Die kyrillische Schrift unter dem Einfluß des lateinischen Alphabetes

Auf dem 11. Deutschen Slavistentag (allgemeiner Bericht siehe hier) hielt Prof. Kempgen einen Vortrag zu den aktuellen Tendenzen, die sich in der Kyrillica beobachten lassen. Dabei ging es um Veränderungen, die die Kyrillica im Kontakt mit der lateinischen Schrift erlebt, vorzugsweise in Gebieten an der Peripherie, nämlich in Bulgarien und Makedonien. In Rußland hingegen ist die kyrillische Typographie, so das Fazit, deutlich konservativer, auch wenn sich dort ebenfalls einzelne Veränderungen beobachten lassen. Prof. Kempgen präsentierte seine Thesen mit Bildmaterial, das er auf vielen Reisen nach Russland, Serbien, Bulgarien und Makedonien gesammelt hatte.

Der Vortrag war Teil eines ganzen Panels zum Thema "Die slavischen Alphabete im Kontakt". Alle Vorträge sowie weitere einschlägige Arbeiten sollen jetzt in einem Sammelband in Bamberg veröffentlicht werden.

Wer das Bild unten typographisch aufmerksam betrachtet, kann allein drei Veränderungen erkennen: 

1) das kyrillische "b" wird wie das lateinische "g" (nur gedreht) gestaltet (normalerweise hat es eine eigentständige Form, die nicht mit einem lateinischen Buchstaben identisch ist);

2) in Bulgarien ist die alte, eigentlich griechische Form des "l" die deutlich beliebtere; in Rußland wird sie nur auf Plakaten, in Überschriften usw. gelegentlich bevorzugt.

3) das "k" hat einen Aufstrich (eine Oberlänge) wie der lateinische Kleinbuchstabe.

Insgesamt: 3 verschiedene Änderungen in einem einzigen Wort, in einem Wort von nur 4 Buchstaben. Das Schild hängt übrigens auf dem Campus der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia. Wahrscheinlich hat der Schildermachen seinerzeit einfach in seinen lateinischen Setzkasten gegriffen und die Buchstaben g - v - o - k genutzt, wobei er die ersten beiden einfach auf den Kopf gestellt hat.