Diedrich Wolter, Daniela Nicklas und Thorsten Staake (v.l.) setzen sich für einen "sauberen" Umgang mit Daten ein.
Der schleichenden Gesellschaftsverschmutzung entgegenwirken
Intelligente Technik wird unser Leben in den nächsten Jahrzehnten deutlich erleichtern. Doch schlaue Autos oder Handys benötigen viele Daten, die sich unter Umständen missbrauchen lassen. Bamberger Informatiker erklären, wie sie zur Gestaltung der Zukunftsstadt und zur Bewältigung der großen Herausforderung Datenschutz beitragen können.
„Die Stadt der Zukunft wird im Wesentlichen durch viele kleine Annehmlichkeiten geprägt, nicht durch eine alles revolutionierende Erfindung“, sagt Dr. Diedrich Wolter, Juniorprofessor für Smart Environments (deutsch: intelligente Umgebungen). Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Thorsten Staake stimmt ihm zu. „Unser Leben wird einerseits flexibler, bequemer und individueller, andererseits aber auch gesünder, nachhaltiger und umweltschonender werden.“ „Vorausgesetzt, gesellschaftliche Akteure wie Politik, Wirtschaft oder Verbraucher haben daran Interesse“, ergänzt Prof. Dr. Daniela Nicklas, Spezialistin für Mobile Software Systeme und Mobilität.
Rein technisch gesehen sind autonome Autos, die uns selbständig und energiesparend dahin fahren, wohin wir wollen, für die Bamberger Informatikerin und ihre beiden Kollegen genauso realistisch wie Schlüssel, die ihren Standort mitteilen, Gesundheits-Apps, die Essgewohnheiten auswerten und Allergien verhindern helfen, oder Smartphones, die sich automatisch stumm schalten, weil ihr Besitzer gerade nicht telefonieren darf.
Diese Szenarien werden zum einen durch verfeinerte Datenerhebung und -auswertung möglich, ein Spezialgebiet von Daniela Nicklas. Sie erforscht, wie durch mobile Systeme umwelt- und umgebungsbezogene Daten und Ereignisse wie Standorte, Verkehr oder Wetter erfasst und ausgewertet werden können. Zum anderen werden unsere Umgebungen – zum Beispiel Wohnungen, Büros oder Einkaufszentren – und ihre jeweiligen technischen Ausstattungen die menschlichen Handlungen immer besser interpretieren und sich selbst deutlicher verständlich machen können.
Computer interagieren mit Menschen
Das Smartphone, das sich zur richtigen Zeit stumm schaltet, oder der kommunizierende Schlüssel müssen dafür lernen, andere Gegenstände im Raum zu erkennen und zu analysieren, wo diese sind und was sie gerade tun. Entweder, indem sie selbstständig Sensordaten auswerten und daraus Handlungsoptionen ableiten, indem sie durch Interaktion mit seinen Besitzern das nötige Wissen erhalten oder indem beide Varianten miteinander kombiniert werden. Auf diesem Gebiet, dem sogenannten „qualitativen räumlichen Schließen“, forscht Diedrich Wolter.
Nicht nur bei Nicklas und Wolter, auch in Thorsten Staakes Projekten dreht sich alles um Dinge, die das Leben einfacher machen – besonders unter den Aspekten Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Effizienz. Der Wirtschaftsinformatiker forscht einerseits an den technischen Möglichkeiten, die Energiesparen erlauben und fördern und andererseits zu der Frage, wie Verbraucherinnen und Verbraucher zur Nutzung dieser Möglichkeiten motiviert werden können.
Eines haben seine energieeffizienten Systeme mit autonomen Autos, Gesundheits-Apps oder stumm schaltenden Smartphones gemeinsam: Sie brauchen sehr viele Daten, um ihren Dienst leisten zu können. Daten, die nicht nur Gutes tun, sondern sich auch missbrauchen lassen, wenn sie personenbezogen erhoben, unerlaubt weitergegeben oder zweckentfremdet werden.
Wenn die Gesundheits-App heimlich die Krankenkasse des Nutzers über dessen Essgewohnheiten informiert oder das Smartphone dem Arbeitgeber seines Besitzers ohne dessen Wissen seine Aktivitäten mitteilt, dann kann das unsere persönliche Freiheit enorm einschränken. Wir könnten uns überwacht fühlen, uns aus Angst vor möglichen Konsequenzen nicht mehr trauen zu sagen, was wir denken, oder zu tun, was wir für richtig halten. „Durch solch einen systematischen Datenmissbrauch würde unsere Gesellschaft sukzessive verschmutzt werden“, zeigt Daniela Nicklas auf.
Datenschutz als Aufgabe der (Wirtschafts-)Informatik
Energie, Klima, Ressourcen, Mobilität, Gesundheit, Verkehr oder Versorgung sind wichtige Handlungsfelder in der Zukunftsstadt. Doch Datengebrauch und Datenschutz gehören zu den größten Herausforderungen, vor denen die Weltgesellschaft jetzt und in den nächsten Jahrzehnten steht.
„Wir Informatiker müssen Lösungen für eine Gesellschaft entwickeln, die wir haben wollen“, sagt Daniela Nicklas. „Auf den Datenschutz bezogen bedeutet dies zu erforschen, wie unsere Technik einerseits mit möglichst wenig und andererseits mit möglichst anonymen Daten funktionieren kann“, erklärt Diedrich Wolter. „Außerdem müssen die Nutzer selbst entscheiden dürfen, für welche Zwecke sie ihre Daten freigeben. Dazu bedarf es besonderer Regeln“, meint Thorsten Staake.
Deshalb sehen die Wissenschaftler es nicht nur als ihre Aufgabe an, den Datenschutz technisch zu unterstützen, sondern möchten auch Transparenz schaffen, auf bestehende Probleme hinweisen und Lösungsperspektiven aufzeigen.
Inwiefern sowohl das Forschungsprojekt von Staake, der sich mit intelligenten Stromzählern beschäftigt als auch das Exponat, das Nicklas auf der MS Wissenschaft präsentiert, für Datenschutz und Bürgeraufklärung sorgen, können Sie im aktuellen uni.kat(4.5 MB) nachlesen.
