Poetikprofessur 2006: Ulrike Draesner

Zauber im Zoo.

Reden von Herkunft

              mit dem Ende des Alphabets

Dienstag, 13. Juni 2006
Zeugen


Pürierte Helden – oder: warum wir noch immer / schon wieder von Herkunft erzählen


Dienstag, 20. Juni 2006
Züngeln

Vom Entstehen eines literarischen Textes

Dienstag, 27. Juni 2006
Zehren

Herkunft – Heimat – Deutschland?

 
Dienstag, 11. Juli 2006
Zielen

Zum Verhältnis von Wirklichkeit und Text


Vier öffentliche Vorträge in der U7, Hörsaal 105, 20 Uhr

Prof. Dr. Friedhelm Marx,
Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft


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Unter der Rubrik "Jetzt erschienen"finden Sie einen Hinweis auf die Veröffentlichung "Familien - Geschlechter - Macht. Beziehungen im Werk Ulrike Draesners".

 

 

Die Autorin

Ulrike Draesner führe mit ihrer Lyrik die „Avantgarde weiter“, meint die Frankfurter Rundschau; „eine gelehrte, mit allen Wassern gewaschene Autorin“ schreibt Wulf Segebrecht in der FAZ über die 44-jährige Münchnerin; als „Erkenntniswerkzeuge“ bezeichnet die Neue Zürcher Zeitung ihre Literatur: Bewunderung in den Feuilletons für Ulrike Draesner, die sich nach einer wissenschaftlichen Karriere als promovierte Mediävistin vor 12 Jahren für den Schriftstellerberuf entschieden hat. Seither publizierte sie vier Gedicht- und zwei Erzählbände, drei Romane, Hörspiele, Übersetzungen, Essays und beteiligte sich an zahlreichen intermedialen Projekten. Bereits ein Jahr nach ihrem schriftstellerischen Debüt erhielt sie den ersten Literaturpreis.

Ulrike Draesner, geboren am 20. Januar 1962 in München, studierte Rechtswissenschaft, Anglistik, Germanistik und Philosophie in München und Oxford. 1992 promovierte sie in Germanistischer Mediävistik und war von 1989 bis 1993 wissenschaftliche Assistentin an der LMU München. Seit 1994 lebt sie als freie Autorin, Übersetzerin und Literaturkritikerin in Berlin. 

Literaturpreise

1995
Förderpreis des Leonce-und-Lena-Preises

1997
Förderpreis der Bayerischen Staatsregierung für Literatur

1997
Foglio-Preis für junge Literatur

2001
Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises

2002
Preis der Literaturhäuser

2006
Droste-Preis

Literarische Publikationen

Romane

2005          Spiele (Luchterhand)

2002          Mitgift (Luchterhand)

1997          Lichtpause (Volk & Welt)

Lyrik

2005          kugelblitz (Luchterhand)

2001          für die nacht geheuerte zellen (Luchterhand)

1997          anis-o-trop. Sonette (Rospo)

1995/2000         gedächtnisschleifen (Suhrkamp)

Erzählungen

2004          Hot Dogs (Luchterhand)

1999          Reisen unter den Augenlidern (Ritter)

Hörspiele

1998          beziehungsmaschine (Bayerischer Rundfunk)

1998          dieser Bottich, ach, das Ich (Bayerischer Rundfunk)

Essays (Auswahl)

1998
Atem, Puls und Bahn. Das Denken des Körpers im Zustand der Sprache. In: Lettre International, H. 44 / bzw. in: Minima Poetica. Für eine Poetik des zeitgenössischen Gedichts. Hg. von Joachim Sartorius, Suhrkamp 2003.

2001
Möblierte Mädchen. In: Einsam sind alle Brücken. Autoren schreiben über Ingeborg Bachmann. Hg. von Reinhard Baumgart und Thomas Tebbe. München: Piper 2001.

Übersetzungen

1999
Twin Spin. Sonette von Shakespeare. In: to change the subject. Hg. von Ulrike Draesner, Barbara Köhler, Peter Waterhouse. Göttingen: Wallstein.

2000
Gertrude Stein: The first reader. Drei Stücke. Klagenfurt: Ritter.

2006
Hilda Doolittle: Hermetic Definition/Heimliche Deutung. Basel: Engeler.

Weitere Informationen und Texte unter www.draesner.de.

Artikel zum Kolloquium im Fränkischen Tag, Bamberg(271.7 KB) (pdf-Dokument)

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Die diesjährige Poetik-Professur übernimmt die Autorin Ulrike Draesner. Sie wird am 13., 20. und 27. Juni sowie am 11. Juli 2006 in vier Abendvorträgen ihr poetologisches Konzept vorstellen und jeweils am Morgen danach ihre Ausführungen gemeinsam mit den Studierenden im Autorenseminar diskutieren. Ein Kolloquium zum Gesamtwerk der Autorin am 11. und 12. Juli 2006 wird die Poetik-Professur beschließen.

