Der Schmied von Atzbach

Im Jahr 2000 konnte zwischen Wetzlar und Gießen bei Atzbach, Gde. Lahnau, Lahn-Dill-Kreis erstmals in Hessen der Werkplatz eines keltischen Metallhandwerkers der jüngeren Eisenzeit untersucht werden. Für die Anfänge der Eisengewinnung und -nutzung in dieser erzreichen Region am Ostrand des Rheinischen Schiefergebirges ist der Befund aus technologischer wie kulturgeschichtlicher Sicht von ganz besonderer Bedeutung. Bei den Ausgrabungen des Vorgeschichtlichen Seminars der Universität Marburg an einem Oberhang rund 70m über der Lahntalaue wurde neben einem kleinen rechteckigen Gebäude mit eingetieftem Fußboden (Grubenhaus) von ca. 3m x 2m eine größere, zweigeteilte Werkstattgrube freigelegt (Abb. 1). Latènezeitliche Keramik sowie sechs AMS-C14-Daten datieren den gesamten Komplex zwischen das 4. und 2. Jahrhundert v. Chr.

Bei den Ausgrabungen des Vorgeschichtlichen Seminars der Universität Marburg an einem Oberhang rund 70m über der Lahntalaue wurde neben einem kleinen rechteckigen Gebäude mit eingetieftem Fußboden (Grubenhaus) von ca. 3m x 2m eine größere, zweigeteilte Werkstattgrube freigelegt (Abb. 1). Latènezeitliche Keramik sowie sechs AMS-C14-Daten datieren den gesamten Komplex zwischen das 4. und 2. Jahrhundert v. Chr. Die Werkstattgrube (Abb. 2) war mit Abraumschichten des Schmiedebetriebs angefüllt. Die Schmiedeesse selbst fand sich am Ostrand der flachen rund 2m langen "Hauptgrube", war ursprünglich aus Lehm errichtet und mit einem Flechtwerkkranz stabilisiert. Der Herd war bei der Auffindung zerstört, die Staken des Flechtwerks gezogen; in Verbindung mit den wenigen Metallresten aus der Grabung lässt sich eine planmäßige Räumung der gesamten Anlage erkennen. An die "Hauptgrube" schließt sich im Norden eine kleinere aber wesentlich tiefere "Vorgrube" mit einer weiteren zentralen Vertiefung an, deren genaue Funktion bisher nicht geklärt ist. Beide Gruben waren gleichzeitig in Betrieb und bilden eine funktionale Einheit. Ihre Sohle war Laufniveau, wie in den Untergrund eingetretene Holzkohle und Abfälle belegen. Reste einer außerhalb gelegenen Laufschicht erlauben darin den zentralen Teil einer noch größeren Grube oder eines Grubenhauses zu sehen, doch sind die höher gelegenen Befundpartien längst durch den Pflug bzw. die Hangerosion zerstört. Die reich mit metallurgischem Abfall durchsetzten Abraumschichten der Werkstattgrube erweisen sich in technologischer Hinsicht als besonders aufschlussreich. Eine größere Anzahl Eisenschlacken, wie auch sogenannter Hammerschlag oder Zunder (Abb. 3), der beim sorgfältigen Schlämmen der Füllschichten zum Vorschein kam, charakterisieren den Befund als Schmiedewerkstatt. Hier wurde hauptsächlich eisernes Werkzeug und Gerät hergestellt, repariert oder umgearbeitet. Unter den zahlreichen Brandlehmfragmenten, die teils zur Herdwandung teils auch zu Düsenziegeln zum Schutz des Blasebalges gehören, fand sich aber auch das Fragment einer Gussform. Zusammen mit einem Bronzeschmelzstück belegt dieses unscheinbare Tonfragment auch den Bronzeguss "in verlorener Form" in Atzbach, einen letztlich aufwändigen Arbeitsgang: Dabei wird ein Wachsmodell des gewünschten Gegenstandes mit Ton umkleidet, anschließend erhitzt, das Wachs ausgeschmolzen und dann der Hohlraum mit flüssiger Bronze ausgegossen. Die Form wird zerschlagen, der fertige Gegenstand entnommen.

Mit dem Fundplatz von Atzbach tritt uns die Werkstatt eines Schmiedes und Bronzegießers der jüngeren Eisenzeit vor Augen, der sämtliche auf dem Metallsektor anfallende Arbeiten in seiner Siedlungsgemeinschaft durchgeführt haben dürfte. Dass er auch heimisch gewonnenes Eisen verarbeitete, ist zwar wahrscheinlich, aber bisher nicht sicher nachweisbar. In den Kiesschichten der Lahnaue, kaum 1,5 km entfernt, kamen bei Wetzlar-Dutenhofen die Überreste einer zeitgleichen, latènezeitlichen Eisenerzverhüttung zu Tage. Mittlerweile liegt durch die Ausgrabungen bei Wetzlar-Dalheim ein weiterer Nachweis lokaler keltischer Eisengewinnung vor. Die Kontrolle und Ausbeutung der reichen Erzlager der Lahnmulde barg zweifellos ein erhebliches ökonomisches Potential, dessen sich die gesellschaftlichen Führungsschichten zu allen Zeiten wohl bewusst waren. Mit dem Beginn der Eisenzeit kann hier an der nördlichen Peripherie der Wetterau eine Intensivierung der Besiedlung festgestellt werden. Diese lässt sich mittlerweile auch vegetationsgeschichtlich durch eine verstärkte Waldnutzung (Holzeinschlag) nachweisen. Die lokale Eisengewinnung und -verarbeitung im Vorland des Dünsberges, in keltischer Zeit mit Atzbach, Dutenhofen und Dalheim nunmehr erstmals zu fassen, ist als Teil dieser Entwicklung zu sehen, wenngleich ihr Anteil daran noch immer mehr zu erahnen, als zu erfassen ist.

Literatur:

  • A. Schäfer/ Th. Stöllner, Frühe Metallgewinnung im Mittleren Lahntal. Vorbericht über die Forschungen der Jahre 1999-2001. Mit Beiträgen von N. Buthmann/ B. Zickgraf, G. Gassmann, A. Kreuz und K. Röttger. Berichte der Kommission für archäologische Landesforschung in Hessen 6, 2000/2001 (2001), 83-111.

  • A. Schäfer/ Th. Stöllner, Schmiedewerkstatt Lahnau-Atzbach, Lahn-Dill-Kreis, "Unter dem Gleiberger Weg". In: Glaube - Mythos - Wirklichkeit. Das Rätsel der Kelten vom Glauberg. Ausstellung des Landes Hessen in der Schirn Kunsthalle Frankfurt 24. Mai bis 1. September 2002 (Stuttgart 2002) 269-270.