... Björn Baltzer, Sofya Malikova, Liudmila Häusser und Wolfgang Becker (v.l.n.r.)
Die Ähnlichkeit der Befragungsergebnisse ist auf den ersten Blick sichtbar (Grafik des Lehrstuhls für Unternehmensführung und Controlling)
Kooperationspartner ist die Moskauer Staatliche Technische N.E. Bauman-Universität (Quelle: Kobac/wikimedia/CC BY 3.0)
Forschung über Lehre
Controlling ist eine relativ junge universitäre Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre. Sie erforscht die betrieblichen Prozesse, die durch Steuerung und Koordination die Geschäftsführung dabei unterstützen, die Ziele eines Unternehmens bestmöglich zu erreichen. Der Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensführung und Controlling, hat nun erstmals umfangreiche Untersuchungen über die Lehrtätigkeit im eigenen Fach vorgelegt. Bisherige Studien analysierten nur Teilbereiche.
Russland als neuer räumlicher Fokus
Das Team des Bamberger Lehrstuhls beschritt dabei gleich in dreifacher Hinsicht Neuland: Erstmals befragten sie nicht nur Professoren an Universitäten, sondern auch an Fachhochschulen. Außerdem analysierten sie die Lehre für die Bachelorstudiengänge gesondert von Lehrtätigkeiten in Masterprogrammen. Auch die Untersuchungsräume waren etwas Besonderes: Die Bamberger befragten nicht nur deutsche Professoren an Hochschulen in Bayern und Baden-Württemberg, sondern auch russisches Hochschulpersonal. „Internationale Aspekte sind ein wichtiger Inhalt unserer Controlling-Lehre. Dabei stehen jedoch in der Regel die USA oder andere europäische Länder wie Frankreich oder Großbritannien im Fokus“, erklärte der wissenschaftliche Mitarbeiter und Projektleiter Björn Baltzer. Der Inhaber des Bamberger Lehrstuhls Prof. Dr. Wolfgang Becker orientierte sich darum in eine andere Richtung: Er initiierte ein kooperatives Forschungsprojekt zusammen mit Prof. Dr. Sergej Falko, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre und Organisation der Produktion an der renommierten Moskauer Staatlichen Technischen N.E. Bauman-Universität und Vorsitzender des russischen Controlling-Vereins.
„Eine kleine Welt“
Inhaltlich untersuchten die Wirtschaftswissenschaftler darin drei Fragen: Welche Themen behandeln die Professoren in den Lehrveranstaltungen? Welche Methoden verwenden sie in der Lehre? Und welche Stellung nimmt ihr Fach innerhalb der Betriebswirtschaftslehre ein? „In der vergleichenden Forschung existiert die These, Controlling spiele sich in einer kleinen Welt ab. Das bedeutet, dass unabhängig von konzeptionellen und theoretischen Unterschieden weltweit einheitliche Controlling-Instrumente verwendet werden“, so Baltzer. Die Studie habe dies bestätigt: In Deutschland wie in Russland wurden beispielsweise Budgetierung und Kostenrechnung als thematische Schwerpunkte mit am häufigsten genannt.
Auch bei der Vermittlung der Lehrinhalte gab es Gemeinsamkeiten. Das eigene Skript verwenden Dozenten sowohl in Russland als auch in den Bachelor- und Masterstudiengängen in Deutschland am liebsten. „Die Besonderheiten des Controlling im deutschsprachigen Raum spiegeln sich darin wider, dass nur wenig englischsprachige Lehrmaterialien verwendet werden“, sind sich Baltzer und seine Kollegin Liudmila Häusser einig.
Controlling an russischen Hochschulen noch lange nicht etabliert
Warum der Vergleich gerade mit Russland so spannend war, erklärt Wolfgang Becker, der bereits kurz nach der Wende Controlling-Kurse für russische Führungskräfte leitete: Während sich die betriebswirtschaftliche Teildisziplin bereits seit Mitte der 1970er Jahre an deutschen Hochschulen entwickelte, beschäftigten sich russische Wirtschaftswissenschaftler erst nach dem politischen und wirtschaftlichen Umbruch Ende der 1980er Jahre damit. Diese Zeitverzögerung mache einen Vergleich beider Länder insbesondere aus russischer Sicht interessant, da dort das Fach Controlling an den Hochschulen noch lange nicht etabliert sei.
„Ob sich die deutschen und russischen Hochschulen tatsächlich gleich entwickeln, ist angesichts der Größe und Heterogenität Russlands eine schwierige Frage. Ich vermute aber, dass wir zumindest an den renommierten Universitäten Gemeinsamkeiten beobachten werden“, so Becker. Auch sein Kooperationspartner Sergej Falko verspricht sich neue hilfreiche Erkenntnisse für die Veränderung seines Lehrprogramms: „Bis jetzt haben die russische und die deutsche Hochschulausbildung viele Gemeinsamkeiten, was lange historische Wurzeln hat. Seit dem Jahr 2011 werden die Studiengänge in Russland auch auf das in Europa übliche zweistufige System Bachelor und Master umgestellt.“ Hier könne man von den deutschen Erfahrungen profitieren.
Hochschularbeit in Russland ist schlecht bezahlt
Dr. Sofya Malikova, eine Habilitandin des Moskauer Lehrstuhls, forschte und lehrte 2011 als DAAD-Stipendiatin am Bamberger Lehrstuhl. Sie sieht große Ähnlichkeit zwischen ihrer Arbeit als Dozentin in Deutschland und in Russland. Den größten Unterschied mache die Lehrstuhlbesetzung aus: „In Russland arbeiten mehr Dozenten und Professoren an einem einzelnen Lehrstuhl, dafür gibt es nicht so viele Assistenten wie an deutschen Lehrstühlen. Den wichtigsten und größten Anteil bei der Vorbereitung der Lehrmaterialien erledigen deswegen oft die Dozenten und Professoren selbst.“ Die Hochschularbeit sei leider sehr schlecht bezahlt, weswegen viele junge Forscher nicht lange an der Universität bleiben. Wer bleibt, müsse oft an mehreren Hochschulen gleichzeitig arbeiten, erzählt die russische Wissenschaftlerin. In Bamberg fand Malikova den Virtuellen Campus besonders vorbildlich. „Viele russische Universitäten wollen so eine Online-Plattform einrichten, um den Studierenden aktuelle Informationen weiterzugeben.“ Auch die Bamberger Bibliothek wusste die Dozentin während ihres Aufenthalts hier zu schätzen, insbesondere die langen Öffnungszeiten und den Zugriff auf E-Books im Volltext.
Grundlage für moderne Managementpraxis
Der internationale Vergleich lief so zufriedenstellend, dass das Forschungsprojekt weiter fortgeführt und ausgeweitet wird, aktuell mit einer Befragung in der Ukraine. In einer Dissertation soll außerdem Controlling im russischen Mittelstand untersucht werden, verriet Becker. Auch könne er sich vorstellen, mit Hochschulen in anderen Ländern – in der Schweiz, in Österreich und Italien – Forschungsarbeiten über dieses Thema durchzuführen. „In Russland zumindest ebnen solche Studien den Weg für eine modernisierte Betriebswirtschaftslehre in der Hochschule und vor allem für ein insgesamt modernes Management in der Wirtschaftspraxis“, ist sich der Professor sicher.
Weitere Informationen
Detaillierte Forschungsergebnisse finden Sie auf den Internetseiten des Lehrstuhls
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Wolfgang Becker
ufc(at)uni-bamberg.de
Tel.: 0951 863 2507



