Als Nationaldenkmal vollendet, bis heute geliebt: der Kölner Dom. (Foto: Autor unbekannt/Wikimedia/gemeinfrei)
Galt auch den Revolutionären als nationales Kulturgut: das Grabmal der Diane de Poitiers im Musée des Monuments français. (Foto: HaguardDuNord/Wikimedia/gemeinfrei)
Vom Nationalgut zum Welterbe
Sie gehören uns nicht … Ruskins als Motto zitierter Satz steht im Zusammenhang seiner Polemik gegen das ‚schöpferische‘ Restaurierungsunwesen des 19. Jahrhunderts, das er als einer der ersten als eine Zerstörung von Baudenkmälern kritisierte: „Wir haben gar kein Recht, sie (die Denkmäler) anzurühren“, so beginnt die eingangs zitierte Passage.
Viel später erst hat sich eine konservierende Auffassung von Denkmalpflege durchgesetzt: „Konservieren, nicht restaurieren“, setzte der Kunsthistoriker Georg Dehio 1905 den Rekonstruktionsabsichten des Heidelberger Schlosses entgegen.
Ein Vordenker war Ruskin auch in seiner universalistischen Auffassung des Kulturerbes. Mit der 1972 ratifizierten Welterbekonvention der UNESCO ist der Schutz des Welterbes von der internationalen Staatengemeinschaft als ein gemeinsames Ziel rechtlich festgeschrieben worden. Lange Zeit hatte der Denkmalgedanke dagegen in der Stärkung nationaler Identität seine letzte Begründung gefunden: „Wir konservieren ein Denkmal nicht, weil wir es für schön halten, sondern weil es ein Stück unseres nationalen Daseins ist“, stellte Georg Dehio noch 1905 fest. Die nationale Dimension des Kulturerbes zeichnet sich bereits in der Geburtsstunde der institutionellen Denkmalpflege ab, in der Französischen Revolution.
Als der französische Nationalkonvent 1793 anordnete, die in der Kirche von Saint-Denis, in Tempeln und an anderen Stätten auf dem gesamten Gebiet der Republik errichteten Grabmäler und Mausoleen der vormaligen Könige zu zerstören, wurden, wohl auf Initiative der Commission des Beaux Arts, ein Teil der Monumente gerettet und später in das neu gegründeten Musée des monuments français überführt. Die Denkmäler des Feudalismus sind damit emblematisch umgedeutet zum Kulturgut der französischen Nation und wurden als ‚historisches Monument‘ den Bürgern frei zugänglich gemacht.
Das Denkmal als historische Quelle
Die nationale Bedeutung der Baudenkmäler ist seit dem 19. Jahrhundert in Europa zunehmend in den Hintergrund getreten. Zurück blieb das Denkmal als ein Geschichtszeugnis. Seinen Wert bezieht es vor allem daraus, dass es ein besonders beeindruckendes, vollständiges oder gut erhaltenes Beispiel der Kultur einer bestimmten Epoche ist. Das Denkmal ist heute nicht mehr Zeugnis nationaler Größe, sondern vor allem eine historische Quelle.
Die Bamberger Gärtnerstadt etwa steht für eine bestimmte Form städtischen Wirtschaftens der frühen Moderne, das Mietshaus am Schönleinsplatz für die Wohnkultur um die Jahrhundertwende. Der Wert dieser Vermittlung und ‚Bezeugung‘ von Geschichte ist unbestritten. Doch bleiben in der Auffassung des Denkmals als Geschichtszeugnis seine gesellschaftliche Relevanz und Emotionalität wenig artikuliert.
Alois Riegl, der große Theoretiker eines „modernen Denkmalkultus“, hat schon 1903 konstatiert, „daß es ein unwiderstehlich zwingendes Gefühl ist, das uns zum Denkmalkultus treibt, und nicht ästhetische und historische Liebhabereien“. Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Denkmäler indessen beschränken sich heute in Deutschland mit wenigen Ausnahmen auf eine wissenschaftliche Debatte unter Fachleuten, wie spezifisch, wie selten, wie ausdrucksstark ein bestimmtes Bauwerk für eine bestimmte Epoche ist.
Wer bestimmt das Kulturerbe?
Der Begriff des Kulturerbes, der seit einigen Jahren international Konjunktur hat, bietet hier auch eine Chance. Er bedeutet zum einen eine Erweiterung gegenüber dem etablierten Denkmalbegriff und schließt neben dem materiellen auch das immaterielle Erbe mit ein. Das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes ist Ende 2012 auch von Deutschland ratifiziert worden. Wichtiger erscheint es, dass im Begriff des Kulturerbes weniger ein wissenschaftlich bestimmbarer Wert des Kulturguts adressiert wird, sondern seine – durchaus konfliktträchtige – gesellschaftliche Bewertung.
Die Frage nach unserem Erbe ist eine Frage, die wir nicht an Fachbehörden delegieren können. Nur wenn wir uns zuständig fühlen, wenn uns etwas im Wortsinne bedeutend erscheint, werden wir es bewahren wollen. Die Aushandlungsprozesse um das Erbe werden in einer Welt, die durch intensive Kulturkontakte, durch Migration und Postkolonialismus geprägt ist, indessen immer komplexer. Auch bei uns hat sich die Frage in viele Perspektiven zersplittert: Von welchem „wir“ sprechen wir? Je nach kulturellem, religiösen, familiären oder Bildungshintergrund wird den gleichen Dingen unterschiedliche Bedeutung beigemessen. Von Land zu Land, ja selbst von Stadt zu Stadt lassen sich deutliche Unterschiede in der Bewertung von Denkmälern feststellen.
Austauschprogramm führt nach Edinburgh
Diese Überlegungen stellen auch den Bamberger Masterstudiengang Denkmalpflege/Heritage Conservation vor neue Herausforderungen. Ein Ziel muss es sein, die bestehenden internationalen Vernetzungen noch stärker für die Lehre fruchtbar zu machen. Konkret wurde dazu, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, der Aufbau eines englischsprachigen Lehrangebots zum Thema World Heritage and International Cooperation auf den Weg gebracht und ein Austauschprogramm mit wechselnden ausländischen Partnerinstituten organisiert.
Als Auftakt wird im Herbst 2013 eine Gruppe Bamberger Studierender zu einem einwöchigen Arbeitsworkshop nach Edinburgh an das Edinburgh College reisen, wo ebenfalls ein Masterstudiengang Denkmalpflege angeboten wird. Dies bietet Gelegenheit, in einer Stadt, die wie Bamberg den Welterbestatus besitzt, eine ganz andere Denkmalkultur kennenzulernen; ist doch die Erbepflege in Großbritannien schon seit dem 19. Jahrhundert wesentlich von bürgerschaftlichem Engagement getragen.
Die Otto-Friedrich-Universität Bamberg beteiligt sich daneben auch an dem internationalen usbekisch-deutschen Masterstudiengang Bauerhaltung und Denkmalpflege. Der Erfahrungsaustausch mit den usbekischen Absolventen, die im Wintersemester 2013/2014 erstmals nach Bamberg kommen werden, wird ebenfalls das Wissen über unterschiedliche Erbekonzepte erweitern. Denn eines ist sicher: Die Internationalisierung der Heritagefrage ist längst in unserem Alltag angekommen.
Hinweis
Der Artikel von Prof. Dr. Gerhard Vinken, Inhaber des Lehrstuhls für Denkmalpflege/ Heritage Sciences, ist dem aktuellen Universitätsmagazin uni.vers Bücher • Bilder • Bauwerke – Bamberger Wissenschaftler über die Vielfalt des Welterbes entnommen.
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