"Transkulturelle Urbanität in der syrischen Wüstensteppe:
Resafa vom 1. bis zum 13. Jahrhundert im regionalen und überregionalen Kontext" (Laufzeit 2018-2020)

Anknüpfend an die umfangreichen Vorarbeiten sollen in der aktuellen Projektphase die Ergebnisse von mehr als 50 Jahren Resafa-Forschung zusammengeführt und unter übergeordneten kultur-, sozial- und siedlungsgeschichtlichen Fragestellungen ausgewertet werden. Zusammen mit einem Team von Bauforschern der TU Berlin (Prof. Dr. i. R. Dorothée Sack) wird an der Professur für Archäologie der Römischen Provinzen an einer diachron angelegten Interpretation des Fundplatzes gearbeitet. Über die reine Ortsgeschichte hinaus sollen in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Vorhaben nun auch die überregionalen Verbindungen und Wechselbeziehungen zwischen räumlichen Ordnungen und sozialen Strukturen in die Untersuchungen einbezogen werden. Das Projekt beschäftigt sich mit drei großen Themenbereichen, in denen archäologische und schriftliche Quellen in Korrelation zueinander zu betrachten sind:

1. Stadtbauphasen

Die Analyse der städtebaulichen Entwicklung Resafas als spätantike Pilgerstadt und frühislamische Kalifenresidenz und die Frage nach dem Fortleben der städtischen Strukturen antiker Prägung bis zur Aufgabe der Stadt im 13. Jahrhundert ist ein Schwerpunkt des Projektvorhabens. Ziel ist es, die einzelnen Perioden von Prosperität, Stagnation und Rezession vom 1. bis zum 13. Jahrhundert in chronologisch detaillierten Stadtbauphasen fassbar zu machen und in Zeitschichtenplänen visuell aufzubereiten (Arbeitsgruppe Berlin und Bamberg).

2. Protagonisten und transformative Prozesse

In einem historischen und sozialhistorischen Kontext stehen die Forschungen zu den Protagonisten der Stadtentwicklung. Die Anziehungskraft Resafas als Pilgerziel seit dem 4. Jahrhundert, die militärstrategische Bedeutung der florierenden Stadt im 6. Jahrhundert, aber auch die Residenznahme durch den umayiadischen Kalifen im frühen 8. Jahrhundert führten zu einer konzentrierten Präsenz weltlicher, geistlicher und militärischer Amts- und Würdenträger. In diesem Teil des Projekts sollen transformative Prozesse unter dem Blickwinkel der Einflussnahme verschiedener Protagonisten auf die Stadt- und Siedlungsgeschichte untersucht werden. Hierbei ist zu diskutieren, ob und inwiefern sich von der römischen Antike bis in die islamische Zeit neue soziale, politische und territoriale Rahmenbedinungen mit unterschiedlichen politischen und ökonomischen Systemen, Hierarchien, Loyalitäten und Netzwerken auf das Erscheinungsbild der Stadt ausgewirkt haben (Arbeitsgruppe Berlin und Bamberg).

3. Transkulturelle Prozesse

Die Grenzräume am römischen Limes waren wichtige Kontaktstellen zwischen römischen Repräsentanten und den exterritorialen Nachbarn, aber auch zwischen Sesshaften und Nomaden. Die Siedlungen und Kastelle an den Grenzen waren damit zugleich zentrale Orte interkultureller Kommunikation. Aufgrund der außergewöhnlichen Lage Resafas im Überschneidungsbereich der Kulturräume Mesopotamiens mit denen Nordwest- und Zentralsyriens bietet der Platz mit einer Präsenz und Frequentierung von Personen ganz unterschiedlicher Couleur hinsichtlich Herkunft, Lebensform und Status in besonderer Weise die Möglichkeit, die Art und Dynamik inter- und transkultureller Prozesse in Grenzräumen zu untersuchen. Ausgehend von bereits vorliegenden Studien zu Fragen regionaler Identität und transregionaler Interaktion im römischen Syrien soll die Bedeutung der metropolis als Teil eines transkulturellen Gestaltungsraumes weiter gefasst und angesichts der spezifischen lokalen Voraussetzung vertieft werden (Arbeitsgruppe Bamberg).

Eine Analyse der klassischen und orientalischen Textquellen führen für diese Fragen weiter. In den Untersuchungen der Schriftquellen zu den in der Region lebenden Nomaden und Stämmen wird es darum gehen, das vorislamische Resafa diesbezüglich historisch und sozial zu kontextualisieren. Dabei wird auch die Spezifität des Sergoiskultes und seine Bedeutung im Kontext des umfassenden Phänomens der spätantiken Heiligenverehrung in den östlichen Provinzen untersucht. Hierfür sind literarische und archäologische Quellen bewertend zusammenzuführen (Arbeitsgruppe Bamberg).

Mit Abschluss des jüngsten Resafa-Projekts wird die Gesamtanalyse einer der bedeutendsten Zentralorte in der Steppenzone zwischen Rotem Meer und Euphrat von der Spätantike bis in die Kreuzfahrerzeit vorliegen. Die Untersuchungen können damit einen wesentlichen Beitrag zur aktuellen Diskussion um Formen und Folgen transkultureller Prozesse und zu Parametern identitärer Dynamik leisten.