Seit 2009 Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte, insbesondere Mittelalterliche Kunstgeschichte: Stephan Albrecht (Foto: Lehrstuhl für Kunstgeschichte)

Besonders wichtig: Den Praxisbezug immer …

…im Auge halten: Stephan Albrecht 2010 mit Studierenden auf Frankreichexkursion (Quelle: Lehrstuhl für Kunstgeschichte/Diathek)

Der Weltenbummler: „Verreisen ist das Tollste, aber in Bamberg ist das Zurückkommen auch schön“ (Lehrstuhl für Kunstgeschichte/Diathek)

- Martin Habermeyer

Vom Reisen und Zurückkehren

Porträt über den Kunsthistoriker Stephan Albrecht

Prächtig entfaltet sich vor unseren Augen das romantisch-idyllische Ensemble aus Barockdächern und Dombau, als wäre es ein überdimensionales Bildbandcover: Die Aussicht könnte nicht besser zu meinem Interview-Partner, dem Kunsthistoriker Prof. Dr. Stephan Albrecht, passen: „Ich mag die heile Welt, wahrscheinlich gefällt mir deswegen Bamberg so gut“, erklärt er lachend. Die Novembersonne beleuchtet die Altstadt vor seinem Bürofenster im Hochzeitshaus, fällt ins Zimmer und auf die Bücherregale, vor denen wir mit unseren Kaffeetassen in bequemen Sesseln sitzen. Die Regale stehen voll mit dicken und dünnen Bänden, Akten und Manuskripten, die über das berichten, was für den Professor Beruf und Berufung ist: Kunst und Architektur vom Mittelalter bis zum Barock.

Stephan Albrechts Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen Stadtbaugeschichte und mittelalterliche Skulptur und Architektur. Spannend findet er auch das „zeitlich bedingte Rezeptionsverhalten“, also wie der mittelalterliche Mensch Kunst im Unterschied zum modernen Menschen wahrgenommen hat: „Das bringt noch mal einen großen Schritt für das Verständnis mittelalterlicher Kunst und eine ganz neue Perspektive auf die eigene Umwelt.“ Seit dem Sommersemester 2009 ist Albrecht an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte I, insbesondere für mittelalterliche Kunstgeschichte.

Von Kiel quer durch Europa – und wieder zurück

„Ich lerne gern und fand schon die Schule als sozialen Ort spannend. Da kam es für mich gar nicht infrage, nicht zu studieren“, so Stephan Albrecht darüber, ob er auch eine Alternative zum Studium gesehen hätte. Wie für viele Abiturientinnen und Abiturienten war es jedoch auch für den gebürtigen Schleswiger zunächst unklar, in welche Richtung das Studium gehen sollte. „Hauptsache studieren“ hieß damals die Devise. So begann Albrecht ein Mathematikstudium in Kiel und verfolgte die Kunst als Hobby ohne ernsthafte berufliche Ziele. „Aber dann bin ich zufällig in einer Vorlesung über romanische Architektur in Burgund gelandet. Das hat mich so vom Hocker gerissen, dass ich dabei geblieben bin.“

Danach zog es ihn bald fort aus dem Norden, quer durch Deutschland und durch die Nachbarstaaten, um neue Perspektiven zu bekommen und möglichst viel zu erfahren: „Die Begeisterung für die Sache war für mich der Grund, Kunstgeschichte zu studieren; da musste man mich nicht zusätzlich motivieren. Im Gegenteil: Ich habe die Vorlesungsverzeichnisse in Deutschland nach Themen durchgesehen, die mich interessieren und da bin ich dann hingezogen.“ Insgesamt sieben Mal hat er seine Umzugskisten gepackt. Zwischen 1983 und 1991 studierte Stephan Albrecht Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Kirchengeschichte unter anderem in Kiel, Wien, Berlin, Freiburg im Breisgau und Leiden in den Niederlanden. „Die Studierenden sollen die Unis wechseln; aber sie sollen auch wieder gerne an ihre Heimatuniversität zurückkommen“, wünscht Albrecht, der für seine Promotion nach Kiel zurückkehrte, der heutigen Studentengeneration.

Für Lehraufträge unter anderem in Stuttgart, Hildesheim, Tübingen oder Bern war Albrecht auch in der wissenschaftlichen Laufbahn immer auf Reisen. Zwischendurch nahm er sich aber immer Zeit für seinen Lieblingssport Fußball. In Rom, als Albrecht als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bibliotheca Hertziana beschäftigt war, spielte er in der Fußballmannschaft Hertzattacke.

„Eine abstrakte Zahl, die nichts über das Können aussagt“

 „Ich habe die Freiheit im Studium genossen, aber für manche Menschen ist es schwer, damit umzugehen. Zu meiner Zeit gab es unheimlich viele Studienabbrecher, das passiert im Bachelor-System heute weniger“, erklärt Albrecht. Paradoxerweise sei gerade der Studienortswechsel durch den Bolognaprozess erschwert worden, obwohl doch eigentlich die Vergleichbarkeit hätte gesteigert werden sollen. Das neue Studiensystem eigne sich zwar für einen Großteil der Studierenden, für den Individualisten sei es jedoch nicht optimal, da es zu sehr in die Breite und weniger in die Tiefe gehe. Zudem erlaube die Endnote keine Einsicht in die eigentlichen Lernprozesse während des Studiums: „Das ist eine abstrakte Zahl, die nichts über das Können aussagt“, so der Kunsthistoriker.

„Durch die Stadtgeschichte laufen, vom Mittelalter bis zur Barockzeit“

Gerade für ein Fach wie Kunstgeschichte, in dem die späteren Berufsaussichten im Vergleich zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen schwieriger ausfallen, schätzt Stephan Albrecht daher im deutschlandweiten Vergleich die Vorteile Bambergs. Fachlich gesehen sei Bamberg eine Seltenheit in Deutschland, werden hier doch die architektonischen Räume und Formen, die unser tägliches Leben prägen, besonders transparent: „Hier ist die Stadtgeschichte vom Mittelalter bis zum Barock und spätere Zeiten ablesbar. Man hat ein vollständiges Ensemble und kann die Stadtentwicklung verstehen“, erklärt Stephan Albrecht.

Der tägliche Arbeitsweg

Persönlich liebt Stephan Albrecht an Bamberg besonders seinen Weg zur Arbeit, der ihn vom Stephansberg, wo er gemeinsam mit Ehefrau und den drei Kindern lebt, täglich mit dem Fahrrad oder zu Fuß in die Innenstadt führt. „Von der Stephanskirche aus hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt, gerade morgens: Der Nebel schwindet und man sieht die Türme des Doms und des Klosters Michelsberg aufragen und der Rest der Stadt ist noch in weiße Schleier gehüllt …“, schwärmt der Kunsthistoriker. Trotzdem zieht es ihn immer wieder beruflich und privat ins Ausland: „Reisen ist für mich das Tollste“, lacht Albrecht. „Aber nach Bamberg zurückzukommen ist schön“.

Antrittsvorlesung

Stephan Albrecht hält seine Antrittsvorlesung zum Thema Architektur und Öffentlichkeit am Donnerstag, den 1. Dezember 2011, um 18.15 in der U2/025. An alle Interessierten ergeht herzliche Einladung!