Download: Flyer für gendergerechten Sprachgebrauch der Universität Bamberg

PDF, 11 Seiten, 788,5 KB

Empfehlungen für gendergerechten Sprachgebrauch der Universität Bamberg (Jan. 2022)

Auf dieser Seite finden Sie die Empfehlungen der Universität Bamberg zum gendergerechten Sprachgebrauch und diversitätssensiblen Bildgebrauch. Diese Informationen sind für alle Universitätsmitglieder relevant.

Laden Sie sich auch den dazugehörigen Flyer "Gendergerechter Sprachgebrauch - Empfehlungen für alle Universitätsangehörigen" herunter, den Sie rechts im Kasten finden (bei mobilem Zugriff: oben im Kasten).

In den untenstehenden Kacheln finden Sie die Themen dieser Seite:

 

Durch das Klicken auf eine Kachel kommen Sie direkt zum entsprechenden Thema. Um nach dem Lesen wieder nach oben zu den Kacheln zu kommen, nutzen Sie den Pfeil, der rechts unten erscheint, sobald Sie nach oben scrollen.


Gendergerechter Sprachgebrauch: Warum eigentlich?

Alle Menschen sind gleichberechtigt und gleichwertig, unabhängig ihres Geschlechts. Gendergerechter Sprachgebrauch hat zum Ziel, Menschen aller Geschlechter (englisch und eingedeutscht: Gender) sprachlich abzubilden, um so gesellschaftliche Teilhabe und Gleichstellung zu fördern. Gendergerechter Sprachgebrauch, auch Gendern genannt, ist ein offenes Konzept. Es kann aus einem vielfältigen sprachlichen Repertoire geschöpft werden. Zur Verfügung stehen verschiedene sprachliche Mittel, aus denen je nach Situation kontextbezogen ausgewählt werden kann, um so angemessen, stilistisch sicher und gendersensibel zu formulieren. Diese Webseite enthält Vorschläge für einen gendergerechten und gleichzeitig stilistisch angemessenen Sprachgebrauch. Die Vorschläge richten sich an alle Universitätsangehörigen, Studierende und Lehrende, wissenschaftliches wie nichtwissenschaftliches Personal. Sie können in allen Kommunikationssituationen angewendet werden.

Wir können im Deutschen nicht sprechen, ohne uns auf Geschlecht zu beziehen.

Wenn wir die Studentin sagen, ist das nicht nur ein sprachliches Femininum, sondern bezeichnet auch immer eine weibliche Person. Wir können zwischen grammatischem Geschlecht (dem Genus) und tatsächlichem, außersprachlichen Geschlecht (dem Sexus) unterscheiden. Genus und Sexus sind also nicht dasselbe, jedoch treten sie oft gemeinsam auf: der Mann, der Student, der Mechaniker, der Tänzer, der Beamte sind maskulin und bezeichnen immer eine männliche Person, die Frau, die Studentin, die Elektrikerin, die Sängerin, die Professorin sind feminin und bezeichnen immer eine weibliche Person. Es gibt zwar Ausnahmen (etwa das Mädchen), aber für das Deutsche ist eine hohe Korrespondenz zwischen maskulinen Wörtern als Bezeichnung für männliche Personen und femininen Wörtern als Bezeichnung für weibliche Personen festzustellen. Von dieser Genus-Sexus-Korrespondenz vollkommen unbetroffen sind natürlich alle Maskulina und Feminina, die keine geschlechtlichen Lebewesen bezeichnen: die Karotte, die Treppe, der Stuhl und der Tisch haben nichts Weibliches oder Männliches an sich.

Das Deutsche ist in seinen geschlechtlichen Zuweisungen binär, d.h. zweiteilig: Es gibt einerseits Frauen und andererseits Männer, nur ganz selten sagt einmal eine Personenbezeichnung nichts über das Geschlecht der bezeichneten Person aus (etwa der Mensch, die Person, das Kind). Manche Menschen jedoch identifizieren sich als weder (eindeutig) weiblich noch (eindeutig) männlich. Diese nicht-binären Menschen haben ganz verschiedene Ausprägungen geschlechtlicher Identität, aber ihnen ist gemein, dass sie sich sprachlich durch herkömmliche Personenbezeichnungen wie Student oder Stundentin nicht adäquat repräsentiert fühlen.

Problematisch ist der Gebrauch von maskulinen (in den meisten Fällen also: männlichen) Formen wie die Mitarbeiter mit dem Anspruch, alle Geschlechter miteinzuschließen. Da durch dieses sog. generische Maskulinum weder Frauen noch nicht-binäre Menschen explizit in der sprachlichen Form genannt werden, bleibt es nachgewiesenermaßen für sie unklar, ob sie gemeint sind und sich deshalb angesprochen fühlen sollen. Gendergerechter Sprachgebrauch wirkt dieser Unklarheit entgegen.

Das Hauptanliegen des Genderns ist es deshalb, Menschen aller Geschlechter in unserer Sprache abzubilden und generische Maskulina zu vermeiden. Die Umsetzung dieses Anliegens ist ein Prozess, der Umdenken und Umgewöhnung erfordert. Diese Mühe ist es aber wert.

Neben der Verwendung gendergerechter Sprache ist es ebenfalls wichtig auf diversitätssensible Sprache zu achten. Das bedeutet im Sprachgebrauch keine diskriminierenden Begriffe und Stereotypen z.B. aufgrund von (zugeschriebenen) Behinderungen, Krankheiten, Migrationserfahrungen, ökologischen Verhältnissen, Lebensalter, Religion, Weltanschauung usw. zu reproduzieren.


Gendergerechter Sprachgebrauch im Deutschen: Wie?

Sich gendergerecht auszudrücken, geht im Deutschen prinzipiell auf drei verschiedene Arten:

  • genderneutrale Ausdrücke und Sätze, sodass komplett auf die Zuweisung von Geschlecht verzichtet wird
  • Doppelnennungen von Personenbezichnungen, die zumindest Frauen wie Männer sprachlich sichtbar machen
  • Personenbezeichnungen mit einem Sonderzeichen versehen, wodurch ausgedrückt wird, dass mit dem Wort Menschen aller Geschlechter abgebildet werden

 

Studierende dürfen in ihren Arbeiten immer gendern, ob mit genderneutralen Ausdrücken, Doppelnennungen oder Sonderzeichen. Es darf auf die Bewertung der Arbeit keinen Einfluss haben.

