Methode diskutieren kann“. In diese Kerbe schlug besonders die Neurologin Prof. Dr. Dr. Hannelore Ehrenreich vom Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin Göttingen: „Medikamente wirken bei Kranken anders als bei Gesunden“, sagte die Medizinerin zu der Thematik, dass beispielsweise stimulierende Medikamente, die etwa für die Behandlung von Kindern mit ADHS gedacht sind, beim Neuroenhancement zum Einsatz kämen.

Frage nach dem „Warum“ entscheidend

Der Ethiker Prof. Dr. Jens Clausen von der Universität Tübingen hielt die Frage nach der Methode der Leistungssteigerung für ethisch vernachlässigbar. „Die Frage ist vielmehr: Warum wollen wir das machen? Wollen wir, dass unsere Gesellschaft nur noch leistungsorientiert ist?“ Ähnlich sah das der Bamberger Erzbischof Prof. Dr. Ludwig Schick, der das Thema auch grundsätzlich „nicht zu hoch“ hängen wollte. Aus theologischer Sicht sei es vielmehr wichtiger, dass ein glückliches Leben nicht alleine aus dem Gehirn resultiere. Schick führte neben dem Gehirn auch den Körper, das Gemüt, sowie soziale Beziehungen und die Beziehung zur Transzendenz als Komponenten für ein glückliches Leben an.

Zukunftsvisionen

Dass Neuroenhancement ein immer bedeutenderes Thema wird, machte Reinhard Merkel klar: Das so genannte Brain-Computer-Interface (BCI), also eine Schnittstelle zwischen Hirn und Computer sei immer weiter im Kommen und könne direkt bestimmte Hirnareale unterstützen. Das US-Militär, so Merkel, forsche dahingehend, um so beispielsweise Kampfpiloten noch leistungsfähiger zu machen.

Das griff Moderatorin Turczynski auf und führte den übermüdeten Chirurgen an, der durch Neuroenhancement sicherer operieren könnte. Jens Clausen ließ das nicht gelten. „Ziel sollte es sein, dass der Chirurg genug schläft und vernünftige Schichten hat.“ Neuroenhancement bei Soldaten sah Clausen als wenig angemessenes Beispiel, wie auch Erzbischof Schick. Krieg sei „eine Ausnahmesituation“ (Clausen) und ein „Zustand, den es zu überwinden gilt“ (Schick).

Kein Problem des Ich

Relativ einig war sich die Runde, dass sich das Neuroenhancement nicht notwendigerweise negativ auf das Ich und die Persönlichkeit auswirke. Und am Ende war es wieder Reinhard Merkel, der die provokativste These vertrat. „Das autonome Ich entscheidet selber ob und wie es sich verändern will.“

Teilnehmer

Die Podiumsdiskussion war die Abschlussveranstaltung der 2. Bamberger Neurowoche der Sozialstiftung Bamberg. Die Diskussion wurde von den Professoren Stefan Lautenbacher (Physiologische Psychologie, Universität Bamberg) und Peter Rieckmann (Neurologische Klinik, Sozialstiftung Bamberg) veranstaltet. Unter der Moderation von Jeanne Turczynski (Bayerischer Rundfunk) diskutierten folgende Experten über das Thema: Der Bamberger Erzbischof Prof. Dr. Ludwig Schick, Prof. Dr. Dr. Hannelore Ehrenreich (Klinische Neurowissenschaften, Max-Plackc-Institut für Experimentelle Medizin Göttingen), Prof. Dr. Reinhard Merkel (Fakultät für Rechtswissenschaften, Universität Hamburg), Prof. Dr. Jens Clausen (Ethik der Medizin, Universität Tübingen), Dr. Johannes Haeffner (Institut für Erziehungswissenschaften, Diakon und Schulleiter der Fachakademie für Sozialpädagogik Rummelsberg), Prof. Dr. Jörg Wolstein (Psychologie, Universität Bamberg) und Prof. Dr. Reinhard Zintl (Politikwissenschaft, Universität Bamberg).