Neue Publikation: Ego Depletion und Ankereffekte

Sind Personen anfälliger für Einflüsse durch irrelevante Informationen, wenn ihre Selbstkontrolle erschöpft ist? Ein strenger Test der sogenannten „Sticky-Anchor Hypothese“ fiel in dem Registered-Report von Lukas Röseler, Prof. Dr. Astrid Schütz, Prof. Dr. Roy F. Baumeister, und Prof. Dr. Ulrike Starker negativ aus.

Hat dieser Satz mehr oder weniger als 100 Buchstaben?* Wenn Personen die Antwort auf diese oder ähnliche Fragen schätzen und dabei mit einer willkürlichen Zahl konfrontiert werden (hier die 100), wird ihre Schätzung zu dieser Zahl hin verzerrt. Dieser sogenannte Ankereffekt tritt selbst bei Personen auf, die das Phänomen kennen und wurde vielfach repliziert. Wir haben untersucht, wie sich die Stärke von Ankereffekten verändert, wenn Selbstkontrolle erschöpft ist (ego-depletion).

 

Banker und Kollegen (2017) nahmen an: Erschöpfte Personen seien anfälliger für Vorschläge jeder Art – die „Hypothese des klebrigen Ankers“ (Sticky Anchor Hypothesis). Der Theorie zufolge erfordert es Selbstkontrolle, sich von dem Anker zu lösen bzw. dagegen zu argumentieren. Wenn die Selbstkontrolle erschöpft ist, müssten Ankereffekte also stärker werden.

 

Allerdings wurde in der „Hypothese des klebrigen Ankers“ bislang nicht mit klassischen Paradigmen der Ankerforschung untersucht. In der aktuellen Studie haben wir die Hypothese einem strengen Test unterzogen. Dabei haben wir das Format des „Registered Reports“ (https://osf.io/rr/) gewählt: Der Forschungsartikel wird vor der Datenerhebung und damit unabhängig von den Ergebnissen begutachtet. Dieses Vorgehen soll dem Publikationsbias entgegenwirken, der darin besteht, dass nur hypothesenstützende Ergebnisse veröffentlicht werden und ein verzerrtes Bild von Studien in der Literatur entsteht.

 

Die Hypothese, dass geringe Selbstkontrolle mit stärkeren Ankereffekten einhergeht, konnte nicht bestätigt werden. Es besteht damit Erklärungsnot für vergangene Befunde – und Anlass für weitere Forschung. 

 

In dem Artikel halten wir die aktuellen Open Science Standards ein: Alle für die Forschung verwendeten Materialien, wie zum Beispiel das Analyseskript, der Fragebogen, die erhobenen Daten, sowie der Preprint sind öffentlich zugänglich unter https://osf.io/2c75d/. Das gesamte methodische Vorgehen inklusive dem Analyseskript war prä-registriert (https://osf.io/97gaf) und jegliche Abweichungen von dem geplanten Vorgehen wurden gekennzeichnet.

 

Referenz:

Röseler, L., Schütz, A., Baumeister, R. F., & Starker, U. (2020). Does ego depletion reduce judgment adjustment for both internally and externally generated anchors? Journal of Experimental Social Psychology87, 103942. (2018 JESP impact factor: 3.291)

 

*Der erste Satz hat 41 Buchstaben.