Genderneutrale Ausdrücke

sind ein wichtiges Mittel des Genderns. Gendergerechtigkeit wird dadurch hergestellt, dass versucht wird, die Kategorie Geschlecht sprachlich nicht darzustellen. In vielen Kontexten ist das sinnvoll und ein generisches Maskulinum kann so umgangen werden.

Im Deutschen gibt es hierfür viele verschiedene Möglichkeiten:

  • genderneutrale Substantive
  • genderneutrale Pronomen
  • Partizipien und Adjektive im Plural
  • Sachbezeichnungen statt Personenbezeichnungen
  • genderneutrales Formulieren ganzer Sätze
  • Abkürzungen (eher im Mündlichen)

Genderneutrale Substantive sind Personenbezeichnungen, die kein Sexus und somit auch kein Gender festlegen, etwa der Mensch, die Person, das Mitglied, das Model, das Kind, das Individuum. Dies kann auch für zusammengesetzte Worte gelten, etwa die Gewährsperson statt die Gewährsfrau, der Gewährsmann.

Genderneutrale Pronomen legen ebenfalls kein Geschlecht fest, wenn sie sich auf Personen beziehen, etwa

  • alle statt jede/jeder
  • niemand statt keine/keiner
  • jemand statt eine/einer
  • wer statt derjenige/diejenige

Partizipien und Adjektive im Plural legen im Deutschen auch kein Geschlecht fest, zum Beispiel: die Studierenden, die Beschäftigten, die Ankommenden, die Universitätsangehörigen, die Gewählten, die Vorsitzenden.

Sachbezeichnungen statt Personenbezeichnungen können in manchen Kontexten helfen, etwa wenn das Geschlecht einer Person irrelevant ist:

  • die Geschäftsführung statt die Geschäftsführerin, der Geschäftsführer
  • die Lehrkraft statt die Lehrerin, der Lehrer
  • die Reinigungskraft statt die Putzfrau, der Putzmann
  • die Hilfskraft statt der Hilfswissenschaftler, die Hilfswissenschaftlerin
  • die Leitung statt die Leiterin, der Leiter

Manchmal hilft es nicht, einzelne Begriffe auszutauschen, da so der formulierte Satz schief klingt. In diesem Fall ist es hilfeich, ganze Sätze genderneutral umzuformulieren. Oft hilft es hierbei, die Menschen, für die der Satz bestimmt ist, direkt anzusprechen. Hier sind einige Beispiele:

Folgendes ist für die Antragstellung zu beachten statt Antragsteller müssen Folgendes beachten.

Sollten Sie interesse haben, melden Sie sich bitte statt Alle Interessenten melden sich bitte.

Bitte benutzen Sie die Schließfächer statt Jeder Besucher muss die Schließfächer benutzen.

Alle räumen jetzt ihr Werkezug auf statt Jeder räumt sein Werkzeug auf.

In der mündlichen Sprache des Alltags kann man sich auch manchmal mit Abkürzungen behelfen, etwa mit Studis oder Profs.

Doppelnennung

sind ein adäquates Mittel, Frauen und Männer sprachlich sichtbar zu machen. Doch nicht-binäre Menschen bleiben durch eine Doppelnennung weiterhin sprachlich unsichtbar.

Manchmal ist es aber ratsam und angebracht, eine Doppelnennung zu wählen – wenn etwa keine genderneutralen Ausdrücke zur Hand sind, diese schon oft in einem Text genutzt wurden oder wenn Schreibungen mit Sonderzeichen nicht angemessen scheinen.

Beispiele für Doppelnennung sind:

  • Patientinnen und Patienten
  • Studenten und Studentinnen
  • Kolleginnen und Kollegen
  • Leser und Leserinnen

Ob zuerst der feminine oder maskuline Ausdruck gewählt wird, ist frei gestaltbar. Die Reihenfolge kann beliebig gewechselt werden, solange dies den Sprachfluss nicht stört.

Wenn es mehrere Doppelnennungen hintereinander gibt, kann man auch zu einem "gemischten Doppel" greifen:

Liebe Zuschauerinnen und Zuhörer (statt: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer)

Mitglieder der Bundesversammlung sind Politiker, Jounalistinnen, Schauspieler, Künstlerinnen und andere Personen des öffentlichen Lebens. (statt: Mitglieder der Bundesversammlung sind Politiker und Politikerinnen, Jounalistinnen und Journalisten, Schauspieler und Schauspielerinnen, Künstlerinnen und Künstler und andere Personen des öffentlichen Lebens.)

Mit Sonderzeichen

Schreibungen mit Sonderzeichen, auch Sparschreibungen genannt, sind nützliche Mittel des gendergerechten Sprachgebrauchs, weil sie auf wenig Platz Menschen aller Geschlechter miteinschließen, hier am Beispiel Pfleger*in veranschaulicht:

Pfleg | er | * | in

  • (Pfleg) ist die Wortbasis (vom Verb pfleg-en)
  • (er) steht für alle Männer, die pflegen
  • (*) steht für alle nicht-binären Menschen, die pflegen
  • (in) steht für alle Frauen, die pflegen

Mögliche Sonderzeichen

  • Gendersternchen: Pfleger*in
  • Doppelpunkt: Pfleger:in
  • Unterstrich: Pfleger_in
  • Schrägstrich: Pfleger/in, auch: Pfleger/-in

Aus der Menge an möglichen Sonderzeichen empfehlen wir derzeit das Gendersternchen. Andere Sonderzeichen, etwa Doppelpunkt, Unterstrich oder Schrägstrich, sind deshalb genauso angemessen und möglich.

Verwendung

ein*e Student*in = 'eine Person jeglichen Geschlechts, die studiert'

die Student*innen = 'eine Gruppe an Menschen verschiedener Geschlechter, die studieren'

Bei den genderneutralen Ausdrücken wird Geschlechtergerechtigkeit dadurch hergestellt, dass die Kategorie Geschlecht nicht dargestellt wird. Hier wird Geschlechtergerechtigkeit dadurch dargestellt, dass alle Geschlechter der beteiligten Menschen dargestellt werden. Des guten Sprachflusses wegen empfehlen wir im Singular nur eine Verwendung mit ein*e oder ganz ohne Artikel, im Plural sind alle Verwendungen möglich.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverbandempfiehlt, falls Schreibungen mit Sonderzeichen verwendet werden, das Gendersternchen (Stand: März 2021). Bei Vorleseprogrammen für Sehbehinderte oder bei Programmen zur Weiterverarbeitung von Texten (etwa in Zeitungsverlagen) können Sonderzeichen noch zu Problemen führen, die betreffenden Programme werden jedoch nach und nach angepasst.

