Selbsteinschätzung und Überschätzung in der Schule

Dr. Thomas Lösch wird gemeinsam mit Prof. Dr. Oliver Lüdtke und Dr. Alexander Robitzsch vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel sowie Prof. Dr. Augustin Kelava, Prof. Dr. Benjamin Nagengast und Prof. Dr. Ulrich Trautwein von der Universität Tübingen einen Beitrag auf der Arbeitstagung der Fachgruppe Differentielle Psychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychologische Diagnostik in München präsentieren : Ein Blick in die Runde: Ein interpersoneller Ansatz zu Selbsteinschätzung und Überschätzung im Kontext Schule.

Zusammenfassung
.Eine positive Selbsteinschätzung schulischer Fähigkeiten ist ein zentraler Prädiktor für schulischen Erfolg. Gerade in der Schule sagen aber nicht nur Selbsteinschätzungen sondern auch Peereinschätzungen die schulische Leistung vorher. Doch haben die beiden Perspektiven einen inkrementellen Vorhersagewert über ihre geteilte Varianz hinaus? Dieser Frage wird in der vorliegenden Studie nachgegangen, indem ein interpersoneller Ansatz auf die schulische Leistungswahrnehmung angewendet wird. Mittels des Social Relations Modells wird die Varianz von Selbsteinschätzungen akademischer Leistung zerlegt in eine „Methode“ (Beobachter Effekt) die auf Schülerinnen und Schüler als Beurteiler zurückgeführt wird, einen „Trait“ (Target Effekt) der auf die wahrgenommene Leistung von Schülerinnen und Schülern zurückgeführt wird, sowie auf eine idiosynkratrische Selbsteinschätzungstendenz, die auf eine Überschätzung von Schülerinnen und Schülern zurück geführt wird. In einem Round-Robin Design schätzten insgesamt 1,549 Schülerinnen und Schüler aus 87 Schulklassen in zwei Alterskohorten die mathematische Kompetenz von sich und allen Klassenkameraden ein. Es zeigten sich drei zentrale Ergebnisse. Erstens, Selbst- und Peereinschätzungen mathematischer Leistung hatten einen substantiellen Anteil geteilter Varianz. Zweitens, die geteilte „Trait“-Varianz hing substantiell mit tatsächlicher Leistung zusammen und sagte Leistungszuwächse vorher. Drittens, Überschätzung hatte einen kleinen, aber dennoch signifikanten Effekt auf Leistungszuwächse. Somit bildeten sowohl Fremd- als auch Selbsteinschätzungen relevante Varianzanteile ab. Insgesamt führt diese Studie den interpersonellen Ansatz als generalisierten Rahmen ein, um Selbst- und Fremdwahrnehmung schulischer Leistung integriert zu betrachten.