Evaluation der Kirchenzeitung "Heinrichsblatt"

Inhalt und Ziele

In der sich globalisierenden Informationsgesellschaft verändert sich das Informationsverhalten der Bürger auch auf lokaler und regionaler Ebene. Für eine Kirchenzeitung stellt in diesem Zusammenhang die Kombination von drei Entwicklungen eine besondere Herausforderung dar:

  1. Erhöhung des medialen Angebots: Mediale Angebote nehmen zu, sowohl durch eine Ausweitung des Angebots innerhalb eines Mediums (zusätzliche Zeitschriftentitel, Fernsehkanäle, Radioprogramme) wie durch das Aufkommen neuer Medien, insbesondere dem Internet. Der durchschnittliche tägliche Medienkonsum wuchs zwar seit 1980 von 300 auf 500 Minuten, doch diese Nachfragesteigerung bleibt hinter der Angebotsexplosion zurück. Damit steht jedes mediale Angebot vor dem Problem, die Aufmerksamkeit des Lesers/Nutzers/Rezipienten zu gewinnen und langfristig zu binden.

  2. Globalisierung: Die Zunahme von grenzüberschreitenden Verflechtungen schwächt tendenziell die Rolle von regionalen und nationalen Zusammenhängen. Durch die erhöhte Mobilität und die erleichterte Kommunikation sind Personen immer weniger an einzelne Orte und Regionen gebunden. Örtliche Gemeinschaften geraten so in Bedrängnis, die Bereitschaft zum (ehrenamtlichen) Engagement vor Ort sinkt.

  3. Säkularisierung und Wertewandel: Die religiöse Bindung der Deutschen nimmt ab, ob man nun die formelle Kirchenzugehörigkeit, die Teilhabe am Gemeindeleben oder die Zustimmung zu religiösen Glaubenssätzen betrachtet. Dieser Trend ist Teil eines breiteren Wertewandels, der in den westlichen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu beobachten ist. Knapp zusammengefasst verlieren pflichtbezogene Werte gegenüber Werten, die auf individuelle Selbstverwirklichung bezogen sind, an Bedeutung.

In der Summe ergeben diese Entwicklungen für eine regionale kirchliche Zeitung das Dilemma, dass sie auf der einen Seite Teil eines ständig wachsenden medialen Angebots sind, andererseits ihre Zielgruppe (im weitesten Sinne verstanden als regional mit der katholischen Kirche verbundene Personen) tendenziell schrumpft.

Das »Heinrichsblatt« hat derzeit eine Auflage von ca. 42.000 Exemplaren, deren Großteil (ca. 37.000 Stück) über Abonnements die Leser erreicht. Über die soziodemographischen Merkmale und die Zufriedenheit der Leser liegen keine gesicherten Informationen vor; es ist zu vermuten, dass es sich überwiegend um Frauen handelt, die 60 Jahre und älter sind. Die Leserzahl geht zurück, was zum Teil auf die Altersstruktur zurückzuführen ist, zum Teil aber auch auf eine Unzufriedenheit mit der Publikation hinweist. Idealerweise sollten mit dem »Heinrichsblatt«  Personen angesprochen werden, die sich als gläubige Katholiken verstehen, sich ehrenamtlich für die katholische Kirche engagieren und so die Kirche als einen wesentlichen Teil ihrer Lebenswelt sehen.

Aus dieser Analyse folgen die Leitfragen des vorliegenden Projekts

  • Welche Leser erreicht das » Heinrichsblatt« derzeit? Wie ist die Leserzufriedenheit, was sind die Leserwünsche?
     
  • Welche Personen erreicht das » Heinrichsblatt« nicht, insbesondere: Gibt es identifizierbare Gruppen von Nicht-Lesern, die mit einem veränderten Angebot für die Publikation zu gewinnen wären? Welche Motive haben dazu geführt, dass einstige Leser das Blatt nicht mehr lesen?
     
  • Inwieweit kann sich eine Kirchenzeitung im allgemeinen und das » Heinrichsblatt« im speziellen innerhalb des gewachsenen medialen Angebots behaupten und Aufmerksamkeit gewinnen? Inwieweit kann das » Heinrichsblatt« eine regionale und religiöse Bindungsfunktion einnehmen?

Forschungsdesign/Methode

Das Projekt fußt auf zwei empirischen Instrumenten:

  1. Eine standardisierte schriftliche Befragung der Leser des Heinrichsblattes.
     
  2. Mehrere Gruppendiskussionen, deren Teilnehmer sich aus Gruppen zusammensetzen, die durch die standardisierte Befragung als relevant identifiziert wurden (bspw. Leser mit einer hohen Bindung an das Blatt oder Personen, die potentiell vom »Heinrichsblatt«  erreicht werden können).

Die Kombination der beiden Verfahren ermöglicht es, zwei Arten von Informationen zu gewinnen: Die schriftliche Befragung erlaubt es, Aussagen über sozidemographische und andere allgemeine Merkmale zu machen, die für die derzeitige Leserschaft des Heinrichsblattes repräsentativ sind. Die qualitativen Instrumente (offene Interviews, Gruppendiskussion) bieten dagegen tiefergehende Einblicke in die Rezeptionsmotive und Wünsche der (potentiellen) Leser. Durch die größere Nähe zur Alltagswelt erlauben sie es auch, Aussagen über die Bedeutung des Heinrichsblattes für das religiöse Engagement und die Bindung an die regionale und kirchliche Lebenswelt zu machen.

Publikation

Das Projekt ist abgeschlossen. Die Ergebnisse wurden dem Erzbischöflichen Ordinariat präsentiert und in folgendem Aufsatz publiziert:

Schmidt, Jan (2002) "Zwischen Verlautbarung und Meinungsbildung: Ergebnisse einer Leserbefragung zur Kirchenzeitung 'Heinrichsblatt'". In: Communicatio Socialis, 3/2002, S. 322-343.

Link zum »Heinrichsblatt«