Aussprache

Ausgesprochen werden Schreibungen mit Sonderzeichen mit dem sog. Glottisschlag, vergleichbar mit einer kurzen Pause vor dem i, wo das jeweilige Sonderzeichen steht. Diese kurze Pause tritt im Standarddeutschen regelmäßig auf, ist also keinesfalls ungewohnt: ver’arbeiten, be‘inhalten Brat‘apfel, Spiegel'ei und etwa Student*'in.

So lieber nicht

Generisches Maskulinum, mit und ohne Hinweis darauf, dass mit der Autor oder der Obdachlose auch Frauen und nicht-binäre Menschen gemeint seien, ist kein adäquates Mittel des gendergerechten Sprachgebrauchs. Eine andauernde Nutzung reproduziert und zementiert bisherige Ungleichheiten und stereotype Vorstellungen.

Es bleibt selbstverständlich allen frei, so zu schreiben und zu reden wie sie wollen. An dieser Freiheit ändert auch das Konzept des gendergerechten Sprachgebrauchs nichts. Auch kommt es aufgrund jahrelanger Gewohnheit recht schnell vor, dass doch noch mal ein generisches Maskulinum verwendet wird, auch wenn eigentlich angedacht war, es nicht mehr zu benutzen. Es kommt also nicht auf jedes einzelne generische Maskulinum an, sondern vielmehr darauf, dass wir gemeinsam versuchen Menschen aller Geschlechter sprachlich darzustellen und wahrnehmbar zu machen. Fakt ist, dass das mit dem generischen Maskulinum nicht funktioniert.

Achten Sie bei der Umstellung auch auf häufige Fallstricke, wie etwa:

Unterschrift des Teilnehmenden

Hier ist zwar Teilnehmenden genderneutral, des ist aber weiterhin generisch-maskulin. Stattdessen könnten Sie schreiben:

Teilnehmendenunterschrift

 

Lassen Sie sich kontextbasiert und bei Bedarf selbst gendergerechte Ausdrücke und Formulierungen einfallen. Gendergerechter Sprachgebrauch lebt davon, dass sich Menschen eigene Gedanken machen und neue Ideen einbringen. Wenn Sie nirgendwo einen adäquaten Ausdruck finden für das, was Sie ausdrücken wollen, fällt Ihnen vielleicht selbst einer ein. Abhilfe kann aber auch ein Genderwörterbuch oder andere nützliche Internetseite bieten, schauen Sie sich dafür die gesammelten Links an.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung betonte im März 2021, „dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen“. Genderneutrale Ausdrücke und Doppelnennungen sind dabei Teil der deutschen Rechtschreibung, nur die Schreibungen mit Sonderzeichen sind im Moment noch nicht Teil der deutschen Rechtschreibung.

Für das Verfassen amtlicher Dokumente empfehlen wir, der aktuellen Rechtschreibung zu folgen.


Praxis: Beispiele und Problemfälle

Anreden und Titel

Sprechen wir Menschen direkt an, so ist es oft unmöglich, ihr Geschlecht nicht zu benennen: Frau Professorin. Doch was tun, wenn das Geschlecht unbekannt ist oder es sich um eine nicht-binäre Person handelt? Auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten gendersensibel zu formulieren.

Frauen und Männer können natürlich wie gewohnt angesprochen werden: Sehr geehrte/Liebe Frau Muster oder Sehr geehrter/Lieber Herr Muster

Bei unbekanntem Geschlecht oder für nicht-binäre Menschen können folgende Begrüßungen verwendet werden: Sehr geehrte*r/Liebe*r Kim Muster. Der Vorname tritt hier an die Position des binären Frau/Herr. Der Name Kim soll hier als Beispiel für einen genderneutralen Vornamen dienen.

Wenn es der formale und situative Kontext zulässt, kann auch auf Begrüßungsformeln zurückgegriffen werden, die Geschlecht gar nicht definieren, etwa:

  • Sehr geehrte Anwesende/Teilnehmende
  • Guten Tag Kim Muster
  • Hallo zusammen
  • Liebe Alle

Wir empfehlen auch, dass Titel und akademische Grade, die vor Namen stehen oder genannt werden, dem Geschlecht angepasst werden, etwa:

  • Professorin, Doktorin für Frauen
  • Professor*in, Doktor*in für nicht-binäre Menschen oder bei unbekanntem Geschlecht

Obwohl Abkürzungen zumeist genderneutral sind, können für Einzelpersonen auch genderspezifische Abkürzungen verwendet werden, etwa:

  • Prof.in oder Dr.in für eine Frau

Für nicht-binäre Menschen fehlen an vielen Stellen noch allgemein anerkannte Formen, so auch hier die Abkürzungen von Titeln.

Pronomen der 3. Person: er, sie, ?

Für nicht-binäre Menschen fehlen an vielen Stellen noch allgemein anerkannte Formen, so etwa das Pronomen (er, sie, ?) oder Anreden und Titel. Es gibt jedoch bereits viele Vorschläge für neue Pronomen (sog. Neopronomen), die nicht-binäre Menschen bezeichnen. Folgen Sie, wenn bekannt, den Präferenzen der betreffenden Person oder benennen Sie die Person einfach mit ihrem Vor- und Nachnamen. Die Nennung mit Vor- und Nachname ist immer richtig. In E-Mail-Signaturen oder in der Teilnahmeliste in Videokonferenzen am Namensende lassen sich manchmal die von der Person gewünschten Pronomen finden. Dort steht dann beispielsweise: Kim Muster (sie/ihr). Sollte Sie auf ein Ihnen unbekanntes Pronomen stoßen, dann ist es nicht unhöflich, wenn Sie bei der betreffenden Person nachfragen, wie Sie die Pronomen benutzen können.

Als Personalpronomen für nicht-binäre Menschen sind unter anderem sier, xier, ex/x oder fey in Gebrauch. Weitere weit verbreitete Neopronomen im Deutschen sind auch dey/deren/denen, em/ems oder they/theirs/them. Die jeweiligen Personalpronomen sind individuell sehr unterschiedlich, weshalb diese Aufzählung nur beispielhaft zu verstehen ist. Im Folgenden stehen Beispielsätze, die die Nutzung der Neopronomen veranschaulichen soll:

Sier kommt heute zum Essen. Ich habe sier gebeten Salat mitzubringen. Ich gebe sier später Geld dafür. (Aussprache mit Reim auf hier)

Xier geht nach Hause. Ich habe xien heute gesehen und wurde von xiem auf einen Kaffee eingeladen. (Aussprache mit Reim auf hier)

X mag Musik. Ich habe x auf einem Konzert getroffen. X gefällt Livemusik. (Aussprache wie der Buchstabe, also [ıks])

Fey spielt Geige. Ich habe fey gestern gehört. Ich habe fey ein Kompliment für feys Musik gemacht. (Aussprache mit Reim auf hey)

Dey war bei mir zu besuch. Deren Tasche wurde hier vergessen. Ich habe sie denen zurückgegeben.

