Pilotstudie "Regelgebundene Entscheidungen im Weltsicherheitsrat: Die Al-Qaida/Taliban Sanktionsausschüsse"
Als wohl wichtigste globale Organisation zum Schutz von Weltfrieden und internationaler Sicherheit ist der Weltsicherheitsrat mit außerordentlichen Machtbefugnissen ausgestattet. Im Rahmen seiner Sanktionsregime errichtet der Rat vielfach komplexe Governance-Strukturen, die über einen längeren Zeitraum existieren, vielfältige Einzelmaßnahmen umfassen und dabei fortlaufend erheblichen Entscheidungsbedarf hervorrufen. Da der Rat als politisches Organ diesen Bedarf nicht vollständig selbst erfüllen kann, überträgt er zunehmend wichtige Entscheidungsfunktionen auf seine Sanktionsausschüsse.
Trotz der umfangreichen Literatur zum Weltsicherheitsrat fehlt bislang eine systematische Analyse der Folgen, die durch die Einrichtung von Sanktionsausschüssen hervorgerufen werden. Übersehen wird bislang weitestgehend, dass durch die Einsetzung von Sanktionsausschüssen ein mehrstufiger, in sich differenzierter Entscheidungsprozess entsteht, der geeignet ist, den Weltsicherheitsrat von einer Bühne für politische Großmachtentscheidungen in eine komplexere Governancestruktur zu überführen.
Um diese Forschungslücke zu schließen, soll daher anhand geeigneter Fälle untersucht werden, ob und auf welche Weise die Einsetzung entscheidungsbefugter Sanktionsausschüsse die im Weltsicherheitsrat vorherrschende Entscheidungslogik, die im wesentlichen der jeweils aktuellen Machtverteilung unter den Mitgliedern folgt, beeinflusst. Zudem soll erfasst werden, wie sich diese Entwicklung gegebenenfalls auf die Entscheidungsinhalte auswirkt. Die Entscheidungen dieser Gremien erlangen dadurch erhebliche friedenspolitische Bedeutung, weil sie Einfluss auf die humanitäre Situation in Zielländern oder auf die Freizügigkeit von Zielpersonen gewinnen.
Vor diesem Hintergrund soll im Rahmen des Pilotprojekts exemplarisch der Frage nachgegangen werden, ob, wie und mit welchen Folgen der Sicherheitsrat die von ihm errichteten Al-Qaida/Taliban-Sanktionsausschüsse zur Listung terrorverdächtiger Personen und Vereinigungen durch Setzung inhaltlicher und verfahrensbezogener Kriterien steuert. Im Zentrum der Pilotstudie steht die Frage, inwieweit die im Zeitverlauf zu beobachtende mehrfache Veränderung des Sanktionsregimes (auch) auf Probleme zurückzuführen ist, die durch die Entscheidungstätigkeit des Ausschusses oder die Arbeitsteilung zwischen Rat und Ausschuss hervorgerufen werden. Im Rahmen der dafür notwendigen Datenerhebungsoll über den thematisch begrenzten Fokus der Pilotstudie hinaus auch die empirische Umsetzbarkeit des Gesamtprojekts geprüft werden.
Projektübersicht
Am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen begann im Februar 2012 eine Pilotstudie zur Erforschung der Interaktion zwischen dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und seinen Sanktionsausschüssen.
Projektleiter: Prof. Dr. Thomas Gehring - E-mail
Mitarbeiter: Thomas Dörfler, M.A. - E-mail
Finanzierung: Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF)
Laufzeit: 4 Monate (Februar 2012 - Mai 2012)