Vortrag von Dr. Johannes Leder bei der Interdisziplinären Sudankonferenz in Erfurt am 22.01.2016 in Erfurt: „Risikowahrnehmung und die Rolle von Anpassungsprozessen“.

Die bisherige Forschung zu Risikowahrnehmung und Umgang mit persönlichen Gefährdungen hat den Umgang mit andauernden Gefährdungen vernachlässigt. Während Studien auf der gesellschaftlichen Ebene effiziente Anpassungen belegen (Burns, Slovic, & Peters, 2011) sind die Anpassungsprozesse auf der Ebene des Individuums quasi ein weißer Fleck auf der Landkarte. Aber gerade das Verstehen der psychologischen Prozesse die individuelle Anpassung ermöglicht ist zentral, um Menschen zur Arbeit in gefährlichen Kontexten zu befähigen.


Eine wichtige Methode zur Erhöhung von Sicherheit und vor allem Sicherheitsgefühl von Mitarbeitern sind Sicherheitstrainings. Sicherheitstrainings basieren auf dem Rationalen Modell der Ökonomie und der grundsätzlichen Annahme, dass wahrgenommenes Risiko und Reaktionen abhängig sind von der wahrgenommenen Wahrscheinlichkeit und den wahrgenommenen Konsequenzen eines Zwischenfalls sind. Allerdings ist es fraglich, ob Menschen Risiken tatsächlich in dieser Form wahrnehmen. So zeigen Laborstudien (z.B. Huber, 2012; Huber, Bär, & Huber, 2009), dass Menschen in realistischen Kontexten mehr Informationen über mögliche Risikoentschärfungsmechanismen suchen als Wahrscheinlichkeitsinformationen. Außerdem legen Theorien der Stressbewältigung nahe, dass die Wahrnehmung von Gefahren und die damit einhergehenden Reaktionen über eine bloße Integration von Wahrscheinlichkeiten und Konsequenzen hinausgehen. Die Reflektion eigener Ressourcen und Handlungsoption sowie die Anpassung an schwierige Situationen sind zentral um den Umgang mit Stress zu verstehen (Lazarus, 1999). Im Rahmen der Risikoforschung wurde diese Perspektive bisher nicht verfolgt.


Die hier vorgestellte Studie hat das Ziel, theoretisch abgeleitete Zusammenhänge zwischen Risikowahrnehmung und Anpassungsstrategien zu untersuchen. Mit Entwicklungshelfern (N =24) in Karthum und Darfur (Sudan) wurden Interviews geführt. Die Ergebnisse zeigen, dass Bewältigungsstrategien entscheidend für die Wahrnehmung von Gefahren und die Sorge um eigene Sicherheit sind. Es zeigt sich, dass Personen die Risiken akzeptieren und proaktiv mit ihnen umgehen mehr Bedrohungen wahrnehmen, aber weniger besorgt sind, als Personen die versuchen, Risiken zu vermeiden. Die Muster der Anpassung reflektieren Prozesse der Immunisierung, Akkommodation und Assimilation.


Der Vortrag soll verdeutlichen, dass beim Risikomanagement auch Anpassungsstrategien der einzelnen Mitarbeiter beachtet werden sollten und dass weitere Forschung in Form von Feldstudien nötig ist, um derartige Anpassungsprozesse zu verstehen. Ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis von Risikowahrnehmung und Anpassungsprozessen ermöglicht effizienteres Risikomanagement, höhere Sicherheit und gleichzeitig höhere Flexibilität der Mitarbeiter im Feld.

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