Em hat viele Haustiere. Das sind ems Tiere. Die Tiere mögen em. (Aussprache wie der Buchstabe M, also [ɛm])

They liest gerne. Ich habe them beim Buchclub kennen gelernt. Their Lieblingsgenre ist Fantasy. (Aussprache wie im Englischen)

Manche Menschen benutzen auch gar keine Pronomen. Stattdessen wird der Name verwendet:

Kim wohnt in einer WG. Hier ist Kims Zimmer. Ich besuche Kim heute.

Übrigens: Du und Sie sind genderneutral und können immer verwendet werden. Anwesende durch du und Sie einzubeziehen, ist nicht nur gendergerecht, sondern auch höflich und inklusiv. Dialog ist der beste Weg zu gegenseitigem Verständnis und gegenseitiger Akzeptanz.

Weitere Pronomen und genaue Aufschlüsselung der Deklinationen auf https://nibi.space/pronomen.

Das Wörtchen man

Da man gleichlautend mit Mann ist und beide Worte auch eng verwandt sind, wird das Pronomen manchmal als generisches Maskulinum wahrgenommen. Das alternative Gegenwort frau ist leider auch nicht genderneutral, denn es ist eines der wenigen generischen Feminina der deutschen Sprache.

Wer man vermeiden möchte, kann das durch die Sparschreibung eine*r tun. Auch der Neologismus mensch kann helfen, sofern der formale Kontext es zu lässt. Beide Formen sind genderneutral. In stark informellen Kontexten geht auch das „generische“ du (ähnlich ist es im Englischen mit you).

  • Nachts sollte man genug schlafen.
  • Nachts sollte frau genug schlafen
  • Nachts sollte eine*r genug schlafen.
  • Nachts sollte mensch genug schlafen.
  • Nachts solltest du genug schlafen.

Auch jemand und niemand werden teilweise kritisiert, da sie Zusammensetzungen von man/Mann sind. Es gibt hierzu die stark informellen Gegenvorschläge jemensch und niemensch.

Solche sprachgeschichtlichen Herleitungen von Worten können Aufschluss darüber bieten, wie diese heutzutage gedeutet werden können. Jedoch ist dies auch mit Vorsicht zu genießen. So kommt das Wort Mensch selbst vom althochdeutschen mannisco bzw. mennisco, welches wiederum von althochdeutsch man 'Mann' kommt. Auch Mensch kommt also wie man vom Mann-Wort. Heutzutage gilt Mensch natürlich als genderneutral.

In amtlichen und offiziellen Dokumente haben man, jemand und niemand weiterhin ihren festen Platz. In informellen Kontexten können Sie selbst entscheiden, welches Wort sie verwenden möchten.

Ausführliche Beispiele

Für generische Maskulina gibt es in den meisten Fällen mehrere gendergerechte Ausdrücke als Alternative, aus denen man wählen kann.

Für das generische Maskulinum die Studenten gibt es im Deutschen drei verschiedene gendergerechte Ausdrücke: die Studierenden, die Studentinnen und Studenten und die Student*innen. Sie können frei und je nach Kontext und Situation unterschiedlich wählen, welchen Ausdruck sie verwenden. Es gibt keinen Zwang zur Einheitlichkeit.

Für das generische Maskulinum die Mitarbeiter gibt es sogar sechs verschiedene Ausdrücke, aus denen Sie wählen können: die Mitarbeitenden, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Mitarbeiter*innen, die Beschäftigten, die Belegschaft, das Personal. Zu erkennen ist, dass das ersetzende Wort nicht immer direkt verwandt sein muss mit dem generischen Maskulinum, das es ersetzt (die Mitarbeiter, aber die Beschäftigten).

Weitere Beispiele finden Sie in dem Flyer für gendergerechten Sprachgebrauch der Universitätsleitung oder im Internet (schauen Sie sich dafür in den Links um).


Gendergerechter Sprachgebrauch im Englischen

Anders als das Deutsche unterscheidet das Englische nicht nach Genus. Das bedeutet, dass viel weniger oft Bezug auf Geschlecht genommen werden muss als im Deutschen. Deshalb gilt:

Gendergerechter Sprachgebrauch ist im Englischen viel einfacher möglich als im Deutschen.

Personenbezeichnungen sind meist bereits genderneutral. Nicht-genderneutrale Bezeichnungen werden so umgewandelt, dass sie neutral werden (etwa statt -man besser -person). Existieren in seltenen Fällen weibliche Entsprechungen von Personenbezeichnungen, so herrscht der Konsens, die spezifisch weibliche Form nicht zu nutzen. Die Form die übrig bleibt, wird dann als genderneutral verstanden (dies ist nicht zu verwechseln mit dem generischen Maskulinum des Deutschen, denn im Englischen gibt es ja kein Genus).

  • chairperson/chair statt chairman, chairwoman
  • the French statt Frenchmen
  • actor statt actor, actress

In der Anrede ist Folgendes zu beachten:

  • Mr für Männer
  • Ms für Frauen
  • Mx für nicht-binäre Menschen und bei unbekanntem Geschlecht

Anders als im Deutschen werden Anreden schriftlich meistens abgekürzt und nur voll ausgesprochen (‚Herr‘ wird <Mr> geschrieben, steht aber für mister). Ms und Mx sehen aus wie Abkürzungen sind aber Vollformen. Ms wird [mɪz] ausgesprochen mit Reim auf engl. his. Es ersetzt die älteren Formen Mrs (‚Frau‘) und Miss (‚Fräulein‘). Mx wird [mɪks] ausgesprochen wie engl. mix oder auch [məks] mit einem e-Laut wie in Geschlecht.

Englische Pronomen bezeichnen wie die herkömmlichen deutschen nur männliche und weibliche Personen (he/she, ‚er/sie). Es hat sich jedoch für nicht-binäre Menschen und den generischen Gebrauch das eigentliche Pluralpronomen they und seine Formen durchgesetzt. Es wird wie ein Singular verwendet:

Every student should submit their paper until 31st of March.

