Mirjam Schmitt/Universität Bamberg

Thomas Braun ist der neue Hochschulpfarrer der Evangelischen Studierendengemeinde Bamberg.

- Mirjam Schmitt

Mit Bibel und Zeitung durchs Leben

Thomas Braun ist neuer evangelischer Hochschulpfarrer

Die Jugendarbeit in der evangelischen Kirche hat den 1975 in Schleswig-Holstein geborenen Thomas Braun dazu inspiriert, Pfarrer zu werden. Nach über sechs Jahren als Landpfarrer in der Rhön gehört er seit 1. Juli 2018 der Evangelischen Studierendengemeinde Bamberg (esg) an und startet nun als Hochschulseelsorger der Otto-Friedrich-Universität in das Wintersemester. Er gestaltet Andachten, hält während des Semesters jeden zweiten Sonntag den Uni-Gottesdienst, ist Ansprechpartner für Studierende und Angehörige der Universität für lebenspraktische und zwischenmenschliche Fragen und pflegt den interreligiösen Dialog. Die esg berät darüber hinaus in sozialen Fragen und bietet caritative Unterstützung. Anzutreffen ist Thomas Braun meist im esg-Café, wo er mit seiner Gitarre musiziert, mit Studierenden betet, redet, kocht oder ganze Abendprogramme bestreitet. Im Interview verrät er, was ihn als Pfarrer ausmacht und warum er Bibel und Zeitung gleichermaßen in den Händen hält.

Sie wurden bei der Berufswahl sehr von der Jugendarbeit geprägt. Welches Bild hatten Sie damals vom Beruf des Pfarrers?
Als Jugendlicher und junger Erwachsener habe ich Pfarrer immer als locker und offen erlebt. Kirche war anders als Schule, anders als das Berufsleben. Pfarrer habe ich als barmherzig empfunden: Da konnte man auch mal Mist bauen oder einen Fehler machen. Offen auf andere Menschen zugehen, mit Jugendlichen arbeiten und gemeinsam Ideen entwickeln, das war für mich das Bild eines Pfarrers in Deutschland.

Hat sich dieses Bild für Sie bewahrheitet?
Ja. Mir ist vor allem wichtig, dass Kirche ein Raum ist, wo man Dinge machen kann, die andernorts weniger umsetzbar sind. Auch Dinge, die nicht immer ganz perfekt sein müssen. Inspirieren und inspiriert werden sind Schlüsselmomente für mich als Pfarrer. Dabei entsteht in der gemeinsamen Kommunikation Vielfalt. Zum Beispiel im Semesterprogramm des esg-Cafés, das die Studierenden der Universität Bamberg erstellen: Es beinhaltet sowohl Vorhaben, bei denen sie die Seele baumeln lassen, sich für andere einsetzen und theologisch nachdenken können als auch Abende, an denen sie einfach nur gemeinsam feiern.

Sich für andere einsetzen heißt für Sie, sich auch politisch einzusetzen, richtig? Was steckt dahinter?
In dieser Hinsicht hat mich sicherlich meine Studienzeit in der eher linken Uni-Stadt Marburg geprägt. Auch die Theologische Fakultät dort ist eine sehr liberale. Ich bin niemand, der auf die Barrikaden geht. Ich finde aber, Kirche hat eine enorm wichtige gesellschaftliche Rolle, wenn es darum geht, Stopp zu sagen oder Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Überlegt doch mal, ob es überhaupt sinnvoll ist, darüber nachzudenken, flüchtende Menschen nicht vor dem Ertrinken retten zu dürfen. Was ist das für eine Frage? Das Haus, das die esg beherbergt, ist nach Karl Steinbauer benannt, einem evangelischen Pfarrer, der zu Zeiten des Nationalsozialismus gemeinsam mit der Gruppe „Bekennende Kirche“ den Mund aufgemacht hat und dafür in Gefangenschaft geriet. Heute hält zum Beispiel die Bayerische Pfarrbruderschaft, in der ich engagiert bin, dieses Erbe aufrecht und blickt dabei auch auf Probleme innerhalb der Kirche. Das ist mir wichtig: In der einen Hand die Bibel zu halten und in der anderen die Tageszeitung, um immer zu sehen, was um mich herum passiert.

Was soll nach Ihren Vorstellungen und Wünschen in Ihrem Umfeld als neuer Hochschulseelsorger passieren? Was haben Sie sich vorgenommen?
Auch hier finde ich es wichtig, um mich zu blicken: Da zu sein und zu sehen, was geschieht, um dann Resonanzboden sein zu können. Ich möchte offen sein und dabei ein Gespür dafür entwickeln, was anliegt: Ist es gerade wichtig, mit Universitätsangehörigen über Ängste zu sprechen? Oder Musik mit Studierenden zu machen? Einen Gottesdienst zu feiern? Oder gemeinsam im Garten zu grillen?

