Zuordnung zu Forschungsbereichen und -schwerpunkten des Lehrstuhls

Forschungsbereich:

Forschungsschwerpunkte:

Fragestellungen

Die Hauptfragestellung des Projekts lautete: Welche Effekte hat ein Rechtschreibunterricht mit unterschiedlich hohem kognitiven Aktivierungspotenzial auf die Rechtschreibkompetenz von Grundschülerinnen und -schülern?

Im Einzelnen wurde folgenden Unterfragestellungen nachgegangen:

  1. Verbessern Schülerinnen und -schüler der zweiten Jahrgangsstufe in einem hoch kognitiv aktivierenden Rechtschreibunterricht ihre Rechtschreibleistung mehr als Schülerinnen und Schüler in einem niedriger kognitiv aktivierenden Rechtschreibunterricht?
  2. Können rechtschreibschwächere Schülerinnen und Schüler der zweiten Jahrgangsstufe mit wenig morphematischem Vorwissen ihre morphematische Rechtschreibleistung durch einen hoch kognitiv aktivierenden Rechtschreibunterricht mehr verbessern als Schülerinnen und -schüler derselben Leistungsgruppe, die einen niedriger kognitiv aktivierenden Rechtschreibunterricht erhielten?
  3. Unterscheiden sich die interviewten rechtschreibschwächeren Zweitklässlerinnen und Zweitklässler aus den beiden Unterrichtssettings (hka = hoch kognitiv aktivierend, nka = niedrig kognitiv aktivierend) hinsichtlich ihrer Entwicklung der Rechtschreibbewusstheit?

Methode

Die Effekte des im Projekt erarbeiteten Konzepts eines Rechtschreibunterrichts mit kognitiv anregendem Aktivierungspotenzial wurden empirisch in einer quasi-experimentellen und methodenkombinierenden Interventionsstudie untersucht. Insgesamt wurden 32 höher kognitiv aktivierende sowie 32 niedrigere kognitiv aktivierende Unterrichtsstunden in acht zweiten Klassen mit insgesamt 138 Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Der Unterrichtsinhalt bezog sich vor allem auf die Vermittlung des morphematischen Prinzips des deutschen Rechtschreibsystems. Als Diagnoseinstrument der Rechtschreibleistung wurde die Hamburger Schreibprobe (HSP; May, 2014) zu drei Messzeitpunkten in einem Pre-Post-Follow-up-Design verwendet. Dadurch konnte mithilfe von Varianzanalysen festgestellt werden, ob der Zuwachs der Rechtschreibtestleistung in den beiden Unterrichtskonzeptionen variiert.

Zudem wurde in einer qualitativen Studie untersucht, ob die Rechtschreibbewusstheit rechtschreibschwächerer Schülerinnen und Schüler durch die Ausprägung der kognitiven Aktivierung beeinflusst wird (N = 20). Hierfür wurden 20 rechtschreibschwächere Kinder aus den Interventionsklassen interviewt. Die Interviews wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet.

Bedeutsamkeit

Die Ergebnisse zeigen, dass sich ein kognitiv hoch aktivierender Rechtschreibunterricht signifikant positiv auf die Leistungsentwicklung der Zweitklässlerinnen und Zweitklässler auswirkte. Dies galt auch für rechtschreibschwächere Schülerinnen und Schüler, die ebenfalls von einem hoch kognitiv aktivierenden Unterricht, der herausfordernde Aufgaben stellte, mehr profitieren konnten als Rechtschreibschwächere in einem niedriger aktivierenden Treatment. Auch in den Interviewanalysen wurde deutlich, dass diese Schülergruppe komplexeres Rechtschreibwissen aufbaute und mit diesem Wissen häufiger ihre eigenen Schreibungen begründete.

Somit wurde die Bedeutung des Unterrichtsqualitätsmerkmals der kognitiven Aktivierung für die Orthographiedidaktik nachgewiesen. Es wird deutlich, wie wichtig weiterführende Untersuchungen zur Qualität im Rechtschreibunterricht sind, um eine Verzahnung zwischen Unterrichtsqualitätsforschung und fachdidaktischer Forschung voranzubringen.

Für die unterrichtliche Praxis haben die Befunde zur Folge, dass sowohl in der universitären Lehre als auch in Lehrerinnen- und Lehrerfortbildungen die kognitive Aktivierung als Basisdimension von Unterrichtsqualität wichtiger Bestandteil sein muss. Sie sollte im Rahmen von Aus- und Weiterbildungen fachspezifisch für die Orthographiedidaktik operationalisiert und an Beispielaufgaben und Merkmalen für kognitiv aktivierendes Unterrichtshandeln konkretisiert werden, um langfristig die Qualität des Rechtschreibunterrichts auf der Ebene der Tiefenstrukturen zu verbessern.

Widmer, A.-K. (2022). Kinder im Rechtschreibunterricht kognitiv aktivieren. In C. Röber & H. Olfert (Hrsg.), Schriftsprach- und Orthographieerwerb: Erstlesen, Erstschreiben (2. überarbeitete und erweiterte Auflage., S. 243–268). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Widmer, A.-K. (2020). Kognitiv aktivierende Gespräche über Rechtschreibfehler. Fallstudien zur Entwicklung der Fehlersensibilität. Lernen und Lernstörungen, 10(1), 43–49.

Widmer, A.-K. (2019). Orthographisches Wissen von rechtschreibstarken und -schwachen Zweitklässler(innen)n. In C. Donie, F. Foerster, M. Obermayr, A. Deckwerth, G. Kammermeyer, G. Lenske et al. (Hrsg.), Grundschulpädagogik zwischen Wissenschaft und Transfer (S. 372–378). Wiesbaden: Springer VS.

Hanisch, A.-K. (2018). Kognitive Aktivierung im Rechtschreibunterricht. Eine Interventionsstudie in der Grundschule. Münster; New York: Waxmann.

Hanisch, A.-K. (2017). Wie bedeutsam ist die kognitive Aktivierung für den Rechtschreibunterricht?. In F. Heinzel & K. Koch (Hrsg.), Individualisierung im Grundschulunterricht. Anspruch, Realisierung und Risiken (S. 162–167). Wiesbaden: Springer VS.

Hanisch, A.-K. (2016). Leistungen rechtschreibschwacher Schülerinnen und Schüler in einem kognitiv aktivierenden Rechtschreibunterricht. Zeitschrift für Grundschulforschung, 9(2), 139–154.

Hanisch, A.-K. (2015). Kognitive Aktivierung im Rechtschreibunterricht. Konzept und Operationalisierung. In K. Liebers, K. Schlotter, B. Landwehr & A. Marquardt (Hrsg.), Lernprozessbegleitung und adaptives Lernen in der Grundschule. Forschungsbezogene Beiträge (S. 187–192). Wiesbaden: Springer VS.

Hanisch, A.-K. (2014). Das Rechtschreibinterview als Diagnoseinstrument. Mit Kindern über ihr Rechtschreibwissen sprechen. Grundschule Deutsch, (44), 6–8.

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