Anforderungen im Umgang mit literarischer Mehrdeutigkeit aus Lehrendensicht (LiMeL)

Gespräche über Literatur im Deutschunterricht gelten in der Literaturdidaktik als wichtige Form der Kommunikation zur Aushandlung literarischer Mehrdeutigkeit, durch die Dispositionen zur interpretierenden Verarbeitung literarischer Mehrdeutigkeit erweitert werden sollen. Doch was einen kompetenten ‚Umgang mit Mehrdeutigkeit‘ als Gegenstand schulischer Erwerbs- und Vermittlungsprozesse umfasst, dessen Bedeutung in Lehrplänen und fachdidaktischen Publikationen immer wieder betont wird, bleibt zumeist unbestimmt, obwohl sich in historischer Perspektive durchaus ein Wandel diesbezüglicher Annahmen rekonstruieren ließe. Was einen kompetenten Umgang mit literarischer Mehrdeutigkeit kennzeichnet, welche Dispositionen (Kompetenzen, Bereitschaften) dazu erworben werden müssen und welche Herausforderungen und typischen Probleme in Lehr-Lernsituationen auftreten können, ist bislang nicht im Fokus der fachdidaktischen Forschung. Erste Schritte zur Beseitigung dieses Desiderats sollen im Rahmen des Projekts LiMeL durch zwei Interviewstudien mit Deutschlehrkräften aus unterschiedlichen Institutionen (Schulen, Fachseminare) unternommen werden. Mit ihrer Hilfe sollen epistemologische, personen- und kontextbezogene Überzeugungen von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern rekonstruiert werden, die den ‚Umgang mit literarischer Mehrdeutigkeit‘ betreffen.

Projektphase 1:

Zwischen Februar und Juni 2022 wurden fokussierte (halbstandardisierte) Leitfadeninterviews mit N=34 Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern aus Gymnasien und Gesamtschulen in Nord-Niedersachsen sowie N=9 Fachleiterinnen und Fachleitern aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg durchgeführt, um zu erheben,

  • was Lehrkräfte unter dem „Umgang mit Mehrdeutigkeit“ in Gesprächen über Literatur verstehen,
  • welche Relevanz sie diesem Aspekt des Deutschunterrichts zuschreiben,
  • inwiefern sie „Mehrdeutigkeit“ in konkreten literarischen Texten identifizieren,
  • in welcher Hinsicht und Ausprägung Schülerinnen und Schüler über entsprechende Dispositionen in der siebten Jahrgangsstufe und in der Oberstufe verfügen,
  • wie Deutschlehrerinnen und -lehrer die Erweiterung entsprechender Dispositionen in Gesprächen über Literatur didaktisch operationalisieren (würden),
  • welche Herausforderungen dabei bewältigt werden müssen und
  • ob in curricularer Perspektive eine Progression im Anforderungsniveau identifiziert werden kann.

Projektphase 2:

In der zweiten Projektphase soll im Frühjahr 2023 eine komplementäre Interviewstudie durchgeführt werden, die die Modellierung von Lernaufgaben betrifft, die aus Sicht von Deutschlehrerinnen und -lehrern geeignet sind, um Dispositionen im Umgang mit literarischer Mehrdeutigkeit zu erweitern.

Ziel des Gesamtprojekts ist es, verbreitete fachdidaktische Annahmen über einen fachlich angemessenen Umgang mit literarischer Mehrdeutigkeit in Beziehung zu Beobachtungen, Erfahrungen und Überzeugungen von Expertinnen und Experten aus der Unterrichtspraxis zu setzen, daraus Anknüpfungspunkte für den Erwerb bzw. die Erweiterung schüler- und lehrerseitiger Dispositionen abzuleiten und Perspektiven für Fortbildungsangebote zu entwickeln.

Beteiligte: Prof. Dr. Jörn Brüggemann, Maximilian Fabrizius (Universität Oldenburg)

Laufzeit: Seit 2021

Stichwörter: Mehrdeutigkeit, Gespräche über Literatur, Lehrkräftebildung, Lehrerprofessionsforschung