This is Taylor.They study biology.

Mehr zum Gendern im Englischen finden Sie in der Linksammlung.


Diversitätssensible Bildsprache

Nicht nur in der Sprache, auch im Bild werden Menschen wegen ihres Geschlechts unterrepräsentiert und gesellschaftliche Geschlechterstereotype reproduziert. Im Bild geschieht dies leider nicht nur aufgrund des Geschlechts, sondern auch wegen anderer Kategorien, etwa dem kulturellen, ethnischen oder sozialen Hintergrund, der Herkunft, dem Aussehen, dem Alter, der Religion oder Weltanschauung, der sexuellen Orientierung und Identität oder der körperlichen und geistigen Fähigkeiten.

Bei der Auswahl und Erstellung von geeigneten Bildern sollte deshalb die reale Vielfalt der Gesellschaft und der Universitätsgemeinschaft abgebildet werden. Nicht auf jedem Bild müssen und können aber deshalb Menschen repräsentativ für die ganze Gesellschaft dargestellt werden – Zweck und Ziel von bildlichen Darstellungen sind oft sehr verschieden.

Es empfiehlt sich passend zum jeweiligen Kontext des Bildes, folgende Punkte bei der Erstellung und Auswahl von Bildern zu beachten:

  • Gleichberechtigtes, kollegiales Miteinander statt hierarchische Haltungen
  • Ausgewogene Verteilung von Tätigkeiten statt nur Frauen bei stereotyp weiblichen Tätigkeiten und nur Männer bei stereotyp männlichen Tätigkeiten
  • Ausgewogene Darstellung aller Geschlechter statt geschlechtliche Binarität
  • Ausgewogene Darstellung aller Partnerschaftsformen statt Heteronormativität
  • Authentische Darstellung von Menschen statt sexualisierte Inhalte

Eine optimale bildliche Darstellung ist eine, die alle Menschen als gleichwertig darstellt und gleichzeitig keine Rollenklischees und Stereotype abbildet. Bei der Auswahl und Erstellung von Bildmaterial sollte auf eine ausgewogene Darstellung der Geschlechter und der Vielfalt der gesellschaftlichen Realität allgemein geachtet werden.


Argumente für gendergerechten Sprachgebrauch

Im folgenden sind kurze Texte zu weitverbreiteten Positionen gegen gendergerechten Sprachgebrauch zusammengestellt. Diese diskutierenden wie informierenden Textstücke sollen als Argumentationshilfe und Denkanstöße dienen.

1. Gendern ist kein korrektes Deutsch

Um auf dieses gängige Argument gegen das Gendern einzugehen, sollte zunächst die Frage gestellt werden: Was ist denn eigentlich korrektes Deutsch? In der Orthografie und Grammatik gibt es zwar ein recht strenges Regelkorsett, das aber eine Abbildung der allgemein üblichen Sprachweise darstellt. Die Regeln werden somit auch geändert, ergänzt und eben dem gerade üblichen Sprachgebrauch angepasst. Daher maßt sich auch das wohl bekannteste Nachschlagewerk für die deutsche Sprache, der Duden, nicht an, diese Regeln zu diktieren. Das Wörterbuch bildet in erster Instanz die Sprache und den gerade üblichen Sprachgebrauch ab. Daher geben die Nutzer*innen der deutschen Sprache mit dem alltäglichen Gebrauch der Sprache die “Korrektheit” ebendieser vor. Dieser natürliche Sprachgebrauchs- und Sprachwandel lässt dann Freiräume für Entwicklungen wie beispielsweise das Gendern.

Zur Illustration solcher Änderungen, die dem alltäglichen Gebrauch entstammen, kann das Beispiel von Co-Autorin bzw. Coautorin vorgestellt werden. Vor der Veröffentlichung der neuen Auflage des Dudens im Juni 2017 durch den Rat für deutsche Rechtsschreibung wäre diese jetzt richtige Schreibweise falsch gewesen und einzig Ko-Autorin bzw. Koautorin wäre richtig gewesen. Da die eigentlich “inkorrekte” Schreibung mit C jedoch oft verwendet wurde, ist sie in den Duden als “korrekte” Schreibvariante mitaufgenommen worden.

Schlussendlich kann zusammengefasst werden, dass vor allem die Sprecher*innen die Regeln und Korrektheit einer Sprache formen und es keine Instanz gibt, die absolute, unveränderliche Korrektheit von Sprache und Sprachgebrauch vorgeben kann. Vielmehr folgt die etablierte Instanz, der Duden, dem Gebrauch der Sprecher*innen.

2. Gendern stört den Lesefluss

Am Anfang sind wir alle gestolpert. Als wir das erste Mal gegenderte Texte gelesen haben, sind unsere Augen beim Lesen an den Stern*chen, Doppel:punkten und Unter_strichen hängen geblieben. Es ist also durchaus nachvollziehbar, wenn man es am Anfang als eine Herausforderung empfindet, Texte in gendergerechter Sprache zu lesen. Die Betonung liegt hier auf am Anfang, denn wir sind lernfähig und je öfter wir bestimmte Wörter sehen, umso leichter fällt es uns, diese flüssig zu lesen. Ein Beispiel dafür sind neue Rechtschreibungen für bereits erlernte Worte bzw. Wortschreibungen: Haben sich am Anfang noch viele an der neuen Schreibart von dass, Fluss oder Schifffahrt gestoßen, ist sie heute selbstverständlich. Und genauso wird es auch mit der Verwendung von Gendersternchen oder anderen Sonderzeichen sein – wenn wir uns darauf einlassen.

3. Gendern verändert unsere Sprache auf unnatürliche Weise

Auch wenn uns im Deutschunterricht ein eher starres Bild von unserer Sprache beigebracht wird, ist es eigentlich so, dass sich das Deutsche im langsamen, aber laufenden Wandel befindet. Der Rat der deutschen Rechtschreibung definiert eines seiner Ziele deshalb als „die Rechtschreibung … in unerlässlichem Umfang weiterzuentwickeln“. Gäbe es keinen Sprachwandel, so müsste dies nicht geschehen. Auch alle Lexika könnten ihre erste Auflage immer wieder neu drucken, anstatt neuere Auflagen zu erarbeiten.

Getragen wird Sprachwandel immer von den Gewohnheiten der einzelnen Sprechenden: Was zur Gewohnheit einer Mehrheit der Sprachnutzer*innen wird, hat gute Chancen, allgemein üblich und schließlich zur Regel zu werden. Dieser Sprachwandel ist keinesfalls schlecht, sondern vielmehr vollkommen normal und natürlich.

