ForMaD 12.11.2015 -  „Die Aufgabe passt gut, weil man kann die alle doch genauso zusammennehmen, wie hier die Striche die getrennt haben“ – Sprachliche Mittel von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen bei der Interpretation mathematischer Veranschaulichungen

Gleich zu Beginn des Beitrags von Prof. Dr. Elke Söbbeke von der Universität Paderborn lernte das zahlreich erschienene Publikum Paul durch einen Videomitschnitt kennen. Paul besucht die zweite Klasse und erklärt seine Deutung eines 3x5-Punktefeldes. Erstaunt konnten alle miterleben, dass Paul die Orientierung des Punktefelds maßgeblich wichtig ist. Je nach Position auf dem Arbeitsblatt, deutet er 3er-Reihen oder 5er-Reihen. Den Zusammenhang zwischen diesen Deutungen stellt er nicht her. Genau aber dieser relationale Aspekt von Zahlen und Operationen ist es, auf den Söbbeke in ihren Forschungsarbeiten fokussiert.

Mathematische Begriffe sind abstrakte Begriffe. Material ist niemals der mathematische Begriff selbst, sondern kann nur auf Begriffsideen verweisen. Dabei plädiert Söbbeke ausdrücklich dafür Anschauungsmaterial als strukturiertes didaktisches Material zu denken, da konkrete Bezüge die Sicht auf mathematische Relationen nicht vereinfachen. Anschauungsmittel stellen Mathematikunterricht der Grundschule unerlässliche Werkzeuge dar, um mit Kindern über diese abstrakten Inhalte überhaupt nachdenken und sprechen zu können.

Im anlaufenden Forschungsprojekt stellt Söbbeke diese Kommunikation über Anschauungsmittel mit Kindern in der Grundschule in den Mittelpunkt, d.h. die Frage wie Kinder abstrakte Beziehungen und verallgemeinerbare Strukturen verbalisieren. Noch nicht abgeschlossen ist die Suche nach theoretischen Modellen für die fachliche Fundierung der Analyse der Kommunikation, die denkbar und im besten Fall hilfreich sind. Hiebei scheinen Bezüge zur Kognitionswissenschaften als Bezugsdisziplin tragfähig.

Als didaktische Kosequenz für Lehrkräfte und Studierende bleibt festzuhalten, die Deutungen der Kinder zunächst erst einmal wahrzunehmen und aufzugreifen. Wichtig ist von Seiten der Lehrperson aus die den Anschauungsmitteln inherenten mathematischen Strukturen und Ideen zu erkennen und den Kindern explizit zu machen und somit Deutungen zu unterstützen, die mathematisch weiterführen.

Leseanregungen

Söbbeke, E. & Steenpaß, A. (2010). Mathematische Deutungsprozesse zu Anschauungsmitteln unterstützen. In C. Böttinger, K. Bräuning, M. Nührenbörger, R. Schwarzkopf & E. Söbbeke (Hrsg.), Mathematik im Denken der Kinder. Anregungen zur mathematikdidaktischen Reflexion (S. 216-237). Seelze: Klett-Kallmeyer.

Schülke, C. & Söbbeke, E. (2010). Die Entwicklung mathematischer Begriffe im Unterricht. In C. Böttinger, K. Bräuning, M. Nührenbörger, R. Schwarzkopf & E. Söbbeke (Eds.), Mathematik im Denken der Kinder. Anregungen zur mathematikdidaktischen Reflexion (S. 18-28). Seelze: Klett-Kallmeyer.

Söbbeke, E. (2007). „Strukturwandel“ im Umgang mit Anschauungsmitteln -
Kinder erkunden mathematische Strukturen in Anschauungsmitteln. Die Grundschulzeitschrift - Themenheft „Struktur und Anschauung“, Heft 201, 4-13.

Söbbeke, E. (2005). Zur visuellen Strukturierungsfähigkeit von Grundschulkindern – Epistemologische Grundlagen und empirische Fallstudien zu kindlichen Strukturierungsprozessen mathematischer Anschauungsmittel. Hildesheim: Franzbecker.