ForMaD 07.11.2023 - „85 % der Leute, die eine Maske tragen, stecken sich mit COVID an“ Typische Fehler im Umgang mit bedingten Wahrscheinlichkeiten und Visualisierungsmöglichkeiten für die Sekundarstufe I

Bei Aussagen wie der im Titel des Beitrags von Prof. Dr. Karin Binder von der LMU München über Abhängigkeiten zwischen Erkrankungen und Masketragen, kommen schnell Unsicherheiten auf, in welcher Beziehung das eine wirklich zum anderen steht. Solche so genannten „Bayesianischen Aufgaben“ sind Aufgaben, bei denen verschiedene Wahrscheinlichkeiten miteinander verknüpft werden müssen. Bedingte Wahrscheinlichkeiten sind in vielen Alltagssituationen relevant. Sie mathematisch korrekt zu erfassen und darzustellen, stellt jedoch nicht nur für Schülerinnen und Schüler, sondern auch für Studierende und Lehrkräfte eine besondere Herausforderung dar. Gleichsam gilt dies, wie Binder eindrücklich darlegte, auch für Presse und Politiker:innen. Mitunter ist es schon nicht so einfach, Anteile richtig zu deuten. Lebhaft illustrierte der Beitrag diese und andere Fehlvorstellungen z.B. am typischen Fehler, bei dem „jeder 4.“ einem kleineren Anteil als „jeder 5.“ zugewiesen wird.

Trotz dieser Herausforderungen sind bedingte Wahrscheinlichkeiten gemäß aktuellen KMK Standards Mathematik 2022 bereits ab dem mittleren Schulabschluss obligatorisch. Binder machte demnach deutlich, wie wesentlich es ist, durch geeignete Darstellungen der Daten, Zugänge zu den mathematischen Zusammenhängen zu ermöglichen. Im DFG Projekt TrainBayes konnte sie mit vielen Kollegen typischen Fehlern auf die Spur kommen und insbesondere Optionen der Visualisierung bedingter Wahrscheinlichkeiten auf Wirksamkeit prüfen.

Die Vielfalt möglicher Darstellungen ist groß. Hierbei wird zunächst unterschieden, ob (natürliche) Häufigkeiten oder aber Wahrscheinlichkeiten in der Beschriftung der Darstellung auftreten. Wesentliche Ergebnisse verschiedener empirischer Studien, aus denen sich Erkenntnisse ableiten lassen, wie das Verständnis für bedingte Wahrscheinlichkeiten in der Sekundarstufe I unterstützt werden kann, wurden von Binder dargelegt. Insbesondere Vierfeldertafeln, Bäume bzw. Doppelbäume oder Netzdarstellungen wurden im Beitrag genauer diskutiert und Umsetzungsmöglichkeiten sogar ab der Grundschule vorgestellt.

Unterricht zu bedingten Wahrscheinlichkeiten sollte dabei die typischen Fehler kennen und diese als Kommunikations- und Argumentationsanlass aufgreifen. Damit erweist sich Unterricht zu Wahrscheinlichkeiten insbesondere auch als sprachintensiver und sprachförderlicher Mathematikunterricht.

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Leseanregungen

Binder, K., Steib, N. & Krauss, S. (2022). Von Baumdiagrammen über Doppelbäume zu Häufigkeitsnetzen kognitive Überlastung oder didaktische Unterstützung? Journal für Mathematik-Didaktik, 44(2), 471–503.

Binder, K., Blum, W., & Krauss, S. (2022). Gesichtserkennung: Wie verlässlich sind die Ergebnisse?. mathematik lehren, 230, 22-25.

Bruckmaier, G., & Binder, K. (2022). Eine Frage der Taktik: Fairness beim Spiel "Schere - Stein - Papier". mathematik lehren, 232, 23-27.

Binder, K., Steib, N., & Krauss, S. (2021). Das Häufigkeitsnetz: Alle Wahrscheinlichkeiten auf einen Blick erfassen. mathematik lehren, 224, 32-35.

Krauss, S., Weber, P., Binder, K., & Bruckmaier, G. (2020). Natürliche Häufigkeiten als numerische Darstellungsart von Anteilen und Unsicherheit – Forschungsdesiderate und einige Antworten. Journal für Mathematikdidaktik, 41(2), 485-521.

Pachur, T., & Binder, K. (2020). Risikoentscheidungen: Ein Interview mit Thorsten Pachur, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Stochastik in der Schule, 40(3), 8-9.