Da Sprachwandel von den Sprecher*innen einer Sprache getragen wird, ist es deshalb als vollkommen natürlich zu bewerten, wenn einzelne Sprachnutzer*innen ihren Sprachgebrauch bewusst oder unbewusst an bestimmte Maßgaben, etwa Gendergerechtigkeit, anpassen. Es passiert hier nämlich nichts Anderes als in den Jahrhunderten davor auch: die eine Sprech- und Sprachgewohnheit ersetzt Stück für Stück eine andere.

Wichtig festzuhalten ist aber auch: Sprachwandel kann nicht erzwungen werden. Neue Sprachgewohnheiten müssen sich schrittweise etablieren und durchsetzen.

Warum aber Sprecher*innen ihre Sprachgewohnheiten ändern, ist eine andere, noch ungeklärte Frage. In der Sprachwissenschaft gibt es viele Theorien und viele mögliche Gründe für Sprachwandel. Die Gleichstellung aller Menschen unabhängig ihres Geschlechts scheint uns davon nicht der schlechteste zu sein.

4. Generisches Maskulinum ist Genus, nicht Sexus

Genus und Sexus sind zwei unterschiedliche Kategorien. Doch beide sind eng miteinander verwoben, sie stehen in einer Wechselbeziehung. Genus, das ist das grammatische Geschlecht einer Sprache. Das Deutsche besitzt davon drei: Maskulinum, Femininum und Neutrum. Der Stuhl, die Tastatur, das Wetter. Sexus meint das außersprachliche, das tatsächliche Geschlecht einer Person, die mit einem Wort bezeichnet wird – Sexus ist deshalb nur relevant, wenn mit einem Wort tatsächlich auch eine Person bezeichnet wird.

Die Ärztin ist feminin und bezeichnet eine Frau.

Der Mitarbeiter ist maskulin und bezeichnet einen Mann.

Das Mädchen ist Neutrum, bezeichnet aber eine (junge) Frau.

Die Person ist feminin, definiert aber nicht den Sexus des Menschen, der bezeichnet ist: Menschen jedes Geschlechts können damit bezeichnet werden.

Die Karotte ist feminin. Sexus ist hier irrelevant, da das Wort keine Person bezeichnet.

Zwei Dinge fallen auf: Genus und Sexus können mit etwas Übung gut voneinander unterschieden werden und Genus und Sexus stehen in einem Zusammenhang. Das Genus-Sexus-Prinzip besagt, dass feminine Personenbezeichnungen meist weibliche Personen bezeichnen und maskuline meist Männer: der Herr, der Junge, der Kumpel, der Student, der Bruder, der Geologe aber die Dame, die Freundin, die Professorin, die Sportlerin, die Cousine, die Aufsichtsrätin. Natürlich gibt es Ausnahmen, einige davon sind oben angeführt. Die Regelhaftigkeit und Korrelation von Genus und Sexus bleiben davon unberührt: der Großteil der Personenbezeichnungen des Deutschen fällt in das Muster feminin/weiblich und maskulin/männlich.

Deshalb irritiert es immer wieder, wenn mit einem einzigen Genus, nämlich Maskulinum, Menschen aller Geschlechter gemeint sein sollen – haben wir als Muttersprachler*innen doch gelernt, dass maskuline Personenbezeichnungen in den allermeisten Fällen Männer meinen. Studien (s.u. Quellen) belegen, dass es hier bei allen Sprecher*innen unabhängig des Geschlechts zu Unsicherheiten in der Zuordnung kommt. Diese alltäglichen Unsicherheiten können nachgewiesenermaßen einen mal mehr mal weniger stark ausgeprägten negativen Effekt auf das Leben vieler Sprecher*innen haben (auch von Männern).

Oft wird kritisiert, dass gendergerechter Sprachgebrauch unpräzise ist, doch liegt das Ziel des Konzepts genau darin, eine der größten Ungenauigkeiten und auch Ungerechtigkeiten des modernen Deutschen zu beheben.

5. Generisches Maskulinum meint doch alle

Es stimmt. Generisches Maskulinum meint alle. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass es nur männliche Personen ausdrücklich nennt, während es alle anderen nur mitmeint. Deshalb weiß niemand, wann ein Maskulinum nun generisch für alle Geschlechter gemeint ist und wann es sich ausschließlich auf Männer bezieht. Nehmen wir folgenden Satz: Deutschland braucht mehr Pfleger. Bedeutet dieser Satz nun, dass das deutsche Gesundheitssystem mehr männliches Pflegepersonal braucht (also Pfleger im ausschließlich männlichen Sinn) oder allgemein mehr Pflegepersonal unabhängig vom Geschlecht braucht (also Pfleger im generischen Sinn)? Wissen Sie es? Wir nicht.

Genau diese Ungenauigkeit ist es, die im alltäglichen Sprachgebrauch nicht nur zu Irritationen führt, sondern manchmal Auslöser handfester Ungleichheit und somit Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist. Zahlreiche Studien belegen (ein Teil davon ist unten angeführt), dass die Ungenauigkeiten in der Zuordnung von maskulinen Personenbezeichnungen kognitive Prozesse behindern und Entscheidungen von Individuen zum Negativen beeinflussen. Ein Beispiel, das potenziell schwerwiegende Folgen haben könnte: Männer merken sich den Inhalt von Packungsbeilagen am besten, wenn alle Personenbezeichnungen in der Doppelnennung (Patientinnen und Patienten) vorkommen – nicht, wenn Maskulina generisch verwendet werden.

Gendergerechter Sprachgebrauch bereinigt die sprachliche Ungenauigkeit und die daraus resultierenden negativen Effekte und Ungleichheiten. Ein Hinweis am Anfang des Textes, dass generisches Maskulinum verwendet wird und mit diesem alle Menschen gemeint seien, bereinigt das Problem im Übrigen nachweislich nicht: Wieder bleibt unklar, ob das konkrete Maskulinum nun generisch gemeint ist oder ausschließlich Männer bezeichnen soll.

