ForMaD 09.06.11 - Wie Kinder rechnen lernen - oder auch nicht. Eine empirische Studie zur Entwicklung von Rechenstrategien im ersten Schuljahr

Eine riesengroße Resonanz hatte der Vortrag von Dr. Michael Gaidoschik aus Wien. Gretchenfrage der Veranstaltung war: "Was macht rechenstarke Kinder rechenstark - und rechenschwache rechenschwach?"

Gaidoschik konnte erstaunliche Ergebnisse einer Längsschnittstudie mit 139 niederösterreichischen Kindern aus 20 verschiedenen Volksschulen (zweistufige Zufallsauswahl) vorstellen. Es wurde untersucht, mit welchen Rechenstrategien Kinder zu Beginn ihres ersten Schuljahres Additionen und Subtraktionen im Zahlenraum bis zehn bearbeiten und auf welche Weise sie diese Strategien (dann auch im Zahlenraum bis 20) zunächst bis zur Mitte (t2) und schließlich bis zum Ende des ersten Schuljahres (t3) weiterentwickeln.

Gaidoschik unterscheidet dabei zunächst grob "Zählendes Rechnen" im Gegensatz zu "Faktenwissen" und fokussiert dann auf den Übergang, in dem "Ableitungsstrategien" als wesentlich erkannt werden können. In kurzen Videobeispielen wurden die unterschiedlichen Typen in der Vorgehensweise schnell nachvollziehbar. Gleichzeit wurde jedoch vor einer zu strikten schwarz-weiß Typisierung gewarnt und beispielhaft aufgezeigt, welche Potenziale in den Denkwegen der Kinder verborgen sind, die ggf. zu wenig unterrichtlich gefördert und gefordert werden.

In der untersuchten Kindergruppe scheint "Zählendes Rechnen" sogar mehrheitlich zumindest bis zum Ende des ersten Schulhalbjahres gezielt im Unterricht geübt worden zu sein. "Ableitungsstrategien" wurden demgegenüber gar nicht oder allenfalls in fachdidaktisch unzureichender Weise und Gewichtung behandelt. Daneben wurde aber offenbar auch dem Auswendiglernen von additiven Grundaufgaben mehrheitlich wenig bis keine Beachtung gewidmet. Für die Bewältigung von Aufgaben mit Zehnerübergang wurde gemäß den Angaben der Lehrkräfte als einzige nicht-zählende Strategie das "Teilschrittverfahren" ("Zehnerstopp") erarbeitet, auch dies im deutlichen Widerspruch zu Empfehlungen der aktuellen Fachdidaktik.

Die Diskussion der Ergebnisse mündet zusammenfassend in vier als wesentlich erkannten Punkten:

Bedeutung 

  1. fachdidaktischer Kompetenz von Lehrkräften,
  2. des Wissenserwerbs vor der Schule,
  3. von Schulbüchern, die den aktuellen fachdidaktischen Standards entsprechen,
  4. der bedarfsorientierten Zusatzförderung von Anfang an.

Die gesamte Präsentation mit etlichen Literaturangaben finden Sie hier(225.0 KB).

Leseempfehlungen

Gaidoschik, Michael (2010) Wie Kinder rechnen lernen - oder auch nicht. Frankfurt:Peter Lang Verlag ISBN 978-3631595190

weitere Anregungen unter www.recheninstitut.at/category/literaturtipps/

eine Auswahlliste auch hier(153.3 KB)

Zum Thema "Mathematische Frühförderung" siehe auch hier