Abgesehen von einer gelebten Grillkultur – welche ersten Eindrücke konnten Sie als Hochschulpfarrer noch gewinnen?
Als ehemaliger Landpfarrer ist für mich vieles neu, ich lerne also gerade sehr stark. Und ich treffe auf – auch politisches – Engagement, Kreativität und Ideenreichtum seitens der Studierenden. Da gibt es gar nicht genug Abende, an denen wir alles umsetzen können. Zum Beispiel kriegen wir einen geplanten, regelmäßigen Filmabend nicht mehr am esg-Abend unter, der immer dienstags stattfindet. Da müssen wir jetzt einen anderen Tag finden. Als spannende Eindrücke habe ich auch meine ersten interreligiösen Begegnungen in Bamberg erlebt. Gerade in Zeiten, in denen der Islam häufig angefeindet wird, ist mir das offene und freundschaftliche Gespräch wichtig. Das Zelt der Religionen ist dafür eine tolle Begegnungsstätte.

Das klingt nach einem zeitlich sehr fordernden Arbeitsalltag. Ist das eine Schwierigkeit in Ihrem Beruf?
Schon, denn Pfarrer ist kein Beruf, der sich zwischen acht Uhr morgens und vier Uhr nachmittags abspielt. Gerade im Semester ist eine hohe Flexibilität gefordert, es stehen viele Abendtermine an. Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, kann da schon mal zur Herausforderung werden. Meine Frau arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Evangelische Theologie, wir beschäftigen uns beide also mit ähnlichen Themen, teilen so vieles und sprechen und diskutieren über religiöse und theologische Themen. Solche Gemeinsamkeiten helfen natürlich. Den Herausforderungen gegenüber steht aber auch eine große Freiheit: Ich kann eigene Schwerpunkte setzen, um das machen zu können, von dem ich denke, dass es gut ist. Das können auch kleine Dinge sein, zum Beispiel Laternenbasteln. Da kann man alle Viere von sich strecken.

Ihre Frau Dr. Katharina Eberlein-Braun ist bereits seit zwei Jahren an der Universität Bamberg tätig. Hat Sie also letztlich die Liebe nach Bamberg verschlagen?
Die Liebe hat mich definitiv nach Bayern geführt, anders geht das als evangelischer Pfarrer und Schleswig-Holsteiner nicht. An Bamberg im Speziellen haben mich – neben der Aussicht, dass meine Frau nicht mehr pendeln muss wie zuvor – vor allem die Stelle als Hochschulseelsorger gereizt. Denn durch die Studierenden komme ich mit einer Altersgruppe in Kontakt, die man in der Kirche eher selten zu fassen bekommt. Hier bin ich nicht mehr, wie auf dem Land, der Herr Pfarrer, sondern werde ganz locker geduzt, habe also eine etwas andere Rolle. Und die Stadt selbst hat mich angezogen, auch weil hier viele unserer Freunde leben.

Sie kennen Bamberg also schon eine Weile. Erzählen Sie uns von Ihrer ersten Begegnung mit Bamberg?
Meine erste Begegnung war das Rauchbier. Zugegeben, keine sehr überzeugende Begegnung. Außerdem haben mich die vielen Flussarme, auf die man in Bamberg trifft, von Anfang an fasziniert. Und wie das Alte Rathaus von ihnen umgeben ist.

Kann die Regnitz die Ostsee ein wenig ersetzen? Oder anders gefragt: Fühlen Sie sich schon heimatlich in Bamberg?
Als Norddeutscher in Bayern zu leben ist natürlich schon ein wenig so als würde man im Ausland leben. Wenn mich mal das Heimweh plagt, esse ich einfach Grünkohl mit gesüßten Bratkartoffeln, die schmecken nach Heimat. Aber ja: ich mag an Bamberg die Geselligkeit, es ist klein und fein. Und man ist so schnell im Grünen.

Das gefällt sicherlich auch Ihrem Hund Heinz. Wie verbringen Sie denn Ihre Freizeit in Bamberg?
Ja, Heinz möchte mindestens zweimal täglich spazieren gehe. Meine Zeit verbringe ich mit meiner Frau und meinen zwei kleinen Kindern. Ich mache und höre gerne Musik, am liebsten Blues und Blues Rock. Musikalisch bin ich wohl in den 70er Jahren stehengeblieben. Und ich lese. Mein Lieblingsbuch ist zum Beispiel „Der Zauberberg“ von Thomas Mann. Vor allem genießen wir es in Bamberg, in wenigen Minuten in einem der Kinos zu sein.

Für die Freizeitgestaltung der Studierenden zeigen Sie selbst ja auch Kinofilme im esg-Café. Wann startet denn Ihr Filmprogramm?
Am 7. November wird es den ersten Filmabend geben. Ich habe die Reihe „Filmexerzitien“ genannt. Gemeint ist damit, die Kinoleinwand als eine Art Spiegel zu betrachten. Und dieser Spiegel lässt sich immer wieder aufs Neue befragen: zu unserer Identität, unseren Werten oder Ängsten. Die Idee ist also, einen Film nicht nur zusammen anzusehen, sondern gedanklich mit durch die Woche und den Alltag zu nehmen. Darauf freue ich mich schon sehr.

Vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Informationen zu Evangelischen Studierendengemeinde sowie das komplette Programm zum Wintersemester 2018/2019 finden Sie unter www.esg-bamberg.de.