6. Gendern macht Sprache unpräzise

Das Vermeiden von generischem Maskulinum führe zu grammatischen Fehlern und falschen Bezügen und dadurch zu Verständnisproblemen, sagen manche Kritiker*innen des Genderns so oder so ähnlich. Die Sorge darum, dass Gendern zu Verständnisproblemen führen könnte, ist bei Gegner*innen von geschlechtersensiblem Sprachgebrauch groß. Doch das Gegenteil ist der Fall: Gegenderte Sprache präzisiert für all die, die vom generischen Maskulinum ausgeschlossen werden. Studien belegen, dass sich Frauen bei Stellenanzeigen, die das generische Maskulinum verwenden, weniger geeignet für den Job fühlen. Oder, ganz allgemein, dass Frauen gar nicht so sehr mitgedacht werden, wie Befürworter*innen des generischen Maskulinums gerne behaupten. Geschlechtergerechter Sprachgebrauch macht Kommunikation nicht unpräzise, sondern erleichtert sie. Frauen wie nicht-binäre Menschen kann so deutlich gemacht werden, dass wirklich alle Menschen und nicht nur Männer angesprochen und inkludiert werden.

„(D)as generische Maskulinum versteckt Frauen systematisch und legt ihnen die zusätzliche Bürde auf, ständig darüber nachzudenken, ob sie in einem konkreten Fall mitgemeint sind“ (Stefanotwitsch, 2018). Denn wer ist gemeint in dem Satz Es werden Studenten als Probanden gesucht? Sind es Menschen jeglichen Geschlechts oder vielleicht doch nur männliche Studierende? Bei gegenderter Sprache würde es nicht zu solchen Missverständnissen kommen. Entweder es wären tatsächlich nur männliche Studierende gesucht oder es hieße Es werden Studierende als Proband*innen gesucht.”

Geschlechtergerechte Sprache erleichtert also Menschen das Verstehen von sprachlichen Äußerungen und Frauen und nicht-binären Menschen das Identifizieren mit diesen. Sie können sich so sicher sein, ob sie angesprochen sind oder über sie gesprochen wird, was das generischen Maskulinum nachgewiesenermaßen nicht leisten kann.

7. Gendern wird unsere Gesellschaft nicht verändern

Sprache und Gesellschaft verändern sich in Beziehung zueinander. Gesellschaftliche Veränderungen müssen in Worte gefasst werden, weshalb auch immer wieder neue Wörter entstehen. Gleichzeitig wirkt Sprache in die Gesellschaft hinein und stößt so Veränderungen an.

Gendergerechter Sprachgebrauch in Stellenausschreibungen macht zum Beispiel Frauen und andere Geschlechter sichtbar. Die Folge ist, dass sich Frauen und nicht-binäre Menschen häufiger auf Stellen bewerben, auf die sie sich vorher nicht beworben hätten. Die gegenderte Stellenanzeige sorgt also dafür, dass sich Frauen neue Berufsfelder und Tätigkeitsbereiche erschließen. Sie werden dadurch zu alternativen Rollenmodellen und verändern die Berufswelt und Gesellschaft letztlich nachhaltig.

Gegenderte Sprache kann auch die Sensibilität für gesellschaftliche Schieflagen erhöhen und diese konkretisieren. Wer zum Beispiel schreibt Die Arbeitsbelastung in der Pflege ist hoch, hat sicher Recht. Der Satz Die mehrheitlich weiblichen Mitarbeitenden des Seniorenheimes leiden unter einer hohen Arbeitsbelastung benennt die leidenden Menschen sehr viel genauer. Wer hier also konkret wird, macht Arbeit und Leid von Frauen sichtbar. Dadurch kann sich die Gesellschaft dafür sensibilisieren, was Frauen auf Dauer entlastet. Ähnlich funktioniert das auch in Bezug auf die Betreuung von Kindergarten- und Schulkindern.

Gendergerechter Sprachgebrauch schärft also den Blick, was meist der erste Schritt für Veränderung ist. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Sprache nun Ausdrucksformen sucht, die Vielzahl der Geschlechter darzustellen. Asterisk (Schüler*innen), Doppelpunkt (Paketzusteller:innen), Unterstrich (Teilnehmer_innen), oder auch einmal das Ausrufezeichen (Mechatroniker!innen) sind deshalb wegbereitend für gesellschaftlichen Wandel. Denn nur die, die sichtbar sind, werden auch berücksichtigt werden.

8. Gendern macht Texte länger

Wie so vieles ist auch der Weg hin zu einer gendergerechten Sprache ein Prozess. Bildet sich mensch erstmal ein Verständnis davon, um was es dabei im Speziellen geht, ist die Reaktion der meisten Personen, statt nur einem Geschlecht nun eben zwei zu nennen. Das Bewusstsein für diese Thematik kommt für viele Studierende beim Schreiben ihrer Haus- und Abschlussarbeite: Soll ich gendern? Und wenn ja, wie? Oft wird dann zur Doppelnennung und zu auf Dauer etwas unhandlichen Formulierungen wie Alumnae und Alumni, Wähler und Wählerinnen, Studenteninnen und Studenten oder Lehrer und Lehrerinnen gegriffen. Dabei könnte es auch Ehemalige,Wahlberechtigte, Studierende oder Lehrpersonal heißen.Wenn das nicht ausreicht oder zu unpersönlich klingt, können auch Formulierungen mit Sonderzeichen wie dem Gendersternchen benutzt werden: Absolvent*innen, Wähler*innen, Student*innen, Lehrer*innen. Lehrpersonal und Lehrer*innen ist tatsächlich länger als das generische Maskulinum Lehrer: je 12 Zeichen zu 6. Auch wenn Zeitungen (im Druck, nicht online) strenge Zeichenvorgaben haben, sollte es ihnen 6 Zeichen mehr wert sein, die Realität in deutschen Klassenzimmern und in der Gesellschaft abzubilden.

Das Ganze ist ein Prozess und zuerst auch ein Umdenken und eine Umstellung, auf die mensch sich einlassen muss. Dieser Prozess kann aber sehr spannend und kreativ sein. Es liegt eine Schönheit in der wegbereitenden Arbeit, eine ganz eigene gendergerechte Handschrift zu entwickeln.

9. Gendern ist nicht barrierefrei

Wird argumentiert, dass gendergerechter Sprachgebrauch nicht barrierefrei ist, dann sollten wir zuerst fragen, was Barrieren für Menschen mit Behinderung überhaupt sind. Barrieren sind Ausschlussmechanismen. Gleichberechtigte Sprache ist das Gegenteil, nämlich Inklusion durch Sichtbarmachung in Sprache.

