ForMaD 27.05.2025 - Zum Einfluss von „mathematischen Arbeiten“ auf die Kreativität

Aus der schulischen Erfahrung scheint es abwegig, Mathematik und Kreativität zusammen zu denken, da oft nicht kreative, sondern eindeutige und korrekte Rechenlösungen erwartet wurden. Dr. Stephanie Gleich von der Peter-Vischer-Realschule Nürnberg stieß also auf ein hochgespanntes Publikum als sie Ergebnisse aus ihrer Dissertation an der FAU Erlangen-Nürnberg berichtete.
Zunächst klärte sie die beiden Begriffe aus theoriegeleiteter Perspektive. Zur Kreativität unterschied sie dabei kreative Produkte, eine kreative Umwelt und individuellen kreativen Fähigkeiten als Persönlichkeitsmerkmal. Letztere lassen sich an Flexibilität, Flüssigkeit, Originalität und Elaboriertheit des Denkens einer Person festmachen und können mit standardisierten Tests messbar gemacht werden.
Aus der Perspektive der Mathematik, so Stephanie Gleich, ist mathematischen Tun, das sich z.B. in Tätigkeiten einer Mathematikerin oder eines Mathematikers zeigt, wesentlichen von forschendem Tun und Prozessen der Suche und des Entdeckens zu verstehen. Im Gegensatz zum schulisch üblichen Lösen von mathematischen Fragestellungen, geht es vielmehr auch um das Generieren von Fragen. Problemlöseprozesse, die derartige Optionen bieten, findet Stephanie Gleich in geometrischen Konstruktionsproblemen zu besonderen Geraden und Punkten im Dreieck. Im Sinne von Schupp (Aufgaben und Variationen) können bei Angabe von 3 Objekten, also 3 Geraden, 2 Geraden und einem Punkt usw., vielfältige Aufgabenstellungen konstruiert werden, die mit Kompetenzen innerhalb des Schulcurriculums zugänglich sind.
In ihrer empirischen Untersuchung adressierte Stephanie Gleich die Vermutung, dass mathematisches Arbeiten im beschriebenen Sinn einen Einfluss auf die kreativen Fähigkeiten einer Person haben könnte. Im Rahmen ihres Dissertationsprojekts wurden 41 Mittelschullehramtsstudierende der Universität Erlangen-Nürnberg ein Semester lang zum mathematischen Arbeiten an den beschriebenen geometrischen Dreiecksaufgaben angeregt. Unterstützt durch die DGS GeoGebra konnten die Studierenden Konstruktionen auf Lösbarkeiten, Grenzfälle usw. untersuchen und insbesondere neue mathematische Fragen, zu besonderen Bedingungen der Geraden, Winkel etc., generieren. Alle Entdeckungen, Hypothesen, Lösungen und Irrwege dokumentierten die Studierenden in schriftlichen Forscherheften. Durch die akribische Analyse dieser Dokumente konnte Stephanie Gleich zeigen, dass es zwar große Unterschiede zwischen den Studierenden gab, aber alle Studierenden nicht nur Problemstellungen gelöst, sondern auch neue Probleme generiert haben. Letztlich kann Stephanie Gleich also als Ergebnis ihrer Studie festhalten, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass derartige Angebote und Tätigkeiten zum „mathematischen Arbeiten“ keinen kreativitätssteigernden Einfluss haben. Damit legt sie einen Grundstein für Folgestudien, die z.B. der Spur detaillierter nachgehen könnten, ob diese Effekte auch nachhaltig anhalten oder wie genau sich die Voraussetzungen für kreatives Arbeiten verbessert haben.
Leseanregungen
Gleich, S. (2024). Zum Einfluss von Mathematik auf die Kreativität. Dissertation Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Philosophische Fakultät und Fachbereich Theologie. https://doi.org/10.25593/open-fau-877
Gleich, S. (2020). Beeinflusst mathematisches Arbeiten die Kreativität? Eine erste Tendenz. Beiträge zum Mathematikunterricht. WTM. http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-21322
Gleich, S. (2019). Konzeption einer Studie zum Einfluss von Mathematik auf kreative Fähigkeiten. Beiträge zum Mathematikunterricht. WTM. http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-20830
Gleich, S. (2018). Über einen neuen (?) Aufgabentyp zu Dreieckskonstruktionen. Beiträge zum Mathematikunterricht. WTM. http://dx.doi.org/10.17877/DE290R-19356
