Wenn die Hebamme mit dem Gärtner: Expertensymposium zum Thema "Wikis in Organisationen"

Die Wikipedia kennt fast jeder. Sie hat das Prinzip Wiki populär gemacht: Viele Autoren arbeiten in der Wikipedia gemeinsam an einem Artikel. Aber funktionieren Wikis in Organisationen ähnlich wie die allseits bekannte Wikipedia? Unter welchen Bedingungen ist das Tool in Organisationen erfolgreich?

Diese und ähnliche Fragen wurden bei einem Expertensymposium am 27.09.2009 an der Universität Bamberg diskutiert. Präsentiert wurden die Ergebnisse mehrerer interdisziplinärer Forschungsprojekte, bei denen Bamberger Informatiker, Kommunikationswissenschaftler, Organisationsforscher und Soziologen zusammenarbeiten.

Wikis in Organisationen und im Internet unterscheiden sich grundlegend

Zentrale Unterschiede zwischen öffentlichen und organisationalen Wikis erläuterte Dipl.-Soz. Florian Mayer (DFG-Projekt). Ähnlich wie in der Wikipedia gebe es zwar auch Rollen wie die Hebamme, welche das Wiki sozusagen zur Welt bringt, oder Gärtner, die das Wiki aufbauen, strukturieren und pflegen. Doch hätten Unternehmen ganz eigene Probleme im Umgang mit dem Tool, weshalb man die Wikipedia nicht als Vergleichsmaßstab zur Bewertung des eigenen Wikis nehmen solle. Vor allem die Motivation zur Mitarbeit, Methoden der Qualitätssicherung sowie die inhaltliche und strukturelle Offenheit der Wikisysteme seien die Hauptprobleme in den untersuchten Fallstudien gewesen. Die noch vor zwei Jahren herrschende Euphorie, dass Wikis als „anarchische Medien“ Organisationshierarchien abbauen helfen, konnten die Bamberger Forscher jedenfalls nicht bestätigen.

Forschungsprojekt entwickelt neue Untersuchungs- und Visualisierungsmethoden

Ein wesentliches Ziel des von der VW-Stiftung finanzierten Projektes war es, herauszufinden, welche (neuen) Formen der virtuellen Zusammenarbeit durch den Einsatz von Wikis in Organisationen ermöglicht werden. Wie aber lässt sich Zusammenarbeit (Kollaboration) an gemeinsamen Texten messen und visuell darstellen? Um diese Frage zu beantworten, betrachteten die Bamberger Forscher nicht nur die Verlinkungen der Seiten innerhalb eines Wikis, sondern auch die daraus ableitbaren Vernetzungen der Autoren untereinander. Anhand von vier Fallstudien stellte Dr. Steffen Blaschke die Untersuchungsmethode im Einzelnen vor. Dr. Klaus Stein zeigte anschließend, wie man die Kollaboration zwischen Wiki-Usern im Sinne einer „Verzahnung“ – dem sogenannten „Interlocking“ – messen kann.

Die Symposiumsteilnehmer waren sich jedoch einig, dass diese Methoden nur Werkzeuge sind, um die Arbeit im Wiki darzustellen und zu visualisieren. Interpretationen der so gewonnenen Daten lassen sich erst durch eine Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden ableiten.

Forscher und Praktiker zeigten reges Interesse

Ähnlich interdisziplinär wie das Forscherteam präsentierte sich auch die Teilnehmerliste des Symposiums: Sozialwissenschaftler und Informatiker zählten ebenso zu den Gästen wie Praktiker (Unternehmensberater, Vertreter der Wikipedia). Letztere waren vor allem auf Praxisempfehlungen gespannt, während die Wissenschaftler sich eher für die neu entwickelten Untersuchungsmethoden der Wiki-Netzwerke interessierten. Einer der Teilnehmer kommentierte den hochrangigen Besucherkreis des Symposiums per Mikro-Blogging-Dienst Twitter mit einem Augenzwinkern: „Wenn hier das Gebäude einstürzt, sind 80 Prozent der Wiki-Kompetenz in Deutschland weg.“ Zum Glück blieb das Markushaus heil und wurde intensiv zur Diskussion der Ergebnisse genutzt. Die nicht-virtuelle Kollaboration funktionierte jedenfalls bestens.

Reaktionen zum Symposium:

"Expertensymposium - Wikis in Organisationen" von Cedric Weber

"Symposium »Wikis in Unternehmen«" von Tim Schlotfeldt

"Rückblick auf das Expertensymposion 'Wikis in Organisationen'" von Martin Koser