Die Autorin Ulrike Draesner
In den letzten Jahren avancierte Ulrike Draesner, die 1962 in München geboren wurde und heute in Berlin lebt, zu einer renommierten deutschen Gegenwartsautorin. Zunächst arbeitete die promovierte Mediävistin mehrere Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der LMU, seit 1994 schließlich als freie Autorin, Literaturkritikerin und Übersetzerin. Ihr literarisches Debüt feierte sie 1995 mit ihrem Gedichtband gedächtnisschleifen. Es folgten zwei Erzählungsbände und 1998 der erste Roman Lichtpause. Als Ulrike Draesner 2002 ihren zweiten Roman Mitgift publizierte, feierte die Kritik ihn als „einen der intelligentesten Romane dieser Jahre“ (NZZ) und bescheinigte der Autorin großes literarisches Talent. Inzwischen wurde Ulrike Draesners Werk mit zahlreichen literarischen Preisen ausgezeichnet, darunter 1997 der Förderpreis der Bayerischen Staatsregierung für Literatur und der Förderpreis des Friedrich-Hölderin-Preises sowie 2002 der Preis der Literaturhäuser. Nach der Veröffentlichung weiterer Prosa- und Lyrikbände sowie verschiedener Essays legte Ulrike Draesner im Herbst des vergangenen Jahres ihren aktuellen Roman Spiele vor.

Das Werk Draesners
Ulrike Draesner spürt in ihrer Prosa und Lyrik konsequent dem modernen Subjekt, seinen Sozialisations- und Beziehungsproblemen nach. Dabei wird eine Gesellschaft beleuchtet, in der Identitätsfindung zwischen naturwissenschaftlichen Höchstleistungen, biografischen Ungewissheiten und emotionalen Leerstellen ausbalanciert werden muss. Ulrike Draesners Werke stehen für eine Literatur, die naturwissenschaftliche Fortschritte, moderne Gesellschaftsstrukturen und darauf gründende individuelle Fragestellungen nicht nur nachzuzeichnen und in ihrer Problematik zu entschlüsseln sucht, sondern bereits die Teilhabe von Literatur an der Neumodellierung von Beziehungsmustern und modernen Identitätsentwürfen offen legt.

Die Texte im Einzelnen
In Draesners Romanerstling Lichtpause (1998) schildert eine 11jährige Erzählerin nach einem tödlichen Unfall post mortem die eigenen Sozialisationserfahrungen: Domestizierungsversuche der Lehrer, Distanz dem eigenen vorpubertären Körper gegenüber und die Unerbittlichkeit der elterlichen Machtinstanz prägen das Beziehungsgeflecht, dem die kindliche Erzählerin auf der Suche nach einer eigenen Identität ausgesetzt ist. Geschlechter- und Familienbeziehungen werden auch im Roman Mitgift (2002) reflektiert, hier jedoch in ihrem Einfluss auf eine dezidiert sexuelle Identität. Judith Butlers 1990 in Gender trouble erstmals herausgestellte Zweifel an einer biologisch determinierten und vordiskursiv begründeten Geschlechteridentität werden innerhalb des Romans im medizinischen Phänomen des Hermaphrodismus und im androgynen Körper einer Magersüchtigen explizit aufgegriffen und reflektieren die Frage, wie sich Identität über eine nicht mehr eindeutige Sexualität überhaupt definieren lässt.
Die Erzählbände Reisen unter den Augenlidern (1999) und Hot dogs (2004) inszenieren moderne Individuen, die gezwungen sind, Familien- und Liebesbeziehungen einzugehen im Zeitalter der Gentechnologie und der Möglichkeiten der technischen Reproduktion von Embryonen. Insbesondere durch die grelle Ausleuchtung sexueller Begegnungen weisen die Texte auf die Schwierigkeit hin, Liebe und Sexualität jenseits der nicht mehr gegebenen biologischen Nützlichkeit neu zu definieren.
Der jüngste Roman Spiele (2005) schließlich verknüpft einen Ausschnitt aus dem kollektiven Gedächtnis, das Attentat im Rahmen der Olympischen Spiele in München 1972, mit der individuellen Rückbesinnung der weiblichen Hauptfigur auf ihre eigenen biografischen Koordinaten. In ihren seit 1995 erschienenen vier Gedichtbänden gedächtnisschleifen (1995), anis-o-trop (1997), für die nacht geheuerte zellen (2001) und kugelblitz (2005) sucht Ulrike Draesner, in der Tradition von Lyrikern wie Durs Grünbein, Thomas Kling oder Friederike Mayröcker, die Brüchigkeit physischer und psychischer Individualität sprachlich zu vergegenwärtigen.