Wird angeführt, dass ein Gendersternchen von Screenreadern nicht gelesen werden kann, dann müssen wir uns vergegenwärtigen, dass Screenreader vor zehn Jahren noch keine Smileys lesen konnten. Technik kann sich genau wie Sprache weiterentwickeln. Und das vorgelesene Gendersternchen, also ein "Mitarbeiter-Sternchen-innen" schließt eine*n Sehbehinderte*n weniger aus als der vergessene Alt-Text zum Bild im Twitter-Newsfeed oder schlecht generierte PDF-Tabellen.

Wenn angeführt wird, dass gendergerechter Sprachgebrauch von Nutzer*innen von leichter Sprache nicht verstanden wird, dann dürfen wir nicht vergessen, dass das generische Maskulinum selbst von Menschen ohne geistige Behinderung nicht immer als solches verstanden wird. Gerade Leichte Sprache bedeutet, dass alle Gemeinten auch genannt werden. Leichte Sprache folgt teils eigenen Regeln – auch für den gendergerechten Sprachgebrauch haben sich angemessene Regeln finden lassen (s. Quellen).

10. Gendern diskriminiert die, die das jetzt lernen müssen

Gendergerechter Sprachgebrauch ist ein Konzept, das entwickelt wurde, um alltägliche Diskriminierung in unserer Sprache zu thematisieren und schließlich zu beheben. Es ist ein Konzept, das ausdrücklich und inklusiv alle Menschen ansprechen möchte, um so dabei zu helfen, eine Gesellschaft zu formen, in der eine freiheitliche Gleichheit gelebte Realität wird. Mit dieser Zielsetzung diskriminiert der geschlechtergerechte Sprachgebrauch niemand.

Wollen wir diese Zielsetzung erreichen, müssen wir alle unseren Sprachgebrauch ändern - das ist eine Umgewöhnung, durchaus. Veränderungen erfordern Aufwand. Das kann nerven, das ist anstrengend, das ist manchmal auch unangenehm. Aber es ist weit von Diskriminierung entfernt - allein schon deshalb, weil niemand gezwungen wird zu gendern. Alle dürfen (und sollen) so reden wie sie möchten. Es darf und kann unserer Meinung nach niemand gezwungen werden, auf die eine oder andere Weise zu sprechen.

Genauso muss und darf berechtigte Kritik geübt werden, wenn jemand auf die eine oder die andere Weise spricht. Eine solche Kritik ist aber keine Diskriminierung, sondern sie ist notwendiger Bestandteil des freiheitlich-demokratischen Diskurses innerhalb unserer Gesellschaft. Dass diese Kritik an manchen Stellen sehr heftig ausfällt, ist schmerzlich, denn es ist nicht zielführend für die Sache, sie emotional aufzuladen. Auch dass manche Unternehmen oder Organisationen versuchen, ihren Mitarbeitenden und Partner*innen das Gendern oder Nicht-Gendern vorzuschreiben, ist nicht okay und schürt lediglich Ressentiments.

Gendergerechter Sprachgebrauch lebt von der Freiwilligkeit und der Macht der Argumente. Der Zwang ist kein geeignetes Mittel, um freiheitliche Werte wie Gleichheit durchzusetzen. Und genau deshalb wird niemand diskriminiert, der nicht Gendern will oder es noch nicht kann – manchmal aber eben kritisiert.

Quellen

Hinter den Angaben stehen jeweils die Nummern der Texte, in denen die Quelle verwendet wurde.

Literatur

  • Bem, Sandra / Bem, Daryl (1973): „Does Sex-biased Job Advertising ‚Aid and Abet‘ Sex Discrimination?“, in: Journal of Applied Social Psychology 3/1, 6-18. (5, 7) Online verfügbar im Bamberger Katalog

  • Braun, Frederike / Oelkers, Susanne / Rogalski, Karin / Bosak, Janine / Sczesny, Sabine (2007): „‘Aus Gründen der Verständlichkeit…‘: Der Einfluss generisch maskuliner und alternativer Personen-bezeichnungen auf die kognitive Verarbeitung von Texten“, in: Psychologische Rundschau 58/3, 183-185. (4, 5, 7) Online verfügbar im Bamberger Katalog

  • Gygax, Pascal / Gabriel, Ute / Garnham, Alan / Oakhill, Jane / Sarrasin, Oraine (2008): „Generically intended, but specifically interpreted. When beauticians, musicians, and mechanics are all men“, in: Language and Cognitive Processes 23/3, 464–485. (5)

  • Kotthoff, Helga / Nübling, Damaris (2018): Genderlinguistik. Eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht, unt. Mitarb. v. Claudia Schmidt, Tübingen: Narr, 91-127. (5) Online vefügbar im Bamberger Katalog

  • Stahlberg, Dagmar / Sczesny, Sabine (2001): „Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen“, in: Psychologische Rundschau52/3, S.131–140. (4, 5, 7) Online verfügbar im Bamberger Katalog

  • Stefanowitsch, Anatol (2018): Eine Frage der Moral. Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen, Berlin: Duden Verlag. (6) Verfügbar im Bamberger Katalog

  • Vervecken, Dries / Hannover, Bettina / Wolter, Ilka (2013): „Changing (S)expectations. How gender fair job descriptions impact children’s perceptions and interest regarding traditionally male occupations“, in: Journal of Vocational Behavior 82/3, 208-2020. (7) Online verfügbar im Bamberger Katalog

Links

Download


Literatur und Links

Links

fürs Deutsche

fürs Englische

Ratgeber und Literatur zum Thema Gendern

  • Diewald, Gabriele / Steinhauer Anja (2017): Richtig gendern. Wie Sie angemessen und verständlich schreiben, Berlin: Duden. Online verfügbar im Bamberger Katalog
  • Diewald, Gabriele / Steinhauer, Anja (2019): Gendern. Ganz einfach! Berlin: Duden. Online verfügbar im Bamberger Katalog
  • Diewald, Gabriele / Steinhauer, Anja (2020): Handbuch geschlechtergerechter Sprache. Wie Sie angemessen und verständlich gendern, Berlin: Duden. Verfügbar im Bamberger Katalog
  • Kotthoff, Helga / Nübling, Damaris (2018): Genderlinguistik. Eine Einführung in Sprache, Gespräch und Geschlecht, unt. Mitarb. v. Claudia Schmidt, Tübingen: Narr Francke Attempto. Online verfügbar im Bamberger Katalog
  • Nübling, Damaris (2020):Genus und Geschlecht. Zum Zusammenhang von grammatischer, biologischer und sozialer Kategorisierung (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse 2020.1), Stuttgart: Franz Steiner. Online verfügbar im